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Ausgabe:

Januar/2009

Spalte:

40-42

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Kiuchi, Nobuyoshi

Titel/Untertitel:

Leviticus.

Verlag:

Nottingham: Apollos 2007; Down­ers Grove: InterVarsity Press 2007. 538 S. gr.8° = Apollos Old Testament Commentary, 3. Geb. US$ 40,00. ISBN 978-0-8308-2503-5.

Rezensent:

Henning Graf Reventlow

In einer nach dem jüdischen Christen aus Alexandria Apollos (Apg 18,24–25) benannten neuen Kommentarreihe ist dieser Leviticusband der dritte bereits erschienene Kommentar. Auch der englische Verlag trägt den gleichen Namen. Älter ist der US-Mutterverlag InterVarsity Press, dessen evangelikale Ausrichtung bekannt ist. Die beiden Herausgeber der Reihe, David W. Baker und Gordon J. Wenham (Letzterer ist der Doktorvater des Vf.s) benennen in einem kurzen Vorwort (7) die doppelte Aufgabe dieser Kommentare: 1. eine sorgfältige Auslegung des alten Textes und 2. eine Erarbeitung der Bedeutung dieses Textes für die zeitgenössischen Hörer. Diese doppelte Kompetenz verlangen die Herausgeber von den Verfassern. Es sei »not only necessary to interpret the text: one must also interpret the audience« (ebd.).
Der Vf. dieses Bandes ist Professor an der Christlichen Universität Tokyo. Der deutschen Leserschaft ist er schon bekannt vor allem durch seine Monographie in FAT 2.2 (2003), einer Untersuchung zu Lev 4–5 als Vorstufe zu vorliegendem Kommentar. Vgl. auch seinen Beitrag in ZAW 113 (2001), 505–514.
Der Vf. macht es einem Rezensenten, der einen Gesamteindruck über den Band vermitteln soll, dadurch leicht, dass er eine ausführliche Einführung (Introduction) der Einzelauslegung voraus­schickt (15–49). Bereits in einem kurzen Abschnitt tritt die Tendenz hervor. So setzt sich der Vf. in der Diskussion über das Verhältnis von P und H in Lev (16–18) gegenüber einer (wie auch immer chronologisch anzusetzenden) Verschiedenheit von P und H für die Einheit des Buches unter den Vorzeichen von »static holiness« (P) und »dynamic holiness« (H) ein. Bei dem großen stilistischen und vor allem thematischen Unterschied zwischen Lev 1–16 und 17–26 (27) ist das allerdings schwer nachzuvollziehen. Mit der Konzentration auf den Endtext schließt sich der Vf. dem Buch von W. Warning, Literary Artistry in Leviticus [1999] an (17), folgt damit aber auch einem zunehmenden aktuellen Trend. Maßgebend für ihn ist die Annahme, »that the final form of Leviticus is theologically coherent« (48).
Zu seinem eigentlichen Thema kommt er dann anschließend (18). Er verweist auf die in der kritischen Forschung so gut wie vergessenen konservativen Ausleger des 19. Jh.s: Johann Heinrich Kurtz (Das mosaische Opfer, 1842 u. ö., engl. 1980), Carl Friedrich Keil (Pentateuchkommentare, neuerdings von konservativen Kreisen auch in der deutschen Urfassung nachgedruckt). Obwohl die Herkunft des Pentateuch von Mose persönlich nicht direkt nachweisbar sei, hält er seine Entstehung doch in der Zeit Moses für möglich – gegen die modernen kritischen Theorien.
Die Doppelung der Struktur von Lev 1–7 – eine inhaltliche Parallelität zwischen 1,1–6,7 und 6,8–7,38 ist anerkannt – weiß der Vf. mit inhaltlichen Unterschieden zu erklären: »corpus I stresses the Is­rael­ite’s approach to the Lord with offerings, while corpus II stresses the priests’ handling of, and responsibility for, the holy things« (21). An anderer Stelle (45) formuliert der Vf. deutlicher: »my position views holiness from two different viewpoints: (1) chs. 1–16/17 lay an emphasis on the holiness of offerings, sancta and priests in an outward sense, while (2) chs. 18–27, through their conduct-oriented commandments, lay an emphasis on the holiness of humans.