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Ausgabe:

November/2008

Spalte:

1275–1276

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Ikwuagwu, Onwumere A.

Titel/Untertitel:

Initiation in African Traditional Religion. A systematic symbolic analysis with special reference to aspects of Igbo religion in Nigeria.

Verlag:

Würzburg: Echter 2007. 292 S. gr.8°. Kart. EUR 30,00. ISBN 978-3-429-02909-8.

Rezensent:

Heinrich Balz

Auf ihren Titel hin gelesen: Initiation in African Traditional Religion bleibt die Würzburger Dissertation des Nigerianers Ikwuagwu vom Volk der Igbo einigermaßen unbefriedigend. Andere Afrikaner, auch christlich katholische Theologen, wie M. Ntetem in seiner Würzburger Dissertation 1983 und Bischof A. T. Sanon 1982, haben über Initiation Zusammenhängenderes und Konzentrierteres geschrieben. Man wird der eigentlichen Intention I.s eher gerecht, wenn man als Leser erkennt, dass Mitte und Wende der ganzen materialreichen Abhandlung das vierte und längste Kapitel: »Initiation in the Christian Context« ist (123–191): Nicht um die traditionale Religion als solche, wie sie lebte und heute noch lebt, geht es ihm, sondern darum, wie christlich katholische Liturgie in Afrika, um ganz heimisch zu werden, möglichst vieles von ihr und vor allem die Rituale um Geburt, Beschneidung und höhere Weihen übernehmen, d. h. integrieren kann. Der Blickpunkt ist dabei, trotz vieler praktischer Anschauung, systematisch-theologisch, »mehr theoretisch als praxisorientiert« (16).
Die vorbereitenden Kapitel handeln von afrikanisch traditionaler Religion grundsätzlich: wie von ihr nicht mehr geredet werden darf, etwa als Animismus oder Fetischismus, welchen Platz Gott und die Ahnen in ihr haben, wie Ritual und Kult in ihr im Zentrum standen (Kapitel 1). Kapitel 2 handelt begriffsgeschichtlich und phänomenologisch von »Symbol in Religion«, einschließlich der Symbolhandlungen Jesu. Kapitel 3, »Initiation in African Tradition­al Religion« spannt dann einen weiten Bogen vom altägyptischen Isis-Osiris-Mythos, der als genuin afrikanisch in Anspruch genommen wird, hin zu ausführlicher Beschreibung und Deutung von Beschneidung bei den Igbo heute an einem Ort und der Namengebungs-Zeremonie an einem anderen. Theologische und biblische Überlegungen kommen wiederholt herein. Initiation ist eine für Afrikaner so grundlegende Wirklichkeit, dass auch das Christentum sie ernst nehmen und in wesentlichen Aspekten übernehmen muss. Ohne Initiation verliert afrikanische Gesellschaft ihren Zusammenhalt, darum muss sie bleiben; einzig bei der weiblichen Beschneidung konzediert I. einiges, was nicht weitergehen soll.
Die »Initiation in the Christian Context« (Kapitel 4) geht theologiegeschichtlich der Entwicklung der katholischen Sakramentenlehre durch die Jahrtausende nach, handelt von Katechumenat, Taufe, Konfirmation und Eucharistie und weiter von Christus und von der Kirche als Sakrament. In näherer Zeit beschäftigt I. be­sonders das Verständnis von Liturgie und Mysterium bei Odo Casel: An ihn soll afrikanisches Verständnis der Liturgie anknüpfen und nicht in Vorstellungen oder Mythen, sondern im opus operatum, im kultischen Vollzug die eigentliche Brücke zwischen traditionaler und christlicher Religion finden (143–145.181–191). Wie weit sie darin gehen kann, erörtert Kapitel 5, »The Church and non-Christian Religions«: Nur praeparatio evangelica in ihnen zu su­chen, ist zu wenig, sie sