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Ausgabe:

Januar/2009

Spalte:

72-77

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Towner, Philip H.

Titel/Untertitel:

The Letters to Timothy and Titus.

Verlag:

Grand Rapids-Cambridge: Eerdmans 2006. XLVIII, 886 S. gr.8° = The New International Commentary on the New Testament. Lw. US$ 52,00. ISBN 978-0-8028-2513-1.

Rezensent:

Jens Herzer

Mit dem anzuzeigenden Werk hat Philip H. Towner eine umfangreiche wissenschaftliche Neukommentierung der Pastoralbriefe vorgelegt, mit der er seine bereits an anderem Ort vorgestellte Perspektive nochmals begründet und an den Texten zu verifizieren sucht. Neben zahlreichen Einzelstudien zu den Pastoralbriefen ist T. als Experte auf diesem Gebiet nicht nur durch seine Monographie zu Theologie und Ethik der Pastoralbriefe (JSNT.S 34, 1989) ausgewiesen, sondern auch durch eine erste Kommentierung der Briefe in der IVP New Testament Commentary Series (1994) sowie seine Mitarbeit an dem großen Kommentar zu den Pastoralbriefen von I. Howard Marshall (ICC, 1999). Es überrascht daher nicht, dass T. vor dem Hintergrund seiner Erfahrung mit den Past auch angesichts zum Teil sehr kontroverser neuerer Arbeiten und trotz der Abweichung von Marshalls Auffassung zur Autorfrage, der mit dem Begriff »Allonymity« zu vermitteln sucht, seiner Position treu bleibt (vgl. 25 f.) und die drei Briefe gleichermaßen als authentische Schreiben des Paulus interpretiert. T.s Kommentar stellt unter diesen Vorzeichen einen bedeutenden Beitrag in der Pastoralbriefforschung dar, weil mit ihm ein auf hohem wissenschaftlichen Ni­veau erarbeitetes Werk zu allen drei Briefen vorliegt, welches die Voraussetzung der Authentizität nicht einfach nur behauptet bzw. spekulativ begründet, sondern sich der Probleme durchaus be­wusst ist und versucht, diese Ausgangsposition in der Exegese der Texte zu plausibilisieren (darin vergleichbar etwa mit dem Kommentar von Luke T. Johnson von 2001 zu 1 und 2Tim [vgl. ThLZ 129, 2004, 1267–1282], dessen Einleitung bereits monographischen Cha­rakter hat und auf die T. sich zur Komprimierung seiner eigenen Einleitung sehr intensiv bezieht). Immerhin ist damit auch die im Vorwort angesichts der zahlreichen neueren Past-Kommentare der letzten 20 Jahren sehr zu Recht gestellte Frage beantwortet, »why on earth« (XV) ein weiterer Kommentar diese Flut zu einem neuen Höchststand bringen muss.
In Anlage und Durchführung unterliegt jeder Kommentar den Vorgaben und Erfordernissen der jeweiligen Reihe, welche insbesondere bei angelsächsischen Reihen etwa im Vergleich zu denen deutscher Verlage sehr unterschiedlich sein kann, u. a. im Hinblick auf die Verwendung bestimmter Bibelübersetzungen an Stelle einer je eigenen des Kommentators. Obwohl der NICNT dies offenbar (vgl. 7) nicht vorgibt, bietet T. keine eigene Übersetzung, sondern druckt jeweils den Text der »Today’s New International Version« (TNIV) ab, begründet mit der Orientierung an der Leserschaft des NICNT (laut Klappen­text »busy pastors, students, and scholars«). Dadurch wird ein erhöhter argumentativer Aufwand in der Erklärung der Unterschiede angesichts exegetischer Entscheidungen nötig, so dass man wohl mit Recht fragen kann, ob dieses Verfahren sinnvoll ist, zumal jeder Benutzer eines wissenschaftlichen Kommentars neben dem griechischen Text in der Regel auch bestimmte Übersetzungen konsultiert, die er in der eigenen Praxis benutzt. Diesem Verfahren entsprechend wird die Diskussion griechischer Sprachformen vorwiegend in den Anmerkungen geführt.