« In Lev 17 ff. sieht er nicht eine besondere Quelle, sondern die Fortsetzung des Vorhergehenden, übergeleitet am Ende von Lev 16. Auch zu Exodus findet sich ein inhaltlich begründbarer Übergang: »Put simply, the Israelites left Egypt without experiencing a clinical operation on their hearts. It became necessary for their hearts to be dealt with by the law, and this is why the law is given after their physical removal from Egypt« (27). Eine solche wie selbstverständliche Zusammenschau ergibt sich aus dem als kanonisch gewerteten Endtext. Nicht unerwartet kommt danach auch die Behauptung, die Gesetzgebung in Lev habe einen unmittelbaren Bezug zu der Erzählung vom Sündenfall in Gen 3 (30) – eine gelegentlich auch von Quellenforschern im Zusammenhang von P geäußerte An­sicht.
Besonders hervorzuheben ist dagegen seine Behauptung, die in Lev dargestellten rituellen Akte hätten eine symbolische Bedeutung. Der Vf. reiht sich damit in die Versuche ein, den für ein durch Humanismus und Aufklärung hindurchgegangenes abendländisches Denken unverständlichen oder gar abzulehnenden kultischen Texten einen Sinn abzugewinnen. Während etwa J. Milgrom ihnen einen ethischen Hintergrund unterstellte oder Mary Doug­las einst (1966) die Logik der Vorschriften über reine und unreine Tiere in Lev 11 unter dem rationalen Gesichtspunkt artgemäßer Fortbewegung begreifen wollte, greift der Vf. (30–32) auf die aus dem hellenistischen Dualismus stammende Unterscheidung zwischen äußerer Verrichtung kultischer Handlungen und innerer Bedeutung zurück: »Based on the distinction between outward observance and the spiritual truth it symbolizes, I make a distinction between outer cleanness/uncleanness and inner cleanness/ un­cleannes, and between outer holiness and inner holiness« (32). Dass ein solcher Maßstab, da er gegenüber alttestamentlichen Texten anachronistisch ist, für ein angemessenes Urteil über sie nicht in Frage kommt, spielt offenbar für den Vf. keine Rolle. Entschuldigend muss man allerdings berücksichtigen, dass er von seiner Herkunft her einer asiatischen Kultur entstammt, in der andere Le­bensverständnisse gelten. Von seiner Position aus kann der Vf. auch zu den Versuchen religiöser Menschen, Heiligkeit mit dem Vollzug moralischen Handelns in Beziehung zu setzen, in einer geteilten Weise Stellung nehmen: Einerseits hält er sie für »not mistaken by itself«. Aber wegen eines mangelnden Verständnisses für den Sinn von Heiligkeit (wie der Vf. ihn auffasst) seien sie »legal­istic and hypocritical« (46).
Eine weitere Botschaft, die der Vf. dem Buch Leviticus und seinen sühnenden Opfervorschriften entnimmt, ist, dass die Menschen fortwährend unter dem Zorn Gottes leben. Gottes Gnade wäre danach gemischt mit seinem Zorn. Sie könne nicht anders verstanden werden, als durch »personally realizing the gap that remains between the holy God and sinful human beings« (47).
In der Einzelexegese der Kapitel und Abschnitte des Buches folgt der Vf. dem stets gleichen Schema: Zunächst bietet er eine englische Übersetzung, begleitet von Anmerkungen zum Text. Es folgen eine Übersicht zur Struktur des betreffenden Abschnittes und ein Vers- für-Vers-Kommentar, der auch nach Unterabschnitten gegliedert sein kann. Danach kommt eine inhaltliche Erklärung (explanation) und schließlich ein Unterabschnitt über neutestamentliche Folgerungen. Vieles erinnert auch im Aufbau an frühneuzeitliche Kommentare.
Der Band schließt mit einer in Kommentare zum Buch Leviticus und sonstige Arbeiten gegliederten Bibliographie sowie Schriftstellen-, Verfasser- und Stichwortregistern.