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Ausgabe:

Januar/2009

Spalte:

16-19

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

[Na’aman, Nadav]

Titel/Untertitel:

Essays on Ancient Israel in Its Near Eastern Context. A Tribute to Nadav Na’aman. Ed. by Y. Amit, E. B. Zvi, I. Finkelstein and O. Lipschits.

Verlag:

Winona Lake: Eisenbrauns 2006. XXX, 466 S. gr.8°. Geb. US$ 59,50. ISBN 978-1-57506-128-3.

Rezensent:

Hermann Michael Niemann

Einem hochgeschätzten und fruchtbaren Forscher (die List of Pub­lications, XV–XXIX, umfasst 250 Titel!), zugleich Bibelwissenschaftler, Assyriologe und Historiker mit umfassender Kenntnis ar­chäo­logischer Forschung, ist diese gehaltvolle Festschrift gewidmet.
Y. Amit (Looking at History through Literary Glasses Too, 1–15) zeigt, wie N. Na’aman dem literarischen und historiographischen Charakter biblischer Texte nachspürt und biblische Texte auf methodisch durchdachte Weise als historische und theologische Dokumente in ihrem Kontext meisterhaft interpretiert.
M. Anbar (To Put One’s Neck under the Yoke, 17–19) weist auf außerbiblische Belege einer Redensart in Jer 27,8. H. M. Barstad (Sic dicit dominus: Mari Prophetic Texts and the Hebrew Bible, 21–52) vergleicht prophetische Texte aus Mari aus der 1. Hälfte des 2. Jt.s v. Chr. mit Jes 1–39. Dabei enthalten Jes 1–39 und die Mari-Prophetie trotz der zeitlichen Differenz zahllose Parallelen, schon in den Gattungen »Heilswort«, »Gerichtsdrohung«, »Gericht über (fremde) Völker«, Gericht über Orte«, die auf der Verwurzelung in der gemeinsamen regionalen Kultur beruhen.
B. Becking (The Return of the Deity: Iconic or Aniconic?, 53–64) geht von Jer 31,21 f. aus. Er zeigt den in assyrischem wie auch persischem und hellenistischem Kontext belegten Brauch auf, dass be­siegte Götter(statuen) von den Siegern deportiert, von dem Hauptgott (z. B. Assur) adoptiert o. ä. und in das eroberte und integrierte Gebiet in Ehren zurückgeschickt wurden. Becking weist auf bib­lische Texte neben Jer 31,21b hin (»the road that I will go«), u. a. in Na­hum, DtJes, Ez, Sach und Mal, die den Brauch spiegeln oder ersehnen (Ps 80). So war mit einem zurückkehrenden JHWH nach Jerusalem zu rechnen, sei es »represented by an image, an icon, his glory, or the cult vessels«. A. Ben-Tor (Do the Execration Texts Reflect an Accurate Picture of the Contemporary Settlement Map of Palestine?, 63–87) antwortet mit »Nein«: »… the occupation map portrayed in the Execration Texts reflects, partially or entirely, not contemporary reality, but an Old Kingdom reality, and in archaeological terms, not the Middle Bronze Age, but the Early Bronze Age«.
E. Ben Zvi bietet eine »Observation on Josiah’s Account in Chronicles and Implications for Reconstructing the Worldview of the Chronicler« (89–106). J. Blenkinsopp (Hezekiah and the Babylonian Delegation: A Critical Reading of Isaiah 39:1–8, 107–122) geht dem auf den ersten Blick komplett positiven Bild König Hiskijas in 2Kön 18–20 im Vergleich zu Jes 39,1–8, 2Kön 20,12–19 und 2Chr 32,31 nach, die das pauschale Bild differenzieren. Y. Cohen und I. Singer (A Late Synchronism between Ugarit and Emar, 123–139) diskutieren einen Brief aus einem ugaritischen Handelskontor. Er stammt von einem Agenten des Handelshauses, der zu jener Zeit in Emar weilt und von Hunger und turbulenter Situation in Innersyrien am Anfang des 12. Jh.s v. Chr. berichtet.
Ph. R. Davies (The Origin of Biblical Israel, 141–148) sieht die Entstehung des »biblischen Israel« als Ergebnis der Ereignisse des 6. und 5. Jh.s. Er macht darauf aufmerksam, dass nach 586 v. Chr. für mehr als ein Jahrhundert (vier Generationen) im fruchtbaren und dicht besiedelten Benjamin, im früheren Gebiet Israels, das Zentrum von Juda/Yehud lag mit den einst und weiterhin bedeutenden (Kult-)Orten Bethel, Mizpa und Gibeon. Die wichtige Rolle Bethels in diesem Jahrhundert erklärt, warum in judäischen Texten der Name Israel (bzw. Jakob) in Yehud übernommen wurde, freilich im religiösen, nicht im politischen Sinn. Jes 2,3 und viele Belege in Jes 40–65, die »Jakob« und »Juda« verbinden bzw. parallelisieren (vgl. auch Jer 5,20; Klgl 1,17; 2,2–3), führen ins 5. Jh. v. Chr.
