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Ausgabe:

Januar/2009

Spalte:

122-124

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Mühling, Markus

Titel/Untertitel:

Grundinformation Eschatologie. Systematische Theologie aus der Perspektive der Hoffnung.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2007. 352 S. 8° = UTB 2918. Kart. EUR 24,90. ISBN 978-3-8252-2918-4.

Rezensent:

Gunda Schneider-Flume

Die Eschatologie als Lehrstück aus der christlichen Dogmatik herauszulösen, erscheint besonders schwierig, da die christliche Hoffnung und von daher die Eschatologie die gesamte Dogmatik und alle ihre Themen bestimmt. Wenn eine eigenständige Bearbeitung der Eschatologie dennoch unternommen wird, darf sie nicht nur sog. »letzte Dinge« behandeln, sondern sie muss die eschatolo­gischen Aspekte der Christologie und der Soteriologie ebenso wie der Gottes-, der Schöpfungslehre und der Anthropologie entfalten. Gerhard Sauter hat das einführend 1995 getan und außerordentlich klar Rechenschaft über die Hoffnung des christlichen Glaubens gegeben (Einführung in die Eschatologie, Darmstadt 1995).
2007 legte der Heidelberger Systematiker Markus Mühling – nach seiner Habilitationsschrift zur Versöhnungslehre und dem auf eschatologische Perspektiven ausgerichteten Büchlein »Gott und die Welt in Narnia«, einer Kommentierung der Vorstellungen der Narniageschichten von C. S. Lewis – wiederum eine Einführung vor, die er »Grundinformation Eschatologie« nennt. Auch M. be­tont die gesamtdogmatische Bedeutung der Eschatologie und formuliert sie mit dem Untertitel. Um die Verbindung zur Dogmatik im Ganzen zu klären, beginnt M. mit Prolegomena, in denen er zunächst Geschichtliches zum Eschatologiebegriff behandelt. Anschließend leitet er den Gegenstandsbezug der Eschatologie aus dem Handlungsbegriff ab und bringt begriffliche Klärungen. Das zweite Kapitel verankert die Eschatologie nicht in der Christologie, sondern, dem heutigen dogmatischen Trend folgend, in der Trinitätslehre. Das dritte Kapitel greift spezifisch eschatologische Themen auf unter der Überschrift »Das Eschaton«: Zeit und Ewigkeit, Raum und Unendlichkeit und – weniger der Tradition verpflichte t– das Gute, das Wahre sowie das Schöne.
Im vierten Kapitel diskutiert M. die von ihm so genannten Prä­eschata: das Geschick der Welt (renovatio, annihilatio), den Tod und die Zukunft der Geschichte. Im fünften Kapitel werden die Eschata als begriffliche Beschreibung der eschatischen Realität diskutiert: die Parusie Christi, die leibliche Auferstehung der Toten, das Ge­richt und seine Ausgänge und die Vollendung des Reiches Gottes.
In Kapitel vier und fünf fügt M. wie schon in seiner Versöhnungslehre Abschnitte über die ethische Relevanz des Ausgeführten ein. Dem Anliegen einer Grundinformation entsprechend halten thesenhafte Abschnitte und Zusammenfassungen (im Text unterlegt) die Memorabilia fest. Diese im Text unterlegten Ab­schnitte sind klar und gut lesbar. Literaturverzeichnis, Glossar, Bibelstellen- und Personenregister schließen das Buch ab.
M. verfolgt ein anspruchsvolles Anliegen. Gemäß seiner Definition, nach welcher Systematische Theologie »eine bestimmte Art von theologischer Handlungskompetenz« (12) bezeichnet, »die methodisch-kontrollierte Selbstreflexion des christlichen Lebens« (39) bietet, stellt sich neben der Wissensvermittlung die Aufgabe der Systematischen Theologie als theologisches Kompetenztraining dar: »Ähnlich wie ein Sportler durch Training ›in Form ge­bracht‹ wird, sollen hier die systematisch-theologischen Kompetenzen der Leser trainiert werden.« (12)
Die Wissensvermittlung fällt in den Prolegomena so gedrängt aus, dass man einen Gewinn bei der Lektüre nur hat, wenn man die theologiegeschichtlichen Sachverhalte zuvor schon kennt. Das dürfte für Anfänger schwierig sein. Viele Namen werden genannt und mit der nicht glücklichen Einteilung in »Eschatologie von oben« und »Eschatologie von vorne« klassifiziert.
