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Ausgabe:

Dezember/2007

Spalte:

1360 f

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Langthaler, Rudolf, u. Wolfgang Treitler [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Die Gottesfrage in der europäischen Philosophie und Literatur des 20. Jahrhunderts.

Verlag:

Böhlau Verlag: Wien-Köln-Weimar 2007. 258 S. gr.8°. Kart. EUR 35,00. ISBN 978-3-205-77532-4.

Rezensent:

Wolfgang E. Müller

Die 14 Beiträge dieses Bandes basieren auf der mit dem Buchtitel identischen Ringvorlesung der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien im Wintersemester 2005/06. Voraussetzung dieses Buches ist die Feststellung, dass sich die Frage nach Gott in der Philosophie und Literatur des 20. Jh.s, trotz Nietzsches Ansage des Todes Gottes, als hartnäckig erwiesen hat. Gerade auch für jüdisches Denken und Dichten wurde die Frage nach Gott zu einer zentralen Frage, nicht zuletzt wegen der Shoa, gleichwohl aber auch schon zuvor prägnant gestellt.
Der Band beginnt mit einer Reflexion des Gottesverständnisses Albert Einsteins. Dann legt Friedrich-Wilhelm v. Herrmann dar, dass es in Heideggers Philosophie »keinen wirklichen Bruch und Abbruch seiner Verbindung zum Christlichen« (30) gegeben hat. Die Gottesauffassungen der jüdischen Philosophen Martin Buber, Hermann Cohen, Franz Rosenzweig, Emmanuel Levinas und Jacques Derrida werden anschließend ausführlich dargestellt. Han­na-Barbara Gerl-Falkovitz stellt kenntnisreich postmoderne Positionen vor. In ihnen kommt das Heilige nicht unmittelbar vor. »Aber es kommt vor in seiner Abwesenheit, in seiner ›Spur‹, im Widerspruch gegen die pure Selbstherrlichkeit des sich selbst besitzenden, sich selbst verstehenden Subjekts« (89). Im Anschluss daran wird Richard Swinburnes probabilistischer Gottesbeweis vorgestellt. Damit ist der Boden für Robert Spaemann bereitet, der seine eigene Auffassung darlegt. Die Möglichkeit, Gott denken zu können, liegt darin, das Vergangene aufzuheben: »Wir müssen ein Be­wusstsein denken, in dem alles, was geschieht, aufgehoben ist, ein absolutes Bewusstsein« (132). Den religionsphilosophischen Teil des Bandes schließt der Philosoph Slavoj ˇZiˇzek ab. Er setzt gegen die zeitgenössische Philosophie der Endlichkeit sein Verständnis von Gott als einem Leidenden.
Die folgenden fünf Beiträge widmen sich der Gottesfrage in der Literatur. Nach Beiträgen über die Existentialisten Jean-Paul Sartre und Albert Camus sowie über Robert Musil stellt Wolfgang Treitler sehr eindrucksvoll Elie Wiesels Gotteszeugnis nach der Shoa dar. Dessen Fragen an Gott, die sich auch gegen Gott richten, können aber niemals ohne Gott gestellt werden. Robert Pichl arbeitet heraus, dass Ingeborg Bachmann, ohne sich explizit zur Gottesfrage ge­äußert zu haben, die Philosophie Wittgensteins rezipiert hat. »Man hat im Zusammenhang mit Bachmanns Schreibweise gelegentlich von einer ›Poetik des Andeutens‹ gesprochen. In diesem Sinn behandelt sie auch die Gottesfrage mit dem ›positiven Schweigen‹ Wittgensteins über das Mystische, nicht als plakative Thematisierung, sondern mit Andeutungen gleichsam zwischen den Zeilen« (236). Abschließend zeigt Karl Erich Grötzinger, dass das »Göttliche« bei Kafka »allenfalls ein verborgener Fluchtpunkt« ist, »an den man sich in der Finsternis klammert, ohne ihn wirklich zu haben« (284).
Die kenntnisreichen Beiträge sind für ein breites Publikum geschrieben und gehen der Thematik der Ringvorlesung schlaglichtartig nach. Jetzt wünscht man sich eine entsprechende monographische Darlegung der Problematik.