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Ausgabe:

Januar/2009

Spalte:

120-122

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Kärkkäinen, Veli-Matti

Titel/Untertitel:

The Trinity. Global Perspectives.

Verlag:

Louisville-London: Westminster John Knox Press 2007. XXII, 409 S. gr.8°. Kart. £ 22,99. ISBN 978-0-644-22890-3.

Rezensent:

Martin Wendte

Seit mehr als 30 Jahren sind Theologen aus allen christlichen Konfessionsfamilien weltweit darum bemüht, ein vertieftes Verständnis der Trinitätslehre zu erlangen. Diese Renaissance trinitarischer Theologie geht mit dem inhaltlichen Anspruch einher, nicht nur die trinitarische Dimension der Gotteslehre erneut zu bedenken, sondern von daher auch andere loci umzuformen und zudem über die Auswirkungen der Trinitätslehre auf das Verständnis christlicher Praxis und eine dem Christentum angemessene Sozialordnung nachzudenken. Veli-Matti Kärkkäinen, der am Fuller Theological Seminary, California, Professor für Systematische Theologie ist, arbeitet in diesem Buch die neuere Trinitätstheologie in ihrer interkonfessionellen und internationalen Dimension umfassend auf.
Dafür unterteilt K. sein Buch in fünf Teile. Nach einleitenden Bemerkungen stellt er im ersten Teil kurz den biblischen Hintergrund der Trinitätslehre dar (3–18). Er betont, dass das Neue Testament zwar keine explizite Trinitätslehre bietet, wohl aber die einmalige Verbundenheit Jesu Christi mit dem Vater herausarbeitet und die besondere Rolle des Geistes bedenkt. In der Rekonstruktion wichtiger Etappen der Dogmengeschichte (19–64) wird sodann vorgeführt, wie die Denker von den Logos-Theologen des 2. Jh.s bis hin zu Thomas von Aquin damit rangen, den trinitarischen Gott als monotheistischen zu fassen, ohne in modalistische Tendenzen zu verfallen. Nachdem so das Erbe der globalen Theologie von heute in Erinnerung gerufen wurde, rekonstruiert und diskutiert K. in dem fast die Hälfte des Buches umfassenden dritten Teil jeweils auf ca. 15 Seiten die Trinitätslehren der elf wichtigsten Trinitätstheologen der letzten 80 Jahre in Europa und Nordamerika (64–254): Karl Barth, Karl Rahner, John D. Zizioulas, Jürgen Moltmann und Wolfhart Pannenberg sowie Robert Jenson, Catherine M. LaCugna, Elizabeth Johnson, Millard J. Erickson, S. Mark Heim und Ninian Smart. Damit wählt K. nicht nur Theologen aus allen drei großen Konfessionsfamilien aus, sondern beachtet auch solche Denkerinnen und Denker, die sich explizit einer eigenen theologischen Strömung wie dem Feminismus (Johnson) oder der evangelikalen Bewegung (Erickson) zuordnen. Im folgenden vierten Teil wird zuerst ein kurzer Überblick über die Situation der Theologie in Lateinamerika, in Asien und in Afrika gegeben und dann werden je zwei wichtige Trinitätstheologen aus jedem Kontinent vorgestellt (255–380). Lateinamerika mit seinem starken Einfluss der Befreiungstheologie wird durch Leonardo Boff und Justo L. González repräsentiert. In Asien sind nach K. die Armut und der religiöse Pluralismus wichtige theologische Themen, die auch für die Entwick­lung der Trinitätslehre von Bedeutung sind. Dies wird anhand der Entwürfe von Jung Young Lee und Raimundo Panikkar vorgestellt. Afrika bringt eine eigene Form des Christentums und der Theologie hervor, für die die Gemeinschaft von großer Bedeutung ist. Die trinitätstheologischen Überlegungen stehen dabei noch ganz am Anfang und werden durch die Entwürfe von Charles Nyamiti und A. Okechukwu Ogbonnaya geprägt. Gemeinsam ist den nicht-westlichen Theologen, dass sie zentrale Probleme der Trinitätslehre durch Rückgriff auf Denkfiguren aus ihrem eigenen Kontext zu lösen versuchen. So betont Jung Young Lee, dass Verbundenheit wie Unterschiedenheit der drei Personen der Trinität durch die Denkfigur des yin yang besser rekonstruiert werden kann als durch die abendländische Logik, die vom Satz vom ausgeschlossenen Dritten ausgeht und in starken Alternativen