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Ausgabe:

Januar/2009

Spalte:

14-16

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Horn, Friedrich Wilhelm, u. Friederike Nüssel [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Taschenlexikon Religion und Theologie. 5., völlig neu bearb. u. erw. Aufl. 4 Bde.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2008. Bd. 1: A–F. Bd. 2: G–N. Bd. 3: O–Z. Bd. 4: Abkürzungen, Register, Autorenverzeichnis. 1464 S. 8°. Kart. EUR 79,90. ISBN 978-3-525-50124-5.

Rezensent:

Jochen Flebbe

Das seit fast 40 Jahren existierende Taschenlexikon Religion und Theologie (TRT) erscheint mit der fünften Auflage in einer neuen Herausgeberschaft und ist völlig neu bearbeitet. Nach der Ära Erwin Fahlbusch gibt es mit Friederike Nüssel und Friedrich Wilhelm Horn nun eine Doppelherausgeberschaft einer systematischen Theologin und eines Exegeten. Dabei kommt das im Zuge der Neuauflagen auf fünf Taschenbuchbände angewachsene Lexikon jetzt in der Gestalt von drei dicken Paperback-Bänden plus Registerband daher.
Das Ziel des Lexikons ist es, »über die zeitgenössische Theologie und die Religionen der Gegenwart gut verständliche Grundinformationen« zu bieten. Dabei weist der Titel darauf hin, dass das Le­xikon eine gewisse »Wundertüte« oder anders ausgedrückt eine »Quadratur des Kreises« ist, insofern auf engem Raum nicht nur über christliche Theologie aus protestantischer Perspektive informiert werden soll, sondern auch noch ein zweites Lexikon zu außerchristlichen Religionen und allgemeinen religiösen Topoi enthalten ist – und das bei einer Beschränkung auf 500 Stichwörter.
Diese »Wundertüte« funktioniert nun erstaunlich gut, und man ist überrascht, wie viel Information sich in 500 Stichwörtern unterbringen lässt. So wird nicht nur der Informations- und Orientierungsbedarf zur christlichen Theologie in vollen Grundzügen gedeckt, sondern man kann darüber hinaus auch Informationen zum gegenwärtigen kirchlichen Leben (so etwa mit dem Stichwort »Ar­beitsgemeinschaft Christlicher Kirchen«) finden und sich auch über »Buddhismus«, »Hinduismus«, »Islam«, »Parsismus«, »Voodoo« usw. orientieren und nachschlagen, was sich hinter »Cargokult« oder »Jainismus« verbirgt.
Keineswegs hat man so den Eindruck, dass die Hinzunahme der außerchristlichen Religionen und allgemein-religiösen Themen zu Lasten der Darstellung der christlichen Theologie geht. Hier – wie sonst auch – gelingt es den Verfassern vielfach, sehr bündig, sachlich, fast stichwortartig zu informieren. Dabei sind die Artikel gut gegliedert, oft in einen langen, sachlich orientierenden Ab­schnitt und einen kurzen, problematisierenden oder deutenden Schluss, so dass gegenüber der vierten Auflage der Ton eher noch einmal auf die sachliche Information gegenüber einer Deutung, Verkündigung oder Verständnishilfe gelegt ist (gut ersichtlich an dem Artikel »Reformation«). Zumeist sind die Artikel so gestaltet, dass die Darstellung des Themas der geschichtlichen Abfolge der Auseinandersetzung mit ihm folgt (vgl. etwa die Artikel »Christologie«, »das Böse« u. v. a. m.) und dann mit der gegenwärtigen Fragestellung oder Sicht in Bezug auf das geschilderte Thema endet. Dem Anliegen, einen Überblick auch über die zeitgenössische Theologie zu geben, wird somit Rechnung getragen. Dabei sind in der Regel auch neuere exegetische Erkenntnisse in die systematisch-theologischen Darstellungen eingegangen (etwa die new perspec­tive in der Paulusforschung im Artikel »Gesetz und Evangelium«, weniger beim Artikel »Abendmahl«).
Ausgewogen und sachlich sind auch die Darstellungen zu den nichtchristlichen Religionen und außerkonfessionellen religiösen Bewegungen und damit oft auch sehr aufschlussreich. So findet sich etwa im Artikel »Scientology« bei der Beurteilung die Differenzierung zwischen der »straff organisierten Makroebene« der Führungskader und der Ebene der einfachen Anhänger, die eher »volkskirchlich« ohne sektenartige Merkmale partizipieren. In der Darstellung zum »Djihad« findet sich die notwendige Differenzierung der verschiedenen möglichen (militanten und nichtmilitanten) Formen und ihrer Beurteilung in verschiedenen Richtungen des Islams sowie der Hinweis, dass sich in der arabischen Übersetzung des Neuen Testaments der Begriff als »Sich-Mühen für Gott« viel häufiger findet als im Koran. In der Darstellung der Anthroposophie werden neben der kirchlichen Kritik auch die bleibenden, berechtigten An­fragen der Anthroposophie an das kirchliche Christentum ge­nannt.