M. geht in den Prolegomena auch auf die Begründungsproblematik eschatologischer Aussagen ein. Treffend stellt er fest: »Weder aus der Schrift allein, noch aus der Verkündigung des historischen Jesus allein, noch aus der Tradition allein, noch aus der Glaubenserfahrung allein lassen sich eschatologische Aussagen begründen.« (50) Dieser Feststellung ist zuzustimmen, aber die negative Ab­grenzung macht noch nicht deutlich, wie denn die Eschatologie begründet werden soll, so dass man sich gelegentlich fragt, woher denn M. sein Wissen bezieht. Die Art und Weise des Schriftbezuges dieser Eschatologie etwa bleibt im Verlauf des gesamten Buches ungeklärt. – Eine Begründung eschatologischer Aussagen (er spricht im Blick auf die inhaltlichen Aussagen von »eschatischen« Sachverhalten) will M. mit einer den metaphysischen Gottesbegriff (59) und die Relation der trinitarischen Personen verbindenden Gotteslehre (68) bieten. Diese Ausführungen sind in ihrer fundamentaltheologischen Funktion notwendigerweise sehr knapp. Gleichwohl müsste eine definitorische Zusammenfassung wie etwa die zu den Eigenschaften Gottes mit der Feststellung, dass Allmacht keine Weseneigenschaft Gottes sei (75), begründet werden. M. entwirft seinem Anliegen gemäß, Systematische Theologie aus der Perspektive der Hoffnung zu schreiben, eine Gotteslehre. Das überschreitet aber das Fassungsvermögen einer Grundinformation Eschatologie. Zur inhaltlichen Begründung der Eschatologie können diese Ausführungen zur Gotteslehre wegen ihrer Formalität wenig beitragen.
Deutlich zeigt sich das bei der ausführlichen Behandlung des Problems von Zeit und Ewigkeit (78–100), bei der eine große Fülle von Stoff geboten wird – Hinweise auf die Relativitätstheorie, Augustinus, Swinburne, McTaggart, Tipler u. a. –, aber eine Bezug­nahme auf das Zeitverständnis der biblischen Tradition fehlt.
Der wiederum sehr stoffreiche Abschnitt über Raum und Un­endlichkeit, der Raummodelle von den Vorsokratikern über Newton, Kepler, Kant, Hegel, die Raumvorstellungen der Abendmahlslehre der Reformatoren u. a. umfasst, wird von M. zusam­men­gefasst: »Das Beziehungsgefüge, das Gott ist, ist als Mannigfachheit asymmetrischer, irreflexiver und transitiver Relationen zwischen Vater, Sohn und Heiliger (sic!) Geist zu verstehen. Es ist identisch mit Ewigkeit und Unendlichkeit bzw. mit göttlicher Zeit und göttlichem Raum. Als solches Beziehungsgefüge ist Gott Be­dingung der Möglichkeit weltlicher Raumzeit …« (122). Damit ist dem metaphysischen Gottesbegriff zwar Rechnung getragen, aber die spezifische Gegenwärtigkeit Gottes, seine eschatologische Nähe ebenso wie die Ewigkeit Gottes in der Zeit können so schwerlich zur Sprache kommen.
Die folgenden Kapitel vier und fünf behandeln die weiteren Themen der Eschatologie. Auf dem kappen Raum dieser Besprechung kann dem nicht im Einzelnen nachgegangen werden. Wiederum ist zu bemerken, dass M. eine Fülle von Stoff anführt, offensichtlich auch aus dem berechtigten Anliegen heraus, seine Ausführungen anschlussfähig zu den Natur- und Humanwissenschaften zu halten. Allerdings sollte dabei die theologische Perspektive deutlich herausgearbeitet werden. Die biblische Perspektive müsste anders zu Worte kommen als in M.s Hinweis auf die Bilder der eschatischen Realität (305–310). Jes 11,6–9 ist kaum angemessen erfasst mit dem Hinweis darauf, dass es nicht sinnvoll sei, »von Babys in der eschatischen Realität zu sprechen« (308). Freilich müsste dafür die inzwischen ausführlich bearbeitete Metaphern- und Symboltheorie in ihrer Bedeutung für das Reden von Gott und eschatologische Themen bedacht werden.
Unklar bleibt bei den Ausführungen dieser Eschatologie der Theoriestatus der schöpfungstheologischen und eschatologischen Aussagen im Verhältnis zu natur- und humanwissenschaftlichen Theorien, so wünschenswert der Bezug auf natur- und humanwissenschaftliche Ergebnisse auch ist. Mit Gewinn könnte man diese Grundinformation vielleicht lesen, indem man, entgegen der Ab­sicht M.s, nun doch zunächst nur die unterlegten zusammenfassenden Thesen auf ihre theologische Relevanz hin bedenkt und sich danach abschnittweise mit einzelnen Themen und der Vielfalt der hilfreichen Literaturhinweise befasst.