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Ausgabe:

Dezember/2008

Spalte:

1391–1392

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Bassler, Karin

Titel/Untertitel:

Finanzmanagement als Chance kirchlichen Lernens. Betriebswirtschaftliche und praktisch-theologische Analysen zu neuen Steuerungsinstrumenten der evangelischen Kirchen in Baden-Württemberg.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2006. 309 S. gr.8° = Arbeiten zur Praktischen Theologie, 30. Geb. EUR 34,00. ISBN 978-3-374-02429-2.

Rezensent:

Alfred Jäger

Unter dem Obertitel »Theologie und Ökonomie« in Bezug u. a. auf kirchliches Handeln im Zeichen einer vorwiegend finanziell angestoßenen Transformation entsteht seit einigen Jahren eine zunehmend wachsende Literatur auf vielerlei Ebenen, die an der Zeit ist und darum auch Beachtung aus wissenschaftlicher Sicht verdient. Dazu bietet die Dissertation von Karin Bassler, angefertigt unter der Leitung von Jan Hermelink, einen interessanten Beitrag, der in Praktischer Theologie, aber auch in kirchenleitenden Gremien auf allen Ebenen Beachtung verdient.
Die Einleitung (12 ff.) skizziert kurz die derzeitige finanzielle Situation von Landeskirchen in Deutschland, um gleich mit der durchgehenden Hauptthese einzusetzen: Die prekäre ökonomische Lage ist generell als »Chance kirchlichen Lernens« zu verstehen und entsprechend zu gestalten.
Dazu greift B. im ersten Kapitel (20 ff.) auf Konzepte eines New Public Management zurück, die sich in den letzten Jahren in Deutschland und weit darüber hinaus als Adaption bürokratischer Organisationen an neue, vorwiegend finanzpolitische Verhältnisse theoretisch und vielerorts auch praktisch bereits empfohlen und bewährt haben. Wegleitendes Paradigma der Konzepte ist der Gedanke einer »lernenden Organisation« auch in finanziellen Dingen, den B. bis in die letzten kirchenpolitischen Ideen durchhält. Die Hintergründe und die Variationsbreite des Konzepts werden gründlich ausgeleuchtet, wobei nicht ganz klar wird, warum sich die Arbeit im Blick auf kirchliches Finanzmanagement durchgehend auf dieses Modell und seine Varianten kapriziert. Offensichtlich ist es B. noch allzu selbstverständlich, Kirchenleitung auch finanziell nur mit neuen Entwicklungen im öffentlichen Bereich, nicht aber im Marktbereich abzugleichen.
Im zweiten Kapitel (71 ff.) werden Synodalprotokolle aus den Landeskirchen Baden und Württemberg, empirisch unterlegt mit vielen einschlägigen Voten, aus dieser Sicht mit ausgiebigen Zitaten beleuchtet, um den finanzpolitischen Lernprozess von Anfang (1993) bis zu einem sehr vorläufigen Übergang (2003) darzustellen und zu analysieren. B. nennt das abschließend eine »betriebswirtschaftliche Analyse« (153), obwohl darin von fachkundiger, finanzpolitischer Betriebswirtschaftslehre relativ wenig zu spüren ist, umso mehr von einer theologischen Hilflosigkeit im Umgang mit einer hauseigenen Ökonomie, eklatant in den zitierten Voten, leider aber auch im kritischen Kommentar. Der Begriff Management in seiner heute schillernden Bedeutung wird nirgends expliziert. Umso deutlicher wird am Schluss der Analyse die eigentliche Stoßrichtung der Arbeit: »Im Unterschied zum öffentlichen Sektor ist bei den Kirchen aber noch eine weitere Ebene zu berücksichtigen, und zwar die geistliche Dimension des göttlichen Auftrags und des Wirkens des Heiligen Geistes« (155). Wie ein Refrain zieht sich der Gedanke durch, dass Kirche eine »Organisation sui generis« sei.
Von der Argumentation her etwas abrupt im Übergang, in der Sache jedoch korrekt, stellt das vierte Kapitel (158 ff.) auf neuer Ebene das Kirchenverständnis von Schleiermacher und Barth als »Konzeption eines Maßstabs zur Analyse von Kirchenverständnissen« dar, die später wiederum empirisch aus Synodalprotokollen erhoben werden. Dabei fällt auf, dass die beiden klassisch gewordenen Leitbilder von Kirche in ihrer Zeit weniger auf die Unterschiede als vor allem auf deren »Übereinstimmungen« hin skizziert werden, um daraus eine »Kategorisierung von Kirchenverständnissen« abzuleiten (192 ff.). Wegleitend ist eine »Arbeitshypothese«, nach der der Kirchenbegriff drei Ebenen umfasst: »Eine vertikale Ebene verläuft dabei von oben, wo Gottes Werk zu stehen kommt, nach unten, wo der menschliche Beitrag zum Bestehen und Wachsen der Kirche vorherrscht« (193). Der Bezug der Ebenen von unten nach oben wird als »klares Dienstverhältnis« (195) gedacht, wobei der Kirchenordnung und ihren weiteren Ausgestaltungen die unterste Stelle zugewiesen wird.
Das fünfte Kapitel (207 ff.) betritt auf diesem theologischen Hintergrund nochmals die Ebene der Empirie, indem nach den Kriterien der Eigengesetzlichkeit, von Führung und Effizienz, der Geschwisterlichkeit und der Haushalterschaft wiederum einschlägige Voten der Synoden aus demselben zeitlichen Rahmen beleuchtet werden. Darin betritt die Studie Neuland, indem sie aufzeigt, wie sehr sich im Rahmen eines Lernprozesses, angestoßen durch finanzielle Probleme, unterschiedlichste Kirchenverständnisse auf synodaler Ebene gegenseitig behindern, aber auch ergänzen und ersetzen lassen. Es wird belegt, dass sich im Zuge der Veränderung das Konzept der Haushalterschaft gegen andere Konzepte deutlich durchzusetzen vermochte, was immer dies betriebswirtschaftlich heißen mag.
Im abschließenden sechsten Kapitel (255 ff.) wird – unter Vorbehalt der geistlichen Steuerung durch den Heiligen Geist – unmissverständlich für die Einführung eines zeitgemäßen Finanzmanagements im Bereich der Kirche plädiert, das sowohl deren Wesen als auch der »zukünftigen Einnahmesituation« der Finanzen entspricht (287).
Insgesamt ist die Studie vor allem in ihren empirischen Teilen besonders instruktiv. Im Rahmen einer tiefgreifenden ökonomischen Transformation zeigt sich darin, typologisch geordnet, eine Vielzahl von Kirchenverständnissen, die dem Wandel je nachdem hinderlich oder förderlich werden. Die Konzentration auf einen zeitlich schmalen Ausschnitt weniger Jahre und darin begrenzt auf Synodaltexte gibt den Fallbeispielen organisationalen Lernens eine eigene Überzeugungskraft. Theologisch nicht ganz überzeugend ist das kaum begründete Axiom von B., Kirche sei eine Organisation »sui generis«, ein Argument, das in dringlich nötigen Wandlungsprozessen nach meiner Erfahrung allzu häufig in seiner Funktion zur Abwehr von Veränderung benutzt werden kann und wird. Trotzdem gelingt es der Studie, gangbare Brücken zwischen theologischer Reflexion und einer hauseigenen, in Zukunft professioneller gehandhabten Ökonomie zu bauen, die weitere Lernschritte erwarten lässt.