Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Februar/1999

Spalte:

189–191

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Vinzent, Markus

Titel/Untertitel:

Pseudo-Athanasius, contra Arianos IV. Eine Schrift gegen Asterius von Kappadokien, Eusebius von Cäsarea, Markell von Ankyra und Photin von Sirmium.

Verlag:

Leiden-New York-Köln: Brill 1996 . XII, 464 S. gr.8 = Supplements to Vigiliae Christianae, 36. Lw. hfl 235.-. ISBN 90-04-10686-3.

Rezensent:

Hans Georg Thümmel

Es ist längst erkannt, daß die 4. unter dem Namen des Athanasios gehende Rede gegen die Arianer einen anderen Verfasser hat als Reden 1-3. Bereits 1917 hatte Stegmann eine Datierung zwischen 337 und 342 behauptet und Apolinarios (Apollinaris) von Laodikeia als Verfasser benannt. Neuere haben dies bestritten, wobei eine spätere Datierung die Verfasserschaft des Apolinarios auszuschließen schien. Der Vf. unternimmt eine erneute Untersuchung der Frage. Dabei wird deutlich, wie ihm in dieser Habilitationsschrift der Stoff unter den Händen gewachsen ist, so daß schließlich Einschränkungen nötig wurden. Laut Vorwort soll es nur um die Datierung gehen. Aber er konzentriert sich eben nicht auf die dafür entscheidenden Argumente, sondern schildert die theologische Situation um 340. V. bestätigt die Feststellungen von Stegmann: Terminus post quem sind die von Ps.-Athanasios benutzten antimarkellischen Schriften des Eusebios von Kaisareia, die nach dem Tode Konstantins 337 geschrieben sind, terminus ante quem ist das sogenannte westliche Serdicense 342, das die 4. Rede benutzt haben soll. Doch gibt es kaum wörtliche Anklänge (vgl. 64 f.), und Ausdrücke wie "möglicherweise", "legt zumindest nahe" u. ä. begegnen bei V. ständig. Mit ihnen ist treffend die Forschungslage bezeichnet, die in diesem Punkt keine eindeutigen Aussagen erlaubt.

Diese Dinge sind vor allem unter den "Einleitungsfragen" behandelt. Neben vielen begrüßenswerten Zutaten, wie der ausführlichen Darstellung der Forschungsgeschichte, einer Auflistung der rhetorischen Figuren, ausführlichen Registern etc. machen den Hauptteil der Arbeit jedoch eine Darstellung der Theologie von c.A.IV und besonders der darin geführten Diskussion in großer Breite aus. Und hier geht es nun darum, daß vor allem Vergleichsstellen aus den Schriften des Apolinarios herangezogen werden, wobei der Vf. noch eine Begrenzung gegenüber den Verweisen, die Hübner, Apolinarios, in Fülle beigebracht hat, vornimmt (89 Anm.1).

Ich zweifle nicht an der Richtigkeit der Datierung, die V. für diese Schrift zu bekräftigen sucht. Aber ich meine, er hat sie eher dadurch gesichert, daß er aufgrund der inhaltlichen und der stilistischen Kriterien die Nähe zu Apolinarios bekräftigt. Damit tritt, wie von Hübner bereits gesehen, c.A.IV neben andere Werke, wie bes. Ps.-Basileios, adv. Eunonium IV-V, dessen Herausgeber Risch sich freilich auch gescheut hat, Apolinarios namhaft zu machen.

Die gemeinsame Widerlegung von eigener Position aus macht es schwierig, die bekämpften Lehren zu erfassen. Die Bezeichnung der Gegner geschieht wie üblich mit älteren Ketzernamen, nur die "Eusebianer" sind namentlich genannt. Theoretisch könnte das auch die Anhängerschaft des Eusebios von Nikaia meinen. Doch wissen wir von dieser nichts, während die Kirchengeschichte des Sokrates mit den peri Eusebon mindestens 18mal die sich um den Bischof von Nikomedien, später Konstantinopel (341), scharende Gruppe bezeichnet, die das Konzil Antiochien 341 veranstaltet hat (98,1 Hansen). Eine solche Bezeichnung ("die sich um Eusebios Scharenden") scheint aber nur bei einem noch Lebenden sinnvoll. Dies könnte noch einmal die Frühdatierung von c.A.IV bekräftigen.

Auch wenn c.A.IV vor allem als antiarianisches Werk gewertet wurde, so hat doch auch die ältere Forschung bereits gesehen, daß in ihr zwei Grundpositionen bekämpft werden, die gegensätzliche theologische Lager bezeichnen, eine mehr monarchianisch-modalistische und eine mehr einer subordinatianischen Logoslehre verpflichtete, die dann auch kurzerhand als arianisch disqualifiziert wurde. Das ist durchaus ungewöhnlich. In der Regel wird in polemischen Schriften nur ein Gegner oder eine Position bekämpft. Das Wahrscheinlichste ist, daß der Verfasser gegen Eusebios von Kaisareia schreiben wollte, dessen Theologie ihm aber nur in den antimarkellischen Schriften vorlag. Um den Anschein zu vermeiden, er sei nun ein Parteigänger des Markellos, mußte er sich auch von diesem absetzen. Daß Asterios mit einfloß, da Markellos gegen diesen geschrieben hatte, ist einleuchtend. Schwieriger liegen die Verhältnise bei Photeinos, der ohnehin schwer greifbar ist (181) und der doch offenbar den Punkt bezeichnet, wo der strenge Modalismus in Dynamismus umschlägt, weil der strenge Monotheismus in Christus nur den einen Gott oder aber nur eine göttliche Kraft sehen kann. V. führt im Anschluß an Hübner Indizien der Polemik an, die wahrscheinlich machen, daß die Argumentation auch gegen Photeinos geht: der Vorwurf des Philanthropismus und der andere, es entstünde durch Hineinnehmen des Menschen eine Tetras, die Meinung, Fleischwerdung würde einen Wandel des unwandelbaren Gottes bewirken, die Exegese von Act 10,36 in diesem Sinne, u. a. m. (s. vor allem 309-342).