Anders als vielleicht in einer thematisch-exegetischen Studie zu Einzelproblemen ist es in einem Kommentar zu den Past nicht möglich, die Autorfrage zu suspendieren. Der Blick auf das Ganze und insbesondere die Verhältnisbestimmung zwischen historisch zu rekonstruierender Entstehungssituation und Inhalt der Briefe bzw. des je einzelnen Schreibens machen die Entscheidung dieser Frage zu einer wichtigen Voraussetzung für die Kommentierung und damit zugleich zu einer Weichenstellung hinsichtlich der Gesamtinterpretation. Diesem Problem muss man sich also notwendig stellen, und T. tut dies mit wünschenswerter Klarheit, wenn auch gelegentlich mit einem apologetisch-polemischen Un­terton. Angesichts der zahllosen und zum Teil widersprüchlichen Theorien, die in der Forschung entwickelt wurden, ist dies vielleicht kaum vermeidbar. Hinter der in anderen Zusammenhängen oft beklagten Engführung der Past-Forschung auf die Autorfrage steht zumeist der Unwille, sich mit einem Problem weiterhin beschäftigen zu müssen, das nach Ausweis der Forschung doch bereits zu Ungunsten des Paulus gelöst sei. Ob damit jedoch eine sinnvolle Alternative zu der von T. vorausgesetzten Perspektive vorgegeben ist, darf gerade angesichts der sehr unterschiedlichen Ergebnisse in der Past-Forschung mit guten Gründen bezweifelt werden. Die Erwartung an die Lektüre des Kommentars richtet sich daher darauf, ob es T. gelingt, seine Entscheidung hinsichtlich der Autorschaft der Past tatsächlich plausibel an den Texten aufzuzeigen bzw. durch die Interpretation der Texte zu begründen.
Zu begrüßen ist es daher, wenn T. sich sowohl gegen bestimmte Lesarten vom Standpunkt der Orthonymität als auch der Pseudonymität der Briefe wendet und im Blick auf Letztere vor allem das »corpus reading« in Frage stellt (2 f.). Gegenüber der Theorie eines einheitlich konzipierten »Corpus pastorale« (P. Trummer; vgl. 28: »a most disadvantageous conclusion for the interpretation of the letters«) hat T.s Position den Vorteil, die Briefe sehr klar als Einzelschriften wahrnehmen zu können, die nicht bereits ursprünglich aufeinander bezogen entstanden sind und ganz unterschied­li­che Situationen voraussetzen. Dennoch kann eine solche Entscheidung auch den Blick dafür trüben, dass die Unterschiede zwischen den Schreiben nicht über Gebühr strapaziert werden dürfen. Wie bei der Corpus-Theorie unter pseudonymen Vorzeichen wird auch hierbei ein einzelner Autor – Paulus – für alle drei Briefe vorausgesetzt, so dass die Unterschiede im Rahmen einer situativ zu bestimmenden »interrelationship« zwischen den Brie fen zu erklären sind. Eine besondere Bedeutung kommt dabei offenbar dem Begriff »cluster« (30) zu, den T. von Johnson übernimmt, um der angemessenen Verhältnisbestimmung zwischen Gemeinsamkeiten und Un­terschieden der drei Briefe gleichermaßen gerecht zu werden, »so that certain linguistic and conceptual elements are in fact in a very qualified way continuous« (3). Um dabei nicht genauso spekulativ zu argumentieren wie diejenigen Positionen, die T. mit guten Gründen kritisiert, setzt dies allerdings eine sehr differenzierte Kriteriologie voraus, die jedoch dem Leser nicht hinreichend klar wird. Dafür muss man andere Publikationen T.s zur Sache konsultieren, auf die auch regelmäßig verwiesen wird.
Die Einleitung beginnt mit einem Blick auf die Rezeption der Past in der Alten Kirche. T. setzt sie bereits bei Polykarp und im Ersten Clemensbrief als bekannt voraus, ohne zu reflektieren, dass die sprachlichen Affinitäten (mehr ist es nicht!) sich im Wesentlichen zum 1Tim ergeben. Gegen H. von Campenhausens These, Polykarp von Smyrna habe die Past gegen Marcion verfasst, führt T. das Argument ins Feld, Polykarp hätte bereits 1Tim zitiert – was so klar eben nicht ist. Erst Clemens von Alexandrien (nach 150!) zitiert nachweislich aus allen drei Briefen, was T. selbst vermerkt.