D. Edelman (The Iconography of Wisdom, 149–153) interpretiert drei Siegel (zwei davon aus dem 8. Jh. v. Chr.), die einen zentralen Baum zeigen und jeweils zwei Männer rechts und links stehend (bzw. tanzend), den Baum berührend oder die Hände nach ihm ausstreckend. E. deutet das Motiv konkreter als bisher aufgrund von Prov 3,18 als Weisheit (Rückbezug auf den Lebensbaum). I. Eph‘al und H. Tadmor (Observations on Two Inscriptions of Esarhaddon: Prism Nineveh A and the Letter to the God, 155–170) analysieren zwei wichtige Inschriften Asarhaddons aus seinem 7. (673 v. Chr.) bzw. 10. Regierungsjahr.
I. Finkelstein (The Last Labayu: King Saul and the Expansion of the First North Israelite Territorial Entity, 171–187) zeigt, dass die Herrschaft Sauls sich strukturell als bzw. in »a possible Amarna-like situation in the Iron I (Age)« verstehen lässt, vgl. in der Spätbronzezeit die Herrschaft von Lab’ayu von Sichem, ‘Abdi-Ashirta, Aziru bis zu Fakhr ad-Din und Dahir al-‘Umar in der Neuzeit, »strongman who established early territorial domains (more than city-states and less than developed states)«. Finkelstein folgert, dass die biblische Erzählung von Saul »historical in its main framework« ist, »though not necessarily in details«. Die biblischen Saulerzählungen enthalten «in the main, positive Northern oral traditions on the Saulides, which were put into writing in Judah in the late 8th century. At this stage they were manipulated to serve the royal ideology of the Jerusalem dynasty« (171 f.).
L. L. Grabbe (»The Lying Pen of the Scribes«? Jeremiah and His­tory, 189–204) befragt das Buch Jeremia »as a potential historical source« (gegenüber skeptischen Positionen z. B. des verdienstvollen Jeremia-Kommentators R. Carroll). Er prüft Namen, historische Zusammenhänge und Kontexte, »internal social structures in the text«, Erwähnungen Ägyptens und diesbezügliche Prophezeihungen u. Ä. Eine nennenswerte Zahl von Jeremiatexten sind verfasst »close to the time of the events described« (201).
S. Japhet (The Wall of Jerusalem from a Double Perspective: King versus Chronicles, 205–219) vergleicht Äußerungen der Königebücher bzw. der Chronik zu den Mauern Jerusalems, die unterschiedlich, teils übereinstimmend ausfallen und Spezifica bieten: Die Chronik erwähnt königliches Bauen als theologisch und historisch bedeutsam; für die Königebücher ist es ein »negligible element«. G. N. Knoppers (Yahweh’s Rejection of the House Built for His Name: On the Significance of Anti-temple Rhetoric in the Deuteronomistic History, 221–238) sucht die scheinbar kritisch-negative dtr Haltung gegenüber »cultic affairs« und JHWHs Jerusalemer Tempel zu erklären. Dabei spielen 1Kön 8,46–51; 9,2–9; 2Kön 21,10–16; 23,26–27 die wichtigste Rolle. Es ergibt sich, dass »Is­rael’s central sanctuary does not fall because of location, unfaithful officiants, or illegitimate status. Nor is the temple a faulty means of divine-human communication. People and king alike fail the temple; the temple does not fail them.« (234). O. Lipschits (On Cash-Boxes and Finding or Not Finding Books: Jehoash’s and Josiah’s Decision to Repair the Temple, 239–254) vergleicht die Beschreibung der Einrichtung einer Finanzsicherung für Tempelrenovierungen zur Zeit des Joasch (2Kön 12,9/10–15/16) mit der (kürzeren) Beschreibung derselben, weiter gültigen Einrichtung unter Joschija (2Kön 22,3–8). Zugleich fragt Lipschits, wieso das »Buch des Bundes« (2 Kön 23) bzw. »Buch der Weisung« (2 Kön 22) nicht schon zur Zeit Joaschs gefunden wurde: In der Erzählung zur Zeit des Joasch geht es nur um die Einrichtung des Finanzierungs­systems, an die derselbe Autor bei Joschija anknüpfen konnte, nicht um eine reale Reparatur (deshalb konnte damals kein Buch gefunden werden).
A. Mazar (Jerusalem in the 10th Century B. C. E.: The Glass Half Full, 255–272) fragt, ob Jerusalem im 10. Jh. eine »substantial city« war. Nach den Grabungen von K. M. Kenyon und Y. Shiloh sei es eine 4 ha-Stadt mit einer Zitadelle, gestützt durch die »Stepped Structure« in Areal G. Der Tempelberg habe in salomonischer Zeit Jerusalem auf 12 ha erweitert, »the capital of a developed state« (256). Ma­zar analysiert die archäologische Situation in Areal G mit der sog. »stepped structure«, deren Errichtung er in die Eisenzeit I oder die frühe Eisenzeit IIA (letztere von 980–840/30 v. Chr.) datiert, biblisch also vor oder während der Herrschaft Davids und Salomos. Da die stepped structure, soweit erhalten, mehr als 40 m lang und ca. 18 m hoch ist, muss das darauf stehende oder davon gestützte Gebäude beachtlich gewesen sein, »a monumental fortress« oder »an ad­ministrative center« (264).
