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Ausgabe:

Januar/2009

Spalte:

11-14

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

[Bexell, Oloph]

Titel/Untertitel:

Kyrkoliv i 1800-talets Sverige. Festskrift till Oloph Bexell. Ed. by S. Fallberg Sundmark and G. Lundstedt.

Verlag:

Skellefteå: Artos 2007. 350 S. mit 1 Porträt. gr.8°. = Bibliotheca Theologiae Practicae, 83. Kart. ISBN 978-91-7580-344-9.

Rezensent:

Heinrich Holze

Diese Aufsatzsammlung, die als Festschrift zu Ehren des 60. Ge­burtstages des Uppsalenser Kirchenhistorikers Oloph Bexell er­schienen ist, versammelt zwölf Beiträge zum kirchlichen Leben in Schweden im 19. Jh. In ihnen spiegelt sich das wissenschaftliche Werk Bexells, das im Grenzgebiet von historischer Praktischer Theo­logie und Kirchengeschichte angesiedelt ist. Die Aufsätze beziehen sich auf Persönlichkeiten, die für die schwedische Kirche im 19. Jh. von Bedeutung waren. Überwiegend behandeln die Aufsätze Theologie und Praxis des kirchlichen Amtes; daneben werden aber auch andere Themenfelder kirchlichen Lebens untersucht.
In mehreren Beiträgen geht es um das Verständnis des kirchlichen Amtes im frühen 19. Jh. Harry Lenhammar untersucht die Hirtenbriefe des småländischen Pfarrers Peter Lorenz Sellergren († 1843), die sich gleichermaßen an Geistliche wie Laien wenden und Wegweisung in den Umbrüchen der Zeit geben wollen. In diesen Briefen spiegeln sich die kirchlichen Herausforderungen der Zeit: die Deutung der Bibel, der Einfluss des Herrnhuter Pietismus, der Umgang mit prophetischen Weissagungen sowie die Herausforderung des Swedenborgianismus. Thomas Ekstrand entfaltet die Ekklesiologie des Bischofs von Växjö Esaias Tegnér († 1846) anhand der bei Kirchenweihen gehaltenen Reden sowie einiger Gedichte. Die Textauswahl ist überraschend und gibt zu Rückfragen Anlass, doch ist das Resultat anregend. Tegnérs Verständnis der Kirche, das noch ganz vom Geist der Aufklärung geprägt ist, spiegelt sich in den hellen und lichtdurchfluteten Kirchengebäuden seiner Zeit. Lars Aldén geht auf die jahrzehntelangen Konflikte zwischen dem konservativen Erweckungsprediger Pehr Nyman († 1856) und dem Domkapitel in Växjö ein und beschreibt sie als ein Beispiel für Spannungen zwischen der Aufklärungstheologie und dem von der Erweckung geprägten Pietismus.
Weitere Aufsätze behandeln das kirchliche Leben anhand von Persönlichkeiten der zweiten Hälfte des 19. Jh.s. Kjell Petersson verweist auf Bischof Johan Andersson († 1894), bei dem das geistliche Amt die Aufgabe hat, die lutherische Lehre von der Kirche weiterzugeben. Das entspricht dem kirchlichen Selbstverständnis der Zeit, wie es sich an der Entwicklung eines lutherischen Katechis­mus verfolgen lässt. Anders Jarlert beschreibt das Wirken des småländischen Pfarrers Josef Bexell († 1897) als Beispiel eines seelsorgerlich geprägten Amtsverständnisses. Die Seelsorge wurde privat und öffentlich ausgeübt, zielte auf die Hinwendung zu Gott und war von einer pietistischen Spiritualität geprägt. Abschließende Überlegungen zur Genusperspektive zeigen, dass bei Bexell die Unterscheidung der Geschlechter hinter der Wahrnehmung des Menschen vor Gott zurücktritt. Sven-Erik Brodd untersucht den methodischen Ansatz des Lundenser Kirchenhistorikers Carl Olbers (†1892). Grundlage sind dessen »Vorlesungen über die Vorgeschichte der Kirche und den Kirchenbegriff als Einleitung in die Geschichte der Kirche«. Sie zeigen, dass Olbers der materialen Entfaltung der Kirchengeschichte die dogmatische Reflexion des Wesens der Kirche vorangestellt hat. Der Vf. versteht das als Aufforderung an die gegenwärtige Kirchengeschichtsschreibung, ihre Methodik zu überdenken und nicht allein aus der allgemeinen Geschichtswissenschaft