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Ausgabe:

Oktober/1996

Spalte:

946 f

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Barton Peter F.

Titel/Untertitel:

Die Geschichte des Christentums in Österreich und Südmitteleuropa. Bd. 3/1: Von Columbanus zu Karl dem Großen

Verlag:

Böhlau 1995 224 S. 8o = Studien und Texte zur Kirchengeschichte und Geschichte. Dritte Reihe. DM 98,­. ISBN 3-205-98444-7

Rezensent:

Gert Haendler

Über die beiden ersten Bände des Werkes, die 1992 erschienen waren, hatte ThLZ 119, 1994, 999-1001 informiert. Band 3 stellt einleitend nochmals fest, daß für das erste Jahrtausend unter der "Geschichte Österreichs" nur die "Geschichte Österreichs vor seiner Entstehung" gemeint sei (6). Barton will die Gesamtkirchengeschichte und Geschichte einbeziehen (10). Daher nennt der Untertitel den irischen Mönch Columban und den in Aachen regierenden Karl d. Gr. ­ also zwei Persönlichkeiten, die man sicher nicht als Österreicher bezeichnen kann.

Kap. 1 "Dunkle Jahrzehnte (Die Zeit nach 615)" rechnet mit Einwirkungen auf die "zeitweise politisch vom Frankenreich abhängigen Gebiete Churraetiens, Alemanniens und Thüringens und zumal (wenn auch wohl nur im kirchlichen Bereich) auf Bayern" (11). Die Geschichte in Byzanz wird skizziert: politische und dogmengeschichtliche Kämpfe mit der unglücklichen Rolle, die darin Papst Honorius I. spielte (17). Der Dreikapitelstreit hatte Wirkungen auch auf die Langobarden, Franken und Iroschotten (25). Das Eigenkirchenwesen kommt in den Blick (29). Kap. 2 erläutert die Lex Salica und andere Stammesrechte. Die Lex Alamannorum und die Lex Baiuvariorum verweisen auch auf den Raum Österreich (37-42). Das Vordringen Islam schildert Kap. 3 unter der Überschrift "Die große Katastrophe und die Reichskirche" (42-63).

Kap. 4 "Neue Kämpfe und Missionsbestrebungungen in Europa" informiert über die Hausmeier im Frankenreich und die iroschottisch-fränkische Mission; in Bayern hinterließ Bischof Arbeo von Freising wichtige Lebensbeschreibungen. Herzog, "Theodo scheint ein weit engagierterer Christ gewesen zu sein als seine Vorgänger" (73). In seiner Spätzeit 712/15 ist der Besuch Emmerams in Bayern am besten zu datieren (80). Über Rupert von Salzburg formuliert B.: "Nicht Bekehrung der bayerischen Führungsschicht (die nicht mehr notwendig war), sondern Koordinierung der Katholizismen (konkret Rückdrängen des schwindenen Einflusses Aquilejas unter den Romanen) und Versuche einer ersten Slawenmission waren Anliegen des fränkischen Heiligen, der sich in Bayern zumindest wie ein in iroschottischer Tradition stehender Klosterbischof "gab" (84). Rupert "residiert" wie ein Abtbischof in St. Peter in Salzburg, vermutlich einer "Neugründung oder Reorganisierung einer primär von christlichen Romanen getragenen Mönchskommunität" (89). Die Romreise des Herzogs Theodo und der Plan Papst Gregors III. für der Aufbau einer bayerischen Kirche mit vier Bistümern unter einem Erzbischof blieb ein kurzes Zwischenspiel. Der Plan "war offensichtlich nicht mit den Franken abgesprochen ­ und konnte auch nicht in deren Interesse sein" (94). In Korbinian sieht B. vor allem einen Mann des fränkischen Reiches: "seit 725 wurde von den Franken wieder in die bayerische Politik und Kirchenpolitik eingegriffen, auch wenn Bayern nie dem fränkischen Zugriff so direkt ausgesetzt war wie Alemannien" (99).

Kap. 5 "Bilderstreit und Frankenmacht" berichtet auch über Bonifatius und die anonyme Schrift "Aethicus Ister", deren neue Ausgabe und Deutung von Otto Prinz nicht berücksichtigt wird (MGH, Quellen zur Geistesgeschichte des Mittelalters 14, 1993). Nach B. ist Virgil von Salzburg immer noch der "für Österreich sicher wichtigste Gelehrte und Kirchenmann des 8. Jh.s" (113).

Kap. 6 informiert über "Churraetien und Alemannien: Neue Entwicklungen". Pirmin, Gallus, die Gründung des Alemannenbistums Konstanz und die Macht Karl Martells werden geschildert; "Pirmins Klostergründung auf der Reichenau, die wahrscheinlich 724 zu datieren ist, war primär eine Gründung Karl Martells" (137).

Kap. 7 ist überschrieben: "Interventionen in Bayern" (141-160). Die vier 738 von Papst Gregor III. genannten Bischöfe sind nach B.s Deutung "in Salzburg Johannes, in Regensburg Gaubald-Gaibald und in Freising ErembertŠ Vivilo von Passau wurde in seinem Amt bestätigt" (150). Aber diese Ordnung der Kirche Bayerns dauerte nur kurz. Bonifatius erhielt "in Virgilius einen kongenialen Gegenspieler" (155). Salzburg erlangte "nicht zuletzt dank der persönlichen Beziehungen Virgils eine führende Rolle unter Bayerns Bistümern, die es nicht mehr einbüßen sollte" (159).

Kap. 8 "Karantanenmission ­ Klostergründungen ­ Kulturimpulse" bringt Abbildungen des Tassilokelches und des sog. Rupertus-Kreuzes, sowie aus dem Salzburger Cutbercht-Evangeliar und dem Salzburger Verbrüderungsbuch (162-l67). Der 774 eingeweihte Dom von Salzburg wird von B. als "Repräsentativbau Tassilos" gedeutet (193).

Der letzte Teil, Kap. 9, ist überschrieben "Zweite Phase des Bilderstreites. Pippins Interventionspolitik, Karls Aufstieg, Tassilos Sturz und das Ende des selbständigen bayerischen Kirchentums" (198). Mit Anteilnahme schildert B. den Bayernherzog Tassilo, der sich "als souveräner Partner einer fränkisch-langobardischen Koalition" fühlte; Papst Hadrian wußte ihn zu schätzen (203). Bayerische Urkunden datierten seit 763 nach Tassilos Regierungsantritt (205). Aber bald "gewannen Karls fränkische Agenten endgültig den größten Teil des bayrischen Adels" (215). Der 785 eingesetzte Bischof Arn von Salzburg "sollte die bayerische Kirche gleichschalten und in die fränkische integrieren. Arn erwies sich als der bedeutendste karolingische Kirchenfürst im österreichischen Raum" (218). Nach Tassilos Sturz 787 "wurde die Kirche im österreichischen Raum durch die Eingliederung in die fränkische Reichskirche definitiv Teil eines größeren Ganzen, Teil der katholischen Kirche des Frankenreiches". B. schließt daran die Frage: "Wird es nun unter geändertenRahmenbedingungen zu der so notwendigen Vertiefung des Christentums kommen?" (222). Offenbar ist also eine Fortsetzung der breit angelegten Darstellung geplant.