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Ausgabe:

Dezember/2008

Spalte:

1350–1351

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Lange, Christian

Titel/Untertitel:

The Portrayal of Christ in the Syriac Commentary on the Diatessaron.

Verlag:

Leuven: Peeters 2005. VIII, 224 S. gr.8° = Corpus Scriptorum Christianorum Orientalium, 616. Subsidia, 118. Kart. EUR 73,00. ISBN 90-04-1569-2.

Rezensent:

Jan Dochhorn

Unter dem Namen des Ephrem ist in zwei armenischen Handschriften aus dem Jahre 1195 ein Kommentar zum Diatessaron auf uns gekommen. Eine syrische Handschrift aus dem 5./6. Jh. bewahrt ca. 80 % des Kommentars in der Originalsprache; freilich ist deren erste Seite verloren, so dass eine Autorenkennung fehlt. Neben diesen Textzeugen existiert eine Sekundärüberlieferung, etwa in Exzerpten des Ischodad von Merv und Dionysius bar Salibi (zu den Textzeugen vgl. 2–4). Auf Grund der syrischen Handschrift ergibt sich ein Ephrem nahe stehender terminus ante quem für die Entstehung des Kommentars. Gleichwohl steht dessen Autorschaft in Frage, seitdem der Ephrem-Herausgeber Beck 1983 feststellte, dass im Kommentar spätere trinitätstheologische Termini Verwendung finden (5). Beck schlägt vor, das Werk unter dem Titel »syrischer Diatessaronkommentar« zu führen (6). Bruns konstatiert: »Er enthält gewiss viel authentisches Gut, ist aber mit späterem Material angereichert worden.« (8)
Die Arbeit verfolgt das Ziel, zuerst durch text- und literarkri­tische Analysen und dann durch den Vergleich christologischer und trinitätstheologischer Motive im Kommentar und bei Ephrem die Authenzitätsproblematik sowie die Entstehungsgeschichte des Kom­mentars zu erhellen (9–12). Schon die Textzeugen, die armenische Überlieferung auf der einen und der syrische Kodex auf der anderen Seite, weisen Sondergut auf, so dass also zumindest die Transmissionsgeschichte die Hinzufügung nicht-ephremischen Ma­terials bezeugt (vgl. das Stemma, 52). Ähnlich lassen sich für den Archetyp Unstimmigkeiten aufzeigen, welche die Einarbeitung nicht-ephremischen Materials vermuten lassen (vgl. das Stemma, 67). Der Hauptteil der Arbeit besteht dann in einer Darstellung theo­logischer und christologischer Konzeptionen des Kommentars zum einen (69–98) und Ephrems, gesondert nach seiner nisibeanischen und edessenischen Phase, zum anderen (99–150). Ein Vergleich zeigt Übereinstimmungen und Unterschiede auf (151–161) und vertieft die Ergebnisse der literarischen Analyse (162–173): Der Kommentar basiert auf ephremischem Material, vielleicht auf Notizen von Schülern Ephrems, und wurde dann von einem Kompilator – unter Hinzufügung späteren Materials – zusammengestellt (167–168).
Man liest dieses Buch mit beträchtlichem Gewinn, zumal es L. nicht an darstellerischem Geschick mangelt. Gleichwohl weist es Unebenheiten auf. So verdeckt schon der Titel den Skopus des Werks: Dem auf S. 9–12 entworfenen Programm zufolge geht es darin nicht um die Christologie des Kommentars für sich genommen, sondern um dessen literarische Problematik, die speziell anhand der christologischen Motivik untersucht werden soll. Da­von lässt der Titel nichts erkennen. Gegenstand der inhaltlichen Analysen sind dann auch keineswegs nur christologische, sondern auch trinitätstheologische und pneumatologische Themen. Ein ähnliches Problem begegnet in der Zusammenfassung. Sie schließt mit dem für die Theologie Ephrems gewonnenen Ertrag ab (168–173) – und geht damit ebenfalls über den Skopus des Buches hinaus. Dieses »Surplus« hätte besser eingearbeitet werden können.
Daneben fallen methodische Unklarheiten ins Auge. So wird zwischen Kritik an den Textzeugen und Kritik am Archetyp nicht eindeutig unterschieden: Die Darlegung über Unstimmigkeiten in der »Basic Version« setzt ein mit Fehlern des syrischen Textzeugen (53 ff.), ohne dass mitgeteilt würde, ob dies auch Fehler des Archetyps sind. Unklar bleibt zudem, warum die Sekundärüberlieferung, auch die armenische bei Eznik von Kolb und Agathangelos (169), für die Untersuchung keine Rolle spielt. Schließlich wird man fragen können, ob mit der Sammlungs- und Kompositionshypothese wirklich das letzte Wort zur Entstehungsgeschichte des Ar­chetyps gesagt ist. Könnte nicht auch eine literarisch bereits vorliegende Komposition, die vielleicht sogar von Ephrem selbst stammt, interpoliert worden sein?