Auf ca. fünf Seiten (15–20) bietet T. eine konzentrierte Beschreibung der verbreiteten Auffassung der Past als eines pseudonym verfassten Corpus von Schriften. Die Anmerkungen zeigen, dass T. mit der internationalen Forschungslandschaft vertraut ist, auch wenn diese in einem solchen Überblick keineswegs hinreichend differenziert gewürdigt werden kann und vor allem den Mehrheitskonsens ebenfalls in Frage stellende Stimmen der deutschen Forschung nicht zur Kenntnis genommen werden. Die Bestandsaufnahme bietet dann auch keine über die bekannten Argumente für und wider die Voraussetzungen des kritischen Konsenses hinausgehenden Aspekte. Neben der Kritik an der Corpus-Theorie wird man insbesondere auch der Kritik an den auf stilistische Beobachtungen gestützten Argumentationen zustimmen, welche trotz erwiesener Untauglichkeit nach wie vor eine entscheidende Rolle für die Annahme nichtpaulinischer Verfasserschaft spielen.
Eine besondere Herausforderung für die Voraussetzung authentischer Verfasserschaft des Paulus besteht darin, die Past in die Missionsgeschichte des Paulus und in den Zusammenhang der Entstehung der Gemeindebriefe einzuordnen. Die oft bemühte These einer zweiten römischen Gefangenschaft, die der Schwierigkeit dieses Unterfangens geschuldet ist, wird von T. offengehalten, aber nicht vorausgesetzt. Die Indizienlage reicht dafür ohnehin nicht aus und macht im Gegenteil diese Annahme äußerst un­wahrscheinlich. Hinzu kommt, dass dabei die Abfolge der Missionsgeschichte in der Apg in historischer Hinsicht eine konstitutive Rolle spielt, was angesichts der neueren Acta-Forschung auch nicht (mehr) ohne Weiteres als gegeben vorausgesetzt werden kann.
Die Perspektive T.s erlaubt es immerhin, bei der Interpretation der Briefe stärker das traditionsgeschichtliche Kolorit einfließen zu lassen, das mit den Namen Ephesus und Kreta verbunden ist, und damit die Briefe über eine formale Bestimmung hinaus als wirkliche Briefe zu lesen (vgl. 37–53) – ein Zusammenhang, der unter pseudepigraphischem Vorzeichen lange Zeit kaum beachtet wurde und erst in jüngerer Zeit wieder stärker in das Blickfeld rückt.
Allerdings ist ein konkreter situativer Bezug, wie T. ihn konstruiert, insbesondere für Kreta schwierig, da wir über einen nach Tit 1,5 vorauszusetzenden Aufenthalt des Paulus dort nicht näher informiert sind und Apg 27 für T. offenbar keine ausreichende Basis für die in Tit vorausgesetzte Situation bietet. T. muss dementsprechend z. B. die Aoristform ἀπέλιπον im Sinne einer »Entsendung/Einsetzung« des Titus durch Paulus interpretieren (40.678), um den historischen Spielraum für die Einordnung des Briefes in eine frühe, zeitlich allerdings nicht klar bestimmbare Phase der paulinischen Mission zu gewinnen. Freilich wird genau diese durch die Fragwürdigkeit der sprachlichen Begründung obsolet. T. stützt sich für die Deutung des Verbums neben van Bruggen auch auf Wolter, Marshall und Johnson, was aber insofern problematisch ist, als insbesondere Wolter anhand zahlreicher Belege aufzeigt, dass das Zurücklassen Voraussetzung für die Deutung von ἀπέλιπον auf eine »Amtseinsetzung« ist (vgl. bes. 1Makk 3,32–34), was bei T.s Konstruktion jedoch entfallen muss. Weiterhin gelingt es T. nicht überzeugend, das ephesinische Profil des 1Tim unter Bezugnahme auf die Situation zu erläutern, die in Apg 19 f. beschrieben wird (38 f.; vgl. die Interpretation von 1Tim 3,16 vor dem Hintergrund der Artemis-Verehrung: »…it is impossible not to hear in Paul’s statement a subversive echo of the city’s bold claim, ›Great is Artemis of the Ephe­sians‹ …« [277]; das ist – von den sprachlichen Differenzen abgesehen – nur dann zu hören, wenn man die Verbindung bereits voraussetzt). Die Auseinandersetzungen, mit denen 1Tim zu tun hat, sind doch ganz anderer Art als die, die Lukas in Apg 19 vor Augen hat.