Gegenüber der vierten Auflage weist die Neubearbeitung zu­nächst einmal deutliche Unterschiede in der Auswahl der Stichwörter auf. Dies hängt vor allem zusammen mit dem Anliegen, die zeitgenössische Theologie und Religionen der Gegenwart zu berück­sichtigen, und so ergeben die ausgeschiedenen Stichwörter ein schönes Bild des – inzwischen vergangenen – Zeitgeistes: »Alternativ­bewegung«, »Drogen«, »Dritte Welt«, auch: »Strukturalismus« und »Märchen«. Demgegenüber markiert bei den neuen Stichwörtern neben »Globalisierung« vor allem der bereits erwähnte Eintrag »Djihad« einen Reflex aktueller Erfahrung und Diskussion mit weiteren islamischen Themen als nunmehr eigenen Einträgen. Sonst spiegelt sich vor allem die größer gewordene Bedeutung des Judentums für die Exegese und Theologie in den neuen Einträgen wieder (»Asch­kenasim«, »Sabbat«, »Samaritaner«, »Talmud«, »Tora« usw.). Diese Bewegung von Zeitgeist-Stichwörtern hin zu Einträgen, die der Theologie selbst näher stehen, trägt dazu bei, den wissenschaftlich anspruchvollen Charakter des Lexikons zu unterstreichen. Dieser Charakter wird auch durch eine zweite wichtige Änderung gegen­über der vierten Auflage untermauert und erreicht: Die Zahl der Autoren ist von 241 auf etwas über 100 gesunken. Dadurch wirkt das Lexikon insgesamt homogener und einheitlicher. Und da sich unter den Autoren zahlreiche ausgewiesene Fachleute finden und oftmals Artikel von den Personen verfasst sind, die wichtige Impulse für den derzeitigen Diskussionstand geliefert haben, ist es eine Homogenität eines hohen wissenschaftlichen Standards.
Eine enorme Verbesserung gegenüber der vierten Auflage stellt auch der Registerband dar, der es nun ermöglicht, Begriffe und Personen ohne eigenen Eintrag in den Darstellungen aufzufinden. Ge­rade bei der Beschränkung auf 500 Stichwörter ist das eine wichtige Hilfe. Ein wenig schade ist es, dass das Register in einem durchläuft und nicht nach Personen und Sachbegriffen geordnet ist. Nicht immer sind die Abkürzungen in den Literaturangaben aufgelöst, so dass ein vollständiges Abkürzungsverzeichnis (auch für die biblischen Bücher) wünschenswert gewesen wäre. Das hätte es gerade theologischen Einsteigern erleichtert, die angegebene weiterführende Literatur aufzusuchen.
Bemerkenswert ist, das gegenüber der vierten Auflage der Artikel »Gott« fehlt – »Jesus Christus«, »Heiliger Geist«, auch »Gottesbeweise« sind vorhanden. Sicher werden sich Herausgeberin und Herausgeber etwas dabei gedacht haben. Aber so, wie bei den übrigen Artikeln, hätte vielleicht auch hier in gleicher Weise stichwortartig benannt werden können, was dazu zu sagen oder eben gerade nicht zu sagen ist. Gerade mit den vielen Querverweisen, die dem Lexikon eigen sind, hätte auch ein schmaler Basisartikel Ausgangspunkt für die Suche nach Gott quer durch das Lexikon sein können.
Ein wenig fragt man sich nach der Zielgruppe des Lexikons, denn zwischen den Polen der gut verständlichen Darstellung für Schule und Erwachsenenbildung und der trockenen, exakten wissenschaftlichen Darstellung geht der Ausschlag doch deutlich hin zu Letzterem (eher eine Ausnahme: der Artikel »Metapher«). Das ist keine Kritik, sondern unterstreicht noch einmal den hohen wissenschaftlichen Informationswert, gerade auch mit der dichten Abarbeitung der Themen auf engem Raum. Eine TRE, RGG, auch ein EKL andererseits kann ein so kleines, wenn auch feines Lexikon selbstredend nicht ersetzen. Man könnte aber sagen, dass es für jeden Studienanfänger und jeden, der sich mit wissenschaftlichem Interesse schnell und zuverlässig über die gegenwärtige Theologie informieren will, ein »must« ist. Das Lexikon bietet gleichsam – insbesondere mit seinen vielen Querverweisen, die zum Stöbern anregen – die ganze Theologie und Religion sauber zusammengefaltet und in einer geräumigen Nussschale untergebracht.