C.A.IV versucht, gleichzeitig die Einzigkeit Gottes, die wahrhafte Gottheit des Sohnes und dessen Unterschiedenheit vom Vater auszusagen. Ausgangspunkt ist die Meinung, Gott sei eine einzige Usia und Hypostasis. Die Zweiheit von Vater und Sohn ist als Einheit des einen Gottes zu verstehen. Der Begriff des Logos ist zwar benutzt, aber er geht in dem des Sohnes auf, dessen Zeugung eine unumkehrbare Relation darstellt und ungetrennte Zweiheit begründet (104-107). Ähnliches gilt für die anderen Prädikate. Der Sohn ist dasselbe wie der Vater in Andersheit. - Freilich bleibt die Frage, warum ein Hypostatos (ex hypostaseos hypostatos), ein hyphestos, ein zum Sein gekommener, nicht eine Hypostasis sein soll. Wenn V. feststellt: "Aufgrund der Abstammungsrelation sind beide nicht zwei Wesen" (93), dann sind die Bilder der Abstammung und der Zeugung dem menschlichen Bereich entnommen (vgl. 106), wo Abstammung eben doch zwei Wesen hervorbringt, die in generischem Sinne homousios sind. Gerade dies aber soll hier nicht gesagt sein, da sich bei Gott die Dinge anders verhalten (353). Wenn die Seinsmodi selbst wesenhaft sind (95) oder der Sohn die Hypostase des Vaters hat (109), dann ist das zunächst ja nur eine Verwirrung der Begriffe. Die Frage ist doch, ob die gleichzeitige Aussage von Einheit und Zweiheit ein unauflösbares Paradoxon (Glaubensgeheimnis) ist oder der Verfasser (Apolinarios) in der Argumentation Verdeutlichungen bietet, die über die alten Vorstellungen von Feuer und Licht, Urbild und Abbild etc. hinausgehen.

So ist präziser zu fragen, wo der in c.A.IV begangene Weg zwischen Markellos und Eusebios liegt. V. führt hier vier bereits von Risch für adv.Eun.IV-V benannte philosophische Schemata aus dem aus platonischen und aristotelischen Elementen gemischten Denken des 3./4. Jh. vor (99-101), von denen das erste sicher das wichtigste ist: Ein Verhältnis von Gattung und Individuum (im Sinne von 2. und 1. Usia), wobei erstere als real gedacht ist und letzteres von ersterer bewirkt wird und dasselbe in Andersheit ist. Danach verhält sich der Sohn zum Vater wie das Individuum zur Gattung. Nur solche Bestimmung könnte die Redeweise in c.A.IV logisch begründen. Allein, so genial die Entdeckung von Risch ist, erklärt doch eben der Verfasser von c.A.IV seinem Leser nicht die theologische Aussage mit diesem Schema, sondern läßt sie - entgegen allem Anschein - widersprüchlich stehen: daß Zeugung nicht zwei Usien oder Hypo stasen entstehen läßt. Dem theologischen Anliegen, Einheit und Zweiheit gleichzeitig auszusagen, war Genüge getan, aber Einsichtigkeit konnte dafür ohne das philosophische Erklärungsschema weder bei den Gesinnungsgenossen noch bei den Gegnern des Verfassers erwartet werden. Überdies benutzt ja doch der Verfasser zur Verdeutlichung das alte Bild von Feuer und Schein (Licht), polemisiert gegen die Hellenes und zieht Stoisches und Homer heran, aber eben nicht die Logik.

Der Logos nimmt sich einen Menschenleib an und wird dadurch zum Menschensohn. In der Aneignung des Menschenleibes durch den Logos geschieht die Erneuerung des Menschen, also das Heilswerk. Der mit dem Leib vereinte Logos heißt wiederum Gottessohn, und die eine göttliche Person ist auch Subjekt des menschlichen Handelns. Die Betonung der Christologie könnte die Nähe zu Apolinarios bezeugen.

Die Arbeit führt mitten in eines der spannendsten Kapitel der Dogmengeschichte, das freilich in der Vergangenheit wenig Klärung erfahren hat. Eusebios wurde als Theologe verachtet, Asterios war diskreditiert, Markellos galt als quasi-orthodox, Apo linarios war verketzert. Die einseitige Orientierung an Athanasios als Hüter der Orthodoxie hat die eigentliche Debatte verdeckt. Vinzent hat einen Schritt getan, weitere werden folgen müssen.