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Ausgabe:

Dezember/2008

Spalte:

1389–1390

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Bargheer, Friedrich-Wilhelm

Titel/Untertitel:

Befreiung – Orientierung – Ge­meinschaft. Elementare Theologie für Helfende Berufe.

Verlag:

Waltrop: Spenner 2006. 333 S. 8°. Kart. EUR 18,00. ISBN 3-89991-060-5.

Rezensent:

Reinhold Mokrosch

Diese »Elementartheologie für Helfende Berufe«, also für Lehrer, Sozialarbeiter, Ärzte, Pfleger, Diakone, Gemeindepädagogen, kirchliche Mitarbeiter, Erzieherinnen u. Ä., ist ein Arbeitsbuch. Friedrich-Wilhelm Bargheer, emeritierter Professor der Evangelischen Fachhochschule Bochum, nimmt seine Leser und Leserinnen auf faszinierende Weise in einen Prozess entdeckenden Lernens hinein. Man gewinnt nach der Lektüre des über 300 Seiten starken Buches den Eindruck, die Grundlagen einer Elementartheologie selbst erkundet und erarbeitet zu haben.
Wie schafft er das? B. arbeitet dialogisch mit dem Leser: Denk­anstöße, Fragen und Aufträge zu den behandelten biblischen, christlichen und theologischen Texten fordern den Leser ständig heraus und verweben ihn mit fundamentalen und exemplarischen Elementen von Bibel und Theologie.
Was versteht B. unter Elementartheologie – zumal für »Helfende Berufe«? Nach einer Analyse der vermuteten wissenssoziologischen Ausgangspositionen einer Elementartheologie (Gegebensein, Geschichtlichkeit und Uneindeutigkeit des Lebens; Mythen und Symbole; Pluralisierung und Säkularisierung) kommt er zu der Einsicht, dass folgende Dimensionen elementartheologischen Charakter tragen: »Befreiung/Exodus«, »Orientierung und Weisung/Tora« und »Gemeinschaft/Bund«. Diese drei Dimensionen dekliniert er durch alle Epochen der Religions- und Theologiegeschichte hindurch: durch die Geschichte des Alten Testaments, des Neuen Testaments, des Christentums und der Gegenwart.
Im Einzelnen: Die »Befreiungs-Erlösungs-Exodus-Tradition« be­schreibt er als Exempel für Erlösung und Befreiung aus menschlicher Unfreiheit, Abhängigkeit und Unmündigkeit. So wie Israel aus Ägypten und später aus Babylonien errettet und in das verheißene Land hineingeführt worden sei und wie Noah, Josef und Jona erlöst und die Richter durch Wunder und Theophanien befreit worden seien, so könne und solle auch heute auf Gottes Befreiung, Errettung und Erlösung vertraut werden. Dazu verhelfe auch der auferstandene Christus als Befreier, Erretter und Erlöser. Und solche Befreiung sei auch das Zentrum der ›Rechtfertigung des Sünders‹. B. buchstabiert Befreiung und Rechtfertigung durch viele Gegenwartsprobleme hindurch – allerdings oft ohne direkten Bezug auf helfende Berufe.
Als Beispiele für »Orientierung und Weisung/Gesetz und Tora« entfaltet er israelitische Rechtsordnungen, Gesetze des religiösen Kultus und Ordnungen des Zusammenlebens mit Natur und Kosmos, um solche Weisungen auch für helfende Berufe heute relevant und aktuell werden zu lassen. Dabei gewinnt man freilich manchmal den Eindruck, dass er vor alttestamentarischer Begeisterung Christus als »Ende des Gesetzes« vergisst. Aber schon bei seiner Rezeption der Bergpredigt und des Doppelgebots der Liebe verwischt sich dieser Eindruck wieder. Und bei seiner Rezeption von A. Schweitzers Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben und bei seiner Behandlung der Befreiungstheologie und des konziliaren Prozesses weicht dieses Empfinden vollends.
»Gemeinschafts-Bundes-Theologie« eruiert er aus den vielen Bundesschlüssen zwischen Gott und Israel, die er als »Liebeserklärungen« und »Herrschaftsfreie Kommunikation« wertet, und dem Neuen Bund Gottes mit der Menschheit durch Jesus Christus. Er hält das Christus-Zeugnis für eine legitime Fortsetzung des jüdischen Gottesglaubens – eine überzeugende Position, die aber freilich weiter diskutiert werden müsste. Sein christliches Gemeinschaftskonzept, das er gegen sektiererische Pseudogemeinschaften wie Zeugen Jehovas und Scientology Church noch hervorhebt, überzeugt. Und seine Darstellung, wie der auferstandene Christus Gemeinschaft zwischen Feinden und Gegnern in Solidarität, Frieden, Gerechtigkeit und Schöpfungsbewahrung ermöglicht, hat mich begeistert.
Seine abschließenden Kapitel zu Kegans Theorie der Entwick­lung des Selbst, zu neueren Jugendstudien und zu »Geburt, Leben und Tod« vermag ich mit dem Thema des Buches nicht in direkten Zusammenhang zu bringen. Aber das trübt nicht das Bild einer hochinteressanten »Elementartheologie für Helfende Berufe«. Das Buch sollte von allen, die aus christlichem Geist heraus helfen, zur Kenntnis genommen werden.