Ein weiteres Schibboleth der Past-Forschung ist die Evaluation des Gegnerprofils. Obwohl T. eine einheitliche Gegnerfront gnostischer Provenienz zu Recht ablehnt, entwirft er letztlich eine Charakteristik der Gegner, die aus Belegen aus allen drei Briefen zu­sammengestellt ist (vgl. besonders 47). Keine besondere Rolle spielt jedoch der Ton, der die Auseinandersetzungen prägt, obwohl dieser in allen drei Briefen sehr unterschiedlich ausfällt und daher mit dem Begriff »uniformity« (47) kaum angemessen zu erfassen ist. Dass etwa ein spezifisch jüdischer Hintergrund im 1Tim nicht zu erheben ist (1Tim 1,7 ist für eine solche Schlussfolgerung nicht hinreichend signifikant), während er im Tit ausdrücklich benannt wird, wird von T. durch die Suche nach unterschiedlichen »Elementen« (»Amalgam of Jewish, Christian, and Ascetic Elements«, 44) ebenso wenig gewürdigt wie das Lexem ἀντιθέσεις τὴς ψευδονύμου γνώσεως (1Tim 6,20) im Kontext der antihäretischen Polemik des 1Tim insgesamt. Innerhalb dieses Kontextes ist der Begriff γνῶσις auf Grund seiner semantischen Codierung gerade nicht mit dem Gnosis-Begriff vergleichbar, wie ihn Paulus etwa in 1Kor 8–10 entwickelt (vgl. 49 f.433), und hat daher auch mit 2Tim 2,18 nichts zu tun.
Die strukturelle Ähnlichkeit von 1Tim 6,20f. und 2Tim 2,15–18 (434) hat m. E. andere Gründe. Gnosis ist im Übrigen nicht identisch mit »overrealized eschatology« (49), und die Bemühung des Paulus um die »Enthusiasten« in Korinth ist kein geeignetes Modell für die Verurteilung einer ephesinischen Häresie. Der gnostische Hintergrund der Häretiker kann nicht sinnvoll für alle drei Briefe geltend gemacht werden, soweit ist T. voll und ganz zuzustimmen; für den 1Tim jedoch muss dies unabhängig von den beiden anderen Briefen neu geprüft werden. Diese Frageperspektive darf nicht durch die generelle Zuweisung der drei Briefe an Paulus ausgeschlossen werden, sondern kann ein Indiz dafür sein, in der Frage der Autorschaft für ein differenzierteres Ergebnis offen zu sein, als es T. und viele andere für möglich halten.
Dem korrespondiert letztlich auch die differenzierte Beschreibung der in den Briefen jeweils unterschiedlichen christologischen Konzeptionen, wobei T. zu Recht die sehr spezifische Christologie des 1Tim (»… assumes a human trajectory«, 63) von den beiden anderen Briefen abhebt. Auch dies ließe sich natürlich durch eine auf bestimmte Weise zu (re-)konstruierende Situation zurückführen; im Verbund mit weiteren Aspekten jedoch zeigt es lediglich, wie deutlich sich der 1Tim von den beiden anderen Briefen gerade auf Grund seiner sonst in mancher Hinsicht dem Tit ähnlichen Anlage unterscheidet. Das lässt sich nicht allein mit missionarischer oder ekklesiologischer »tactic« (64) des Paulus erklären (vgl. 74: »subversive technique«). Warum Paulus einerseits in Tit auf Kreta bezogen die »cultural ›epiphany‹ stories« subversiv kritisiert und andererseits dies in der nach T. aufgeladenen politisch-religiösen Situation im Ephesus des 1Tim nicht getan haben sollte, lässt sich nur schwer nachvollziehen. Dies ist allerdings ein Grundproblem des Bezuges auf imperiale Aspekte und die Frage nach der Bedeutung solcher Diskurse für die historische Einordnung bzw. kontextuelle Plausibilisierung von Schriften, da die Strukturen der griechisch-römischen Kultur weder lokal noch temporal eindeutig zuzuordnen sind. Dies gilt auch für Kreta – die einzige »kulturelle« Besonderheit hier ist die stereotype »Lügner-Antinomie«, die aber wiederum mit dem, was T. als »cultural ›epiphany‹ story« bezeichnet, nichts zu tun hat und noch nicht einmal in direkter Verbindung mit der Zeuslegende stehen muss, die ihr vermutlich zu Grunde liegt.
