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Ausgabe:

Januar/2009

Spalte:

50-52

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Weimar, Peter

Titel/Untertitel:

Studien zur Priesterschaft.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2008. XII, 373 S. gr.8° = Forschungen zum Alten Testament, 56. Geb. EUR 89,00. ISBN 978-3-16-149446-8.

Rezensent:

Henning Graf Reventlow

Dies ist ein typischer Sammelband mit über einen längeren Zeit­raum hin erschienenen Aufsätzen aus Zeitschriften und vor allem Festschriften, mit denen ein inzwischen im Ruhestand befindlicher Autor auf seine langjährige Publikationstätigkeit zurück­schaut. Ein Blick auf die Publikationsliste des Vf.s, der bis zu seiner Emeritierung im Jahre 2007 für Jahrzehnte einer der beiden alttes­tamentlichen Fachvertreter an der Katholisch-Theologischen Fa­kultät der Universität Münster war, zeigt, dass der Pentateuch, besonders die Priesterschrift, lebenslang sein Hauptarbeitsgebiet darstellte. Bereits seine Dissertation aus dem Jahre 1972 behandelte die Meerwundergeschichte (Ex 14). Im gleichen Jahr wie die vorliegende Sammlung erschien eine weitere mit Beiträgen über die Josephsgeschichte.
Die in dem Sammelband vereinigten neun Beträge stammen aus den Jahren 1974 bis 2002. Bei einigen hat der Vf. die Überschriften leicht verändert. Wichtiger ist, dass er gleich im Vorwort (VII) er­klärt, dass er nicht nur kleinere technische Änderungen (neue Überschriften, Druckfehlerbeseitigung) vorgenommen, sondern sie »da­rüber hinausgehend im einzelnen aber auch entsprechend der je­weiligen Diskussionslage mehr oder minder stark bearbeitet« habe. Er erklärt ausdrücklich, dass diese Sammlung seine »derzeitige Sichtweise der Dinge repräsentiert« und somit die »früheren Fassungen der einzelnen Beiträge ihre Gültigkeit verlieren«. Statt eines solchen Verfahrens (bekannt von G. Fohrer) hätte man lieber die unveränderten Originalbeiträge beisammen gesehen, in denen sich dann auch ein Entwicklungsgang des Vf.s nachvollziehen ließe.
Die sich an die bisher unveröffentlichte Einführung (1., 1–17) mit dem Vorschlag einer Neupositionierung hinsichtlich Eigenständigkeit und Umfang der Priesterschrift anschließenden weiteren acht Beiträge stammen aus folgenden Originalveröffentlichungen: 2. »Die Priesterschrift. Struktur und Komposition eines literarischen Werkes« (19–90) = »Struktur der priesterschriftlichen Geschichtsdarstellung«, BN 23 (1984), 81–134; BN 24 (1984), 138–162. 3. »Struktur und Gestalt der priesterschriftlichen Schöpfungserzählung (Gen 1,1–2,4a*)« (91–134) = »Struktur und Komposition ...«, in: FS M. Dietrich, AOAT 281, Münster 2002, 803–843. 4. »Chaos und Kosmos. Gen 1,2 als Schlüssel einer älteren Fassung der priesterschriftlichen Schöpfungserzählung« (135–150) = (gleiche Überschrift), in: FS H.-P. Müller (BZAW 278), Münster 1999, 196–211. 5. »Die Toledot-Formel in der priesterschriftlichen Geschichtsdarstellung« (151–184) = (gleiche Überschrift), in: BZ.NF 18 (1974), 65–93. 6. »Gen 17 und die priesterschriftliche Abrahamgeschichte« (185–225) = ZAW 100 (1988), 22–60. 7. »›Vielmehr Israel sei dein Name‹ (Gen 35,10). Aufbau und Struktur der priesterschriftlichen Jakobsgeschichte« ( 227–268) = »Aufbau und Struktur der priesterschriftlichen Jakobsgeschichte« in: ZAW 86 (1974), 174–203. 8. »Sinai und Schöpfung. Komposition und Theologie der priesterlichen Sinaigeschichte« (269– 317) = (gleiche Überschrift), in: RB 95 (1988), 337–385. 9. »... inmitten der Söhne Israels (Ex 29,45). Aspekte eines Verständnisses Israels im Rahmen der priesterschriftlichen Geschichtserzählung« (319–345) = (gleiche Überschrift), in: FS W. Cramer (MThA 60), Münster 1999, 367–398. 10. »Der Tod Aarons und das Schick­sal Israels. Num 20, 22–29* im Rahmen der Priesterschrift« (347–360) = FS N. Lohfink, Freiburg i. Br., 1993, 345–358.
