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Ausgabe:

Januar/2009

Spalte:

19-20

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Thiede, Werner

Titel/Untertitel:

Theologie und Esoterik. Eine gegenseitige Herausforderung.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2007. 101 S. 8° = Forum Theologische Literaturzeitung, 20. Kart. EUR 16,80. ISBN 978-3-374-02599-2.

Rezensent:

Matthias Petzoldt

»Esoterik und Theologie« – so wird Heft 20 von ThLZ.F auf dem Umschlag im Obertitel angekündigt. Schlägt man es auf, lautet der Obertitel »Theologie und Esoterik«. Eine Nachfrage erbrachte, dass der Innentitel der korrekte ist und der Vf. an der Vertauschung unschuldig ist. Die Reihenfolge mag am Ende aber auch gleichgültig sein, geht es doch laut Untertitel allemal um eine »gegenseitige Herausforderung«. Zudem stehen für den Vf. Grundsatzüberlegungen zur Verhältnisbestimmung im Vordergrund, weniger eine umfassende Auskunft über die bunte Vorstellungswelt und die Praxisvielfalt des so modischen Esoteriktrends in der gegenwärtigen Gesellschaft.
Das erste Kapitel stellt Esoterik und Theologie je für sich vor, um darauf das Beziehungsfeld zwischen beiden auszuloten. Esoterik kommt dabei als ein »spiritueller Monismus« zu stehen, dem eine neuplatonische Ontologie zu Grunde liege. Sie unterscheide sich vom Okkultismus darin, dass Letzterer »mehr das nach außen gerichtete Tun« bezeichnet, während Erstere »eher die konzentriert nach innen gerichtete Weltanschauung meint, wie sie im Zeichen spiritueller Autonomie begegnet« (26).
Theologie hingegen bestimmt der Vf. als »kritisch-konstruktive Funktion einer Religion, christliche Theologie also als Funktion der christlichen Kirche« (29). Als Leser stutzt man über das »also«. Versteht es sich doch heute gerade nicht mehr von selbst, Theologie ausschließlich und diskussionslos an kirchlich organisierter Religion festzumachen. Dem angezeigten Duktus folgend erklären die Ausführungen die altkirchliche Trinitätslehre zum Spezifikum des christlichen Glaubens.
Damit ist dann auch für die Verhältnisbestimmung »die christliche Trinitätslehre« als »ein theologisches Bollwerk gegen monis­tische Umdeutungen bzw. Verzerrungen« (30) festgehalten. Zur Illustration esoterischer Erlösungsmodelle verweist der Vf. gern auf das Werk von Helena P. Blavatsky. Im Fadenkreuz seiner Kritik stehen aber zugleich pluralistische Religionstheologien, die er von esoterischem Gedankengut beeinflusst sieht.
Der gegenwärtige Esoteriktrend hält allerdings christliche Theologie auch dazu an, auf die Defizite in kirchlicher Frömmigkeit aufmerksam zu werden. Der Vf. meint sogar, »dass ein esoterisch-mystisches Element christlichem Glauben und kirchlicher Spiritualität selbst wesenhaft innewohnt« (37), nämlich eine »höhere Bewusstseinsstufe« im Glauben, welche die anfängliche Unmündigkeit in der Aufnahme der Botschaft hinter sich gelassen hat und in die Tiefen der Gottheit (1Kor 2,10) vordringt. Gerade die Wahrheit der christlichen Trinitätstheologie könne nur in einem solchen Fortschreiten erfasst werden. Esoterisch ist solches »mystagogisches Bemühen« (41), weil es zum »Innersten der christlichen Religion« (40) führt, freilich nicht nur zu einer tieferen Reflexion, sondern ebenso zu einer Verinnerlichung und Reifung der Spiritualität. Solche »›kirchliche Esoterik‹ als Mystagogie des Glaubens« (42) vermag das außerhalb der kirchlichen Frömmigkeit sich ausbreitende esoterische Verlangen christentumsspezifisch aufzufan gen. Damit widerstehe sie zugleich den »liberal-theologischen Banalisierungen« der neutestamentlichen Kreuzesbotschaft und einer verflachenden Frömmigkeitspraxis, die der Vf. beispielhaft in einer sich verbreitenden Begeisterung für das Kinderabendmahl auszumachen meint (41).
Die zwei folgenden Kapitel zu den Fragestellungen »Heilungswunder: Magie oder Reich-Gottes-Kraft?« und »Unsterblichkeit: Reinkarnation oder Auferstehung?« dienen dazu, exemplarisch die Tragfähigkeit der entwickelten Konzeption aufzuzeigen. Den Abschluss bildet eine Auswahl von Fachbuchtiteln zur Esoterik (99–101). Darüber hinaus verweisen die Fußnoten auf eine Fülle weiterer Literatur zum Thema. Am liebsten zitiert freilich der Vf. seine eigenen Schriften.