Ähnliches gilt auch für T.s Einschätzung der »church organization« (50), die er zu Recht als oft überstrapaziert ansieht. Er geht von unterschiedlichen Stadien der Entwicklung in 1Tim und Tit aus, meint aber, beide Briefe »share a common nomenclature of leadership« (ebd.). Dass in Tit 1,5–9 zwischen ἐπίσκοπος und πρεσβύτερος ausdrücklich kein sachlicher Unterschied ge­macht wird, während ein solcher in 1Tim wahrscheinlich vorausgesetzt ist und die Funktion des Diakons in einer durchaus hierarchisch zu nennenden Verhältnisbestimmung hinzukommt, führt in der Darstellung T.s zu recht spekulativen Vorstellungen im Blick auf die Erklärung der unterschiedlichen Entwicklungsstadien zwischen kretischen und ephesinischen Gemeinden (vgl. 680–686).
Als ein letzter Aspekt sei die Rolle von Frauen in der Gemeinde benannt. T. nimmt hierbei eine sozialgeschichtliche These von B. Winter auf und beschreibt die Aktivitäten von Frauen als »movement of the ›new Roman woman‹« (48), was insbesondere für die Interpretation von 1Tim 2,9–15 bedeutsam ist (vgl. 190–239!). Mit der Zuschreibung aller drei Briefe an Paulus wird allerdings der Widerspruch zwischen dessen genereller Haltung zum Auftreten von Frauen in der Gemeinde nach 1Tim 2 auf der einen und etwa 1Kor 11 auf der anderen Seite umso gravierender. Umgekehrt lässt sich gerade daran eine Akzentverschiebung erkennen, die 1Tim auch von Tit abhebt, wo von Frauen noch einmal anders die Rede ist, als T. dies aus der authentischen Paulusperspektive wahrnehmen kann (48; vgl. Tit 2,3: καλοδιδασκάλους im absoluten Ge­brauch bezieht sich hier auf ältere Frauen).
Die hier aufgeführten Problemanzeigen erweisen zunächst nur das Selbstverständliche, nämlich dass ein Werk wie das von T. vorgelegte viel Anregung zur kritischen Auseinandersetzung bietet. Aber damit ist der Wert eines Kommentars nicht zu bestimmen. Dieser bemisst sich vielmehr daran, ob er denjenigen, die ihn zur Hand nehmen, die kommentierten Texte erschließt. Das gelingt T. in einer erstaunlich geschlossenen, anschaulichen und auch sprachlich gut verständlichen Weise. Man mag die einseitig auf authentische Autorschaft fixierte Perspektive kritisieren, man mag manche Argumente und Interpretationen im Detail für wenig überzeugend und die eine oder andere Schlussfolgerung gar für ebenso spekulativ halten wie diejenigen, die T. selbst kritisch beurteilt. In der Durchführung aber ist der Kommentar gelehrt, bietet eine ausgewogene und eng am Text orientierte Auslegung, die den hellenistisch-römischen Kontext von Sprache und Vorstellungswelt der Past ebenso berücksichtigt wie die Verankerung vieler Aussagen in der im hellenistischen Judentum wurzelnden paulinischen Theologie. Dieses Profil der Auslegung wird durch sechs zwar knappe, aber dennoch informative Exkurse weiter geschärft (alle im Kontext des 1Tim): Conscience (117–119); The »Trustworthy Saying« Formula (143–145); Godliness and Respectability (171–175); Self-Control (206–208); Good Deeds (210–212); Epiphany Concept (416–418). Dass die Frage nach der Autorschaft der Past – eine Bezeichnung übrigens, die T. in Anlehnung an R. Fuchs aufgeben möchte (88 f.) – nicht endgültig geklärt werden kann, stellt T. ausdrücklich fest (83). Immerhin bietet der Kommentar zumindest indirekt Anhaltspunkte, dass es für die Gesamteinschätzung der Past hinsichtlich ihres Verhältnisses zur paulinischen Tradition resp. zu Paulus selbst Möglichkeiten des Verstehens geben könnte, die jenseits der auch von T. beförderten Alternative von »echt oder unecht« liegen und die bisher nicht hinreichend beachtet wurden.