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Ausgabe:

Dezember/2008

Spalte:

1356–1357

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Silvas, Anna M.

Titel/Untertitel:

Gregory of Nyssa: The Letters. Introduction, Translation and Commentary.

Verlag:

Leiden-Boston: Brill 2007. XIX, 283 S. m. 1 Abb. u. 1 Kt. gr.8° = Supplements to Vigiliae Christianae. Formerly Philosophia Patrum, 83. Geb. EUR 119,00. ISBN 978-90-04-15290-8.

Rezensent:

Ekkehard Mühlenberg

Die Briefe Gregors von Nyssa waren gesammelt und kritisch ediert von G. Pasquali im Jahre 1925, in der Werkausgabe Gregorii Nysseni Opera 8.2 im Jahre 1959 wiederholt. Es sind 30 Briefe. Erst jetzt liegt eine englische Übersetzung vor, eine elegante und der Rhetorik Gregors angemessene Übersetzung. Italienisch (R. Criscuolo, 1981), französisch (P. Maraval mit neu durchgesehenem Text, 1990) und deutsch (D. Teske, 1997) waren sie schon sprachlich zugänglich. Die Übersetzung als solche ist eine große Leistung. Denn Gregors Briefrhetorik enthält einige Schwierigkeiten; viele hat S. angemerkt und erläutert, einige sind ihr entgangen. Jeder Brief ist eingeleitet mit Erklärung zur Überlieferung in den Handschriften, möglicher Identifizierung der Adressaten, Skizze des Inhalts und der Situation, wahrscheinlicher Datierung, und meistens ist die wichtigste Literatur aufgenommen.
S. bietet auch eine Einleitung zu Gregor als Briefschreiber (59–72) und bemerkt zu Recht, dass Gregor von Nyssa mehr geschrieben hat, als in der Überlieferung erhalten ist; er selbst hat offensichtlich keine Briefsammlung veranstaltet, und es wird gemutmaßt, dass einige Briefe einem Kopiar entnommen sein könnten. Zur Ergänzung nicht vorhandener Briefe zieht S. die Briefe seines Bruders Basilius und die Briefe Gregors von Nazianz heran. Alle Briefe der beiden Genannten, die den Nyssener zum Adressaten haben oder ihn nennen, sind in eigener Übersetzung aufgenommen (73–88 Ba­silius, 89–101 Gregor von Nazianz). Diese Zusätze sind sehr willkommen, da sie einerseits über verlorene Korrespondenz Gregors unterrichten, andererseits zur Person Gregor Nachrichten und Charakteristiken enthalten.
Zusätzlich zu den 30 Briefen, die Pasquali in seine Ausgabe aufgenommen hatte, schließt S. sieben weitere Briefe ein, die in unterschiedlicher Eindeutigkeit Gregor zugeschrieben werden. Fraglos ist die Autorschaft für den kanonischen Brief (Letter 31; CPG 3148), der – abgesehen von zwei Ausnahmen – nicht innerhalb der Werke Gregors überliefert ist, sondern als integraler Bestandteil der Väterbriefe in den Kanonessammlungen der griechischen Kirche. Der Text, den S. bis auf ein paar Nuancen flüssig übersetzt, war von mir vorbereitet; die Auswahl der Codices für den kritischen Apparat (212) habe ich inzwischen erheblich verändert (GNO 3.5, 2008). Was über den Adressaten Letoius, Bischof von Melitene in Armenia Minor, bekannt ist, hat S. zusammengestellt.
Wenig Streit wird es um den dogmatischen Brief an Eustathius (Letter 33; CPG 3137) geben, dessen Voll-(Original-)Fassung in GNO 3.1 ediert ist. Dagegen ist ep. 38 des Basilius, die auch in zwei Überlieferungszweigen von Gregorcodices als Brief Gregors an seinen Bruder Petrus enthalten ist, heftig umstritten (Letter 35; CPG 3196). Die Übersetzung ist gut (nach dem Text von Courtonne, S. Basile), über die Forschungsdiskussion wäre zumindest Zachhuber aus dem Literaturverzeichnis einen Anmerkungsverweis wert gewesen. Ich vermerke, dass keiner, der mit der Gregorüberlieferung in den Codices vertraut ist, diesen Fall erörtert hat.
Umstritten wird der Brief an den Mönch Philipp bleiben (Letter 32; CPG 3197). Zu Letter 34 an Zenodorus (nicht Xenodorus; vgl. CPG. Supplementum 3201) sollten die Zitate in den kritischen Editionen des Anastasius Sinaita überprüft werden (CPG.Suppl. 7745. 7756). Letter 36 an Theodor (= ep. 124 Basilius) ist ein mutiger Schritt nach dem Aufsatz von J.-R. Pouchet (VigChr 42, 1988). Und schließlich hat S. mit Letter 37 (= ep. 365 Basilius) für den seit Langem herrenlos geltenden Brief Gregor als Autor vorgeschlagen – mit Be­gründung. – Ein Register zu Namen und Autoren sowie ein Bi­belstellenindex sind beigegeben; in dem Literaturverzeichnis fehlt die Bibliographie von M. Altenburger/F. Mann (Leiden 1988).
Mitreißend ist die einleitende Biographie geschrieben (1–57). Für strittige Fragen werden Positionen und Materialgrundlagen genannt, z. B. zu Gunsten einer Ehe Gregors und für ein Todesdatum des Basilius im Herbst 378, ohne dass die erzählende Darstellung davon beeinträchtigt wird. S. vertritt ihre Einsichten emphatisch. – Eine gute Karte von Zentralanatolien erlaubt, die Ortsbewegungen in der Biographie zu verfolgen. Zwei Grundrisse helfen, die Gebäudebeschreibungen Gregors zu visualisieren (die Villa in ep. 20 und das Martyrion in ep. 25). Das Titelbild, eine moderne Ikone, lädt zum Lesen und Studieren ein.