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Ausgabe:

Dezember/2007

Spalte:

1378 f

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

McCalla, Arthur

Titel/Untertitel:

The Creationist Debate. The Encounter be­tween the Bible and the Historical Mind.

Verlag:

London-New York: Continuum 2006. XIV, 228 S. gr.8°. Kart. £ 19,99. ISBN 0-82648-002-0.

Rezensent:

Hans Schwarz

Der Autor, Professor im Department for Philosophy/Religious Stud­ies der Mt. St. Vincent University in Halifax, Kanada, legt eine Un­tersuchung zur Kreationismus-Debatte vor. Er vertritt die These, dass Kreationisten nicht primär an den Aussagen der Evolutions­theo­rie, sondern an einem historischen Verständnis der Bibel interessiert sind. Nach Ansicht McC.s denken die meisten Menschen in den USA weitgehend unhistorisch. Eine Untersuchung der National Science Foundation von 2001 ergab, dass 52 % der Amerikaner von der gleichzeitigen Existenz von Dinosauriern und Menschen auf der Erde innerhalb der letzten Jahrhunderte überzeugt sind. Dies wird so etwa im Museum der Creation and Earth History nahe San Diego vom Institut für Creation Research der Young-Earth Creationist Organization dargestellt. Intelligent Design ist laut McC. »eine Strategie, die Menschen wieder zur Bibel zurückzubringen, und kein Versuch, wissenschaftliche Kenntnis voranzutreiben« (XIV).
McC. zeigt in seiner Untersuchung, wie sich besonders in den USA ein Kreationismus auf Dauer entwickeln konnte. Er verfolgt im ersten Kapitel die Geschichte der zwei Bücher, das der Bibel und das der Natur, wobei er auf die Reformatoren verweist, die eine symbo­lische Exegese beider Bücher verwarfen. Um die in der Natur ent­deck­ten Wahrheiten mit denen der Bibel in Einklang zu bringen, be­diente man sich einer Akkommodationstheorie, die auf Augustin zurückgeht (7). Das nächste Kapitel widmet sich der natürlichen Theo­logie oder Physikotheologie, die versuchte, die Attribute Gottes aus der Natur abzulesen. Es werden hier besonders britische Autoren, wie Thomas Burnet oder John Ray, herangezogen. Dabei blieb die Bibel der autoritative Text. Schwieriger gestaltete sich der Versuch, die Chronologien anderer Kulturen mit der Bibel zu vereinbaren. Ende des 17. Jh.s zeigte sich, dass die Geschichte der Welt länger ist, als es die biblische Historie aufzeigt, so dass Erstere eine säkulare Disziplin wurde, während die andere bei der Theologie verblieb (39). Giambattista Vico löste das Problem der Synchronisierung der Ge­schichten der Heiden und der Geschichte der Bibel, indem er zeigte, dass nur in den ersten biblischen Kapiteln eine universale Ge­schichte dargeboten wird, die älter ist als die anderer Quellen, wogegen die Geschichte anderer Nationen nicht erwähnt wird (47). So kam Vico zur neuen Wissenschaft der Geschichte der Heiden.
Mit dem Aufkommen der Archaewissenschaften konnte man die Zeitangaben in Genesis 1 nicht mehr wörtlich nehmen und, Buffon etwa, interpretierte sie als Akkommodation an die Unwissenden (57). Wie etwa bei Charles Lyell setzte sich allmählich die Anschauung der Nichtvereinbarkeit geologischer Zeiträume mit den Angaben der Schöpfungsberichte durch. Damit sollte nicht die Glaubwürdigkeit der Bibel unterminiert, sondern die wissenschaftliche Integrität der Geologie behauptet werden (65). Wie William Paleys natürliche Theo­logie zeigt, schloss man nach wie vor von wissenschaftlichen Entde­ckungen auf eine schöpferische In­telligenz. Erst Charles Darwin löste sich von Paley, als er mit seiner Evolutionstheorie eine alternative naturalistische Erklärung für die Entwicklung der Lebewesen darlegte (110 f.). Asa Gray und Louis Agassiz zeigen, dass viele Zeitgenossen nicht von einer rein naturalistischen Interpretation überzeugt waren und die Evolution theistisch interpretierten.
Konservative Theologen, wie Charles Hodge, behaupteten, dass natürliche Auslese eine theistische Interpretation ausschloss, und bekämpften den Darwinismus als Atheismus. Dieser Haltung schlossen sich Fundamentalisten bis in die neueste Zeit an. Dabei versuchten die Kreationisten zunächst vergeblich, eine alternative Schöpfungswissenschaft zu etablieren. Trotzdem gab es 1989 noch weltweit mindestens 100 kreationistische Gesellschaften, die be­weisen wollten, dass allein ein literales biblisches Schöpfungsverständnis den Glauben an Gott ermöglicht, während jeder Evolutionismus buchstäblich satanisch ist (180). Eine neuere Variante ist die Intelligent Design-Theorie, die behauptet, dass der methodologische Naturalismus der Evolutionstheorie funktional ein metaphysischer Materialismus ist, für den außer der materiellen Natur nichts existiert (192 f.). Deshalb muss eine Intelligent Design-Theorie eingeführt werden, damit die Sinnfrage nicht ausgeklammert wird. Es geht letztendlich um die These von Charles Hodge, dass darwinistische Theorien zum Atheismus führen. Intelligent De­sign-Vertreter verwerfen eine reine Evolutionstheorie, da sie nicht zwischen einem methodologischen und einem prinzipiellen Naturalismus unterscheiden (wollen).
Das Buch ist sorgfältig recherchiert. Wegen der vornehmen Zu­rückhaltung im Urteil und der vielen theologie- und wissenschaftsgeschichtlichen Informationen ist die Untersuchung mit Ge­winn zu lesen.