denkt (323). Im Schlussteil (381–399) bündelt K. zentrale Einsichten der rekonstruierten Positionen und weist darauf hin, dass die Trinitätslehre die gesamte Theologie strukturiert, dass sie aus der Schrift erhoben werden kann und dass die immanente Trinitätslehre von der ökonomischen her entwickelt wird. Zudem ist die Trinität als Gemeinschaft dreier extensionsdistinkter Personen zu verstehen, und es wird der Trinitätslehre das Potential zu sozialer Kritik zugeschrieben. Als die wichtigsten Aufgaben zukünftiger Forschung nennt K. u. a., dass die Einheit der Personen weiter zu bedenken ist, nachdem ihre Dreiheit erhöhte Aufmerksamkeit erfuhr, und dass zu diskutieren ist, in welchem Maß die Trinitätslehre Vorbild für menschliche Sozialordnungen sein kann. Zudem bedarf die Frage nach der Benennung der drei Personen – sind die Bezeichnungen »Vater, Sohn und Heiliger Geist« Ausdruck patriarchaler Verzerrung des befreienden Gottes? – weiterer Debatten.
K. schließt auf überzeugende Weise eine Lücke in der Forschung, da er erstmals die Renaissance trinitarischer Theologie in ihrer globalen Dimension monographisch aufarbeitet. Dies ist umso eindrücklicher, als er in umfassendem Maß die Primär- und Sekundärliteratur zu den jeweiligen Autoren beachtet und seine Ergebnisse in sehr gut lesbarem Stil präsentiert. Auch die Anlage des Buches überzeugt, da es sowohl in Abschnitten als auch als Ganzes gelesen werden kann. So bilden die einzelnen Kapitel des Buches jeweils in sich relativ abgeschlossene Einheiten. Da sie zudem die jeweiligen Autoren nicht nur prägnant und sachangemessen re­konstruieren, sondern auch ausgewogen und differenziert diskutieren, können sie in der Lehre eingesetzt werden und den Studierenden erste Informationen über die Trinitätslehre der einzelnen Autoren liefern, aber auch dem Spezialisten als Sprungbrett für weitere Forschungen dienen. Zugleich bildet das Buch eine umfassende Einheit, da zu Beginn des zweiten, dritten und vierten Teils gezeigt wird, wie die Ergebnisse und Fragen der vorhergehenden Teile von den nun folgenden Autoren aufgenommen werden. Außerdem verweisen die einzelnen Kapitel aufeinander, etwa indem Strukturanalogien zwischen der sozialen Trinitätslehre von John D. Zizioulas und Catherine M. LaCugna namhaft gemacht werden (184). Liest man das Buch als Ganzes, so bekommt man daher nicht nur einen umfassenden Überblick über die gegenwärtige globale Debatte um die Trinitätslehre, sondern gewinnt auch interessante Einblicke in die Vernetztheit der Autoren sowie die Interdependenzen und Differenzen ihrer Zugriffe auf den verhandelten Gegenstand.
Das Buch hätte noch gewonnen, wenn am Ende jeden Kapitels die wichtigste Primär- und Sekundärliteratur gesondert aufgeführt worden wäre. Bei der (insgesamt sehr überzeugenden) Auswahl der Autoren verwundert es, dass K. zwar den Protestanten Barth und den Katholiken Rahner, nicht aber den Orthodoxen Lossky (als den dritten »Vater« der Renaissance trinitarischer Theologie) eigens vorstellt, obwohl er ihn selbst zu Recht den (neben Bulgakov) einflussreichsten orthodoxen Theologen des 20. Jh.s nennt (89). In inhaltlicher Hinsicht durchzieht K.s Buch eine eigentümliche Spannung in Bezug auf das Verhältnis der Trinitätslehre zur (alt)europäischen Metaphysik und ihren aufgeklärten Umformungen. Einerseits ist es geradezu ein Topos des Buches, die jeweiligen Autoren dafür zu loben, dass sie sich in Ansatz und Durchführung ihrer Trinitätslehre von abgehobener, abstrakter Spekulation distanzieren. Andererseits fordert K. bei der Vorstellung der eigenen Agenda, dass die Trinität im Anschluss an Pannenberg als »public truth« (396) auszuweisen ist und als solche beständig mit philosophischer Theologie korreliert werden muss. Diese kritischen Anmerkungen sollen nicht vergessen lassen, dass K. ein ausgesprochen gelungenes Buch vorlegt, das in Lehre und Forschung von großem Nutzen sein kann.