Für das Gesamtverständnis der Position des Vf.s ist die aktuelle Einführung (1–17) am aufschlussreichsten, die er der Aufsatzsammlung vorangestellt hat und in der er seine grundsätzliche Auffassung über die Priesterschrift noch einmal zusammenfassend erläutert. In Un­terabschnitt I. »Eine verkannte und umstrittene Größe« (1–5) wendet sich der Vf. zunächst gegen das traditionelle Bild der sog. »Priesterschrift«, das den Schwerpunkt ihres Inhaltes, der noch immer von J. Wellhausens Auffassung bestimmt sei, in Gesetz und Kult sieht. Nach H. Holzinger werde in ihr Geschichte nur zur Legitimierung der Israel konstituierenden Zustände und Ordnungen erzählt. Deshalb werde ihr vielfach Perspektivlosigkeit bescheinigt, mit der Folge einer allgemein negativen Bewertung in der Forschung.
In Unterabschnitt II. »Auf dem Wege einer Neuorientierung im Verständnis der Priesterschrift« (5–10) befasst sich der Vf. mit neueren Entwicklungen, die nach seiner Ansicht veränderte Bewertungen der Priesterschrift gebracht hätten. Positiv bewertet er vor allem, dass »die legislativ-priesterlichen Materialien fortschreitend als jüngere Erweiterungen ... erkannt worden sind« (5). Diese Er­kenntnis, schon bei H. Holzinger mit den Siglen Pg und Ps festgelegt, sei doch erst bei M. Noth und K. Elliger zum Zuge gekommen. Entscheidend findet der Vf. dabei die Gewichtsverlagerung von der Größe »Gesetz« zur Größe »Geschichte« im Urteil über die Priesterschrift. Den Fortschritt sieht er darin, dass diese sich nach dem neueren Urteil »zu einem guten, wenn nicht unwesentlichen Teil prophetischer Inspiration verdankt und keineswegs bloß als ein pries­terlich geprägtes Machwerk angesehen werden kann« (6). Bei diesen Formulierungen glaubt man sich tatsächlich in das 18. Jh. mit seiner aufklärerisch-ideologischen Abwertung alles Priester­li­chen versetzt. Der Vf. beginnt sogar seine Einführung mit einem (sich auf L. Kolakowski berufenden) negativen Urteil über »den Priester«: »... seine Freude (ist) das alles regelnde und bestimmende Gesetz, nicht das sich entfaltende immer neu sich verändernde Leben« (1). Hier ist romantische Ideologie spürbar.
Für den Vf. geht es in der Priesterschrift »nicht um eine narrative Legitimation bestehender Verhältnisse, sondern um einen auf die Zukunft gerichteten Entwurf« (7). Immerhin erkennt er an: »Wie genauerhin das Verhältnis von Kult und Land und damit die Frage nach einer Sinnmitte des priesterschriftlichen Werkes zu bestimmen ist, bleibt eine offene Frage« (ebd.). – Für die literarische Struktur rechnet er teilweise mit benutzten Vorlagen, die aber vom Beginn der Sinaierzählung an nicht mehr zu beobachten seien. Allerdings habe die Priesterschrift die Vorlagen so umgestaltet, dass doch der Eindruck einer geschlossenen literarischen Größe entstehe.
In Unterabschnitt III. plädiert der Vf. gegenüber der neuerdings verbreiteten Auffassung der Priesterschrift als einer nur kommentierenden Pentateuchschicht für die Annahme eines eigenständigen literarischen Werkes. In der Frage nach dem Ende dieses Werkes kommt er zu keiner eindeutigen Antwort: »Vielmehr erweist sich dieses Ende als eine vielschichtig angelegte komplexe Erzählfolge, die insgesamt als Abschluss des priesterschriftlichen Werkes anzusehen ist« (16). Der ursprünglich ältere Beitrag 2 arbeitet in seiner Endform mit wesentlich denselben Grundsätzen. Nur geht er der Struktur von P und ihren strukturbildenden Elementen in Einzelheiten nach. Fast alle übrigen Beiträge wenden sich Unterabschnitten der Gesamterzählung zu. Beitrag 9 ist einem inhaltlichen Thema gewidmet, dem Verständnis Israels als Gemeinde und Volk Jahwes.
Eine Grundfrage bleibt: Ist die heute wieder sehr in Mode ge­kommene Charakteristik der Quelle P als einer Geschichtsquelle wirklich überzeugend? Kann man auf die ins geschichtsselige 19. Jh. zurückweisende Unterscheidung von Pg und Ps tatsächlich so ohne Bedenken zurückgreifen? Dafür sind eigentlich die rechtlichen und kultischen Stoffe in den fünf Mosebüchern zu umfangreich und stehen allzu sehr im Mittelpunkt des Interesses ihrer Komponenten. Könnte man nicht gerade in den aus einer anderen als der heutigen Lebenswelt stammenden Überlieferungen, die dem modernen Forscher fremdartig und deshalb uninteressant er­scheinen, das tatsächliche Zentrum des Pentateuch und damit der Priesterquelle finden? Auch wenn die Darstellung einem heute verbreiteten Trend entspricht, wird sie nicht jeden Leser im Grundansatz überzeugen.