Was Mazar sonst an Funden aus der Eisenzeit I–IIA erwähnt neben dem Mangel an spätbronzezeitlichen Material, ist – gegen den von ihm vermittelten Eindruck – insgesamt doch eher bescheiden und nicht »quite impressive«; »admittedly, other areas of the city yielded no Iron I–IIA finds« (266). Grabungen um die Gihonquelle erbrachten keine Keramik von der Mittelbronzezeit bis zum 8.–7. Jh. »… we do not yet know whether the town was planned and densely occupied«, es gibt kein Anzeichen einer Stadtmauer. Das hindert Mazar nicht, abschließend eine stattliche Hauptstadt Salomos zu skizzieren. War es also »the capital of a state«? »… certainly not the largest and most densely built city in the area at this time, but it should not be dismissed as nonexistent or only a small village«. »Jerusalem may be compared to a Medieval burg – a stronghold cen­tered in a rather small town that may nevertheless have been the center for leaders who established their own small state« (266–68). Ein Postscript verweist auf Ausgrabungen von E. Mazar von 2005, publiziert 2006, bei denen sich »on the summit of the City of David« Teile eines monumentalen Gebäudes aus der Eisenzeit I (12.–11. Jh.) fanden, das möglicherweise mit der stepped structure in Verbindung steht und in Eisenzeit IIA (10.–9. Jh.) repariert wurde. E. Mazar hält es für den Palast Davids (2Sam 5,11), A. Mazar stimmt vorsichtig zu. Das wird weiter zu prüfen sein.
T. N. D. Mettinger (A Conversation with My Critics: Cultic Image or Aniconism in the First Temple?, 273–296) vertritt erneut seine These, dass es in Israel und Juda von Anfang an keine Gottesbilder gab, nur leere Gottesthrone und anikonische Stelen. Dies überzeugt nicht, selbst wenn man sich auf Rundplastik beschränkt (vgl. aber J. Jeremias, OBO 123, 1993, 41–59) sowie – wie Mettinger – die Siegelkunst außer Acht lässt. Mettinger geht nicht auf die religiöse Bilderverehrungspraxis in verschiedenen Bevölkerungsschichten ein; er spricht vorexilisch von »prohibition of images« (291) – wenn es keine gab? Mettinger glaubt, dass »the earliest Yahwistic group did not adopt it in the land; they already practiced it [sc. den Kult anikonischer Stelen, H. M. N.] in the south before they entered the land« (289).
T. Ornan (The Lady and the Bull: Remarks on the Bronze Plaque from Tel Dan, 297–312) interpretiert eine Bronzeplakette mit einer auf einem Stier (sonst eher Trägertier bei Göttern!) stehenden Göttin samt einem vor ihr stehenden Verehrer aus dem 9./8. Jh. v. Chr. vom Tell Dan und zeigt deren syrisch-südostana­tolischen Motivhintergrund auf.
R. Reich und B. Sass (Three Hebrew Seals from the Iron Age Tombs at Ma­millah, Jerusalem, 313–320) publizieren drei Namensiegel aus dem (späten) 7./Anfang des 6. Jh.s v. Chr. M. Tadmor behandelt »Realism and Convention in the Depiction of Ancient Drummers« (321–328) an Beispielen über Israel und Juda hinaus und diskutiert »the de­pendence of design on shape and technique«. D. Ussishkin (Sennacherib’s Campaign to Philistia and Judah: Ekron, Lachish, and Jerusalem, 339–357) be­schreibt bei Sanheribs Feldzug im Jahre 701 v. Chr. jeweils die Situation und verschiedenen Handlungsweisen gegenüber den bedeutendsten Städten der Region, Ekron, Lachisch und Jerusalem. Letzteres brauchte nach dem gewaltigen Sieg über Lachisch nicht mehr belagert zu werden. J. Van Seters (The Deuteronomist – Historian or Redactor? From Simon to the Present, 359–375) weist beim Gang durch die Forschungsgeschichte auf den unscharfen Gebrauch von Begriffen wie Autor, Editor, Historiker, Redaktor, Sammler, »reviser«, auch Quelle u. Ä. hin. Auf die Frage nach dem Charakter der sog. dtn-dtr Texte fordert er eine umfassende und gründlich vergleichende »investigation into the nature of ancient historiography, of which we have a great abundance« (372).
H. G. M. Williamson (A Productive Textual Error in Isaiah 2:18–19, 377–388) zeigt, dass ein grammatisch schwieriger Text in Jes 2,18(–19) zu einer erklärenden Ergänzung in 2,20–21 (vgl. 30,22; 31,7) führte. R. Zadok (The Geography of the Borsippa Region, 389–453) liefert ein umfangreiches geographisches Na­men-Lexikon der Tempelstadt Borsippa (17 km südwestlich von Babylon) und deren Umgebung zwischen ca. 850 und 484 v. Chr. aus 88 städtischen Elite-Familienarchiven. – Der reichhaltige Band schließt mit kurzen Autoren- und Bibelstellenregistern.