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Ausgabe:

Januar/2009

Spalte:

106-107

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Menssen, Sandra, and Thomas D. Sullivan

Titel/Untertitel:

The Agnostic Inquirer. Revelation from a Philosophical Standpoint.

Verlag:

Grand Rapids-Cambridge: Eerdmans 2007. XVI, 331 S. gr.8°. Kart. US$ 35,00. ISBN 978-0-8028-0394-8.

Rezensent:

Wolfgang Klausnitzer

Das Vorwort von William J. Abraham, der sogleich erklärt, dass (und wie) er das Buch als Grundlage eigener Lehrveranstaltungen einsetzen will (XIV), und die Einleitung beteuern, dass es sich um einen völlig neuen Ansatz innerhalb der Philosophischen (bzw. Natürlichen) Theologie handle (XIII und 4 f.). Er besteht darin, dass die beiden Vf. nicht (wie nach der klassischen katholischen Fundamentaltheologie in der »deutschen Form« üblich) zuerst die Frage der Existenz Gottes (die »demonstratio religiosa«) und dann das Thema einer möglichen Offenbarung (die »demonstratio christiana«) traktieren, sondern inhaltliche Aussagen der großen Offenbarungstraditionen (z. B. zum Wesen eines guten Schöpfergottes, zur Entstehung des Bösen oder zur anthropologischen Konstitution des einzelnen Individuums und damit zu einer Ethik) zur Begründung heranziehen, um die Existenz eines (guten) Gottes plausibel zu machen. Ausdrücklich genannte Adressaten dieses religionsphilosophischen Diskurses sind alle (philosophisch interessierten) Menschen, die nicht an einen (persönlichen) Gott glauben (5 f., Anm. 3). Der Referenzpunkt ist die Offenbarungstradition der sog. Abrahamsreligionen (204). Ausgeschlossen aus der Betrachtung sind nichttheistische religiöse Traditionen etwa indischen oder chinesischen Ursprungs (70.202). »We should not for a moment dream of repeating the fatuity that all religions are really saying basically the same thing in diverse languages« (203). Die beiden Vf. fühlen sich der katholischen Denktradition verpflichtet (254 f., Anm. 57). Das zeigt sich etwa an der wiederholten zustimmenden (aber durchaus nicht unkritischen) Rezeption des Thomas von Aquin (vgl. 220.272).
Die Arbeit begründet in einem ersten Teil die Plausibilität einer für die Menschheit relevanten Offenbarung eines persönlichen (guten) Gottes in Auseinandersetzung mit den Einwänden Kants und Wittgensteins und einer (populären) (natur-)wissenschaftlichen Bestreitung der philosophischen Nachweisbarkeit der Exis­tenz Gottes (und damit auch der Möglichkeit einer Offenbarung). Der zweite Teil diskutiert verschiedene Einwände (die Theodizeeproblematik, die Frage der Beurteilung von Offenbarungsansprüchen, das inhaltliche Erklärungspotential so genannter Offenbarungsaussagen zur Deutung der Wirklichkeit und das Problem des Verhältnisses von Vernunft und Glaube) gegen das Projekt. Die Vf. vertreten eine hohe Meinung von der Fähigkeit der menschlichen Vernunft, die Existenz Gottes und zentrale Inhalte seiner Offenbarung an den Menschen zu erkennen (22.133). Der (zumindest für das Christentum) »neuzeitliche« Zentralbegriff der Offenbarung zur Deutung des Christusgeschehens wird vor allem im Sinne des »instruktionstheoretischen Offenbarungsmodells« (Max Seckler) verstanden (vgl. 70). Die Kritik an Kant ist manchmal etwas überscharf (163: »gray mists surrounding the structure of Kant’s thought on the categorical imperative«). Wichtig ist allerdings die Bemerkung, dass auch Kant (der nach Auffassung des Rezensenten durchaus in einer bestimmten christlichen Denktradition steht) in der »praktischen« Vernunft auf »supranaturale« Realitäten Bezug nimmt (264). Als Beispiele von Offenbarungsinhalten, deren faktische Plausibilität als Mitteilungen eines guten Gottes ein Mensch, der mit der Vernunft Gründe sucht, die für die Existenz dieses Gottes sprechen, untersuchen könnte, nennen die Vf. etwa die Aussagen, dass die Menschen einen besonderen Platz im Universum einnehmen (234–236), dass die »Seligpreisungen« der matthäischen Bergpredigt eine grundlegend neuartige Ethik proklamieren (236–239) oder dass es in der Menschheit Wahlfreiheit gebe (245–248).
Die Exempel sind allesamt aus der (jüdisch-)christlichen Tradition gezogen (234): »… we will stick to what we know best, Christianity, with its roots in the Hebrew revelatory tradition.« Die spezifische Methodik des Buches erklärt, das immer wieder theologische Aussagen in eine eigentlich religionsphilosophische Argumentation einfließen (müssen). Zuweilen erscheinen auch Anspielungen an traditionelle Behauptungen der katholischen Apologetik (287: »…many argue for the truth of revealed ethics because those they most admire live in accord with the higher call of the revealed ethics. The many may well be right« erinnert an die »via empirica« von Victor-Auguste Dechamps; vgl. auch 85) oder katholischer Religionsphilosophie (315: »… perhaps little is lost by entering into this religious form of life, even if in the end one comes to reject the religions that recommend it« lässt an die »Wette« von Blaise Pascal denken).
Hilfreich ist der Hinweis auf Sokrates, der ein wenig den Ansatz des Buches praktisch vorgelebt habe. Sokrates habe im Hören auf die Stimme seines »daimonion« durchaus das Faktum einer (übernatürlichen) Offenbarung vorausgesetzt (und in seine philosophische Argumentation integriert), allerdings auch kritisch »vernünftig« auf (vermeintliche) Offenbarungsinhalte reagiert (bzw. sei in der Lage gewesen, dies zu tun) (317–323). Auf diese Weise stellen sich vielleicht Sokrates und zumindest das Unternehmen der Vf. geradezu als praktische Realisierungen der proklamierten These der Enzyklika »Fides et Ratio« (1998) von Johannes Paul II. dar, derzufolge Vernunft und Glaube notwendig (!) aufeinander verwiesen seien. Die zentrale Behauptung des Buches der beiden amerikanischen Vf. lautet (63): »If it is not highly unlikely that a world-creator exists, then investigation of the contents of revelatory claims might well show it is probable that a good God exists and has re­vealed.« Dass die dazu entfaltete Argumentation einen polemischen Atheismus, wie er vor Kurzem gerade in der englischsprachigen Literatur wieder in Erscheinung getreten ist, ins Nachdenken bringt, ist wohl sehr unwahrscheinlich. Aber das macht solche Veröffentlichungen wie die der beiden Vf. nicht überflüssig, sondern eher noch notwendiger.