abzuleiten. Torgny Nevéus widmet seinen Beitrag Carl Julius Lénström († 1893), einem aus Norrland stammenden Pfarrer, der vor allem durch sein schriftstellerisches Œuvre von Bedeutung ist. Zu den Werken zählen literaturhistorische Bücher, darunter ein »Lehrbuch der Ästhetik«, außerdem Gedichte und Übersetzungen ausländischer Literatur. Peter Bexell lenkt den Blick auf den småländischen Pfarrer Jonas Ekedahl († 1899), der vom Pietismus geprägt gleichermaßen für die Bewahrung der gesellschaftlichen Ordnung und für eine Veränderung im erwecklichen Geist eintrat. Im literarischen Werk seiner Enkelin Elin Wägner (†1949) werden die Folgen dieses Aufbruchs erkennbar: der Um­bruch der bäuerlichen Gesellschaft ebenso wie der Rückgang des Einflusses der lutherischen Staatskirche. Kjell Blückert behandelt im Unterschied zu den vorangegangenen Beiträgen keine Persönlichkeit aus dem engeren kirchlichen Umfeld, sondern fragt nach dem Verständnis von Religion bei Alfred Nobel († 1896). In seiner Dichtung »Nemesis« erweist sich der berühmte Erfinder und Ge­schäftsmann als ein religiös interessierter, pantheistisch ge­prägter Literat. Gott, Mensch und Glaube erscheinen als ein ewiges Rätsel, allein Aufklärung und Philanthropie weisen den Weg zu einem moralischen Leben.
Drei Beiträge untersuchen den Themenbereich aus feministischer Perspektive. Cecilia Wejryd beschreibt Grenzen und Möglichkeiten kirchlichen Wirkens von Frauen im 19. Jh. am Beispiel von Frauen, die zwar kein kirchliches Amt innehatten, aber als Ehefrau oder Witwe kirchlich tätig waren. Maja Stina Larsdotter († 1849) wirkte an der Seite ihres Mannes, des Erweckungspredigers Erik Jansson, als Leiterin einer Gruppe erweckter Christen. Emilie Petersen († 1859) übernahm als Witwe die Leitung einer Schule und eines Kinderheims; außerdem war sie in der Inneren und Äußeren Mission aktiv. Einige Überlegungen zur Aktualität der Genusforschung in der Kirchengeschichte bilden den Abschluss. Ruth Franzén lenkt in ihrem Beitrag den Blick auf die Publizis­tin und Pädagogin Betty Ehrenborg († 1880), die durch Luthertum und Er­weckung geprägt und durch Aktivitäten im schulischen Bereich, in der Diakoninnenausbildung und als Übersetzerin angelsächsischer Hymnen bekannt wurde. Juulikki Kiovunen Bylund erinnert an Hilma Karolina Jansson († 1955), die an der Jahrhundertwende in einer norrländischen Gemeinde als Diakonin tätig war und damit zur Wegbereiterin der diakonischen Arbeit in Schweden wurde, gleichwohl aber in Vergessenheit geriet, weil ihr Wirken in den Quellen kaum Spuren hinterlassen hat.
Überblicken wir die in dieser Festschrift versammelten Aufsätze, so fällt auf, dass sie methodisch in der Wahl eines biographischen Ansatzes übereinstimmen. Zugleich werden vor allem kirchliche Amtsträger, Bischöfe, Pfarrer und Diakoninnen, in den Blick ge­nommen; andere Personengruppen sind deutlich unterrepräsentiert. Das Leben jenseits der Kirche tritt nur insoweit in die Blick, als es in den Lebensläufen vorkommt. Dass sich die schwedische Gesellschaft im 19. Jh. in einem tiefgreifenden Veränderungsprozess befindet, der von Säkularisierung und sozialem Umbruch ge­prägt ist, klingt nur beiläufig an. Das ist schade, weil der Horizont der Kirchengeschichte Schwedens im 19. Jh. dadurch enger er­scheint, als er in dem großen Werk von Oloph Bexell, dem Adressaten der Festschrift, entfaltet wird (Sveriges kyrkohistoria 7. Folkväckelsens och kyrkoförnyelsens tid, Stockholm: Verbum 2003). Gleichwohl sei die Festschrift den an der neuzeitlichen Kirchengeschichte Schwedens Interessierten zur Lektüre empfohlen. Die Lebensläufe prägender Persönlichkeiten vermitteln ein lebendiges Bild und laden zu weiterer Beschäftigung mit der Kirchengeschichte Schwedens im 19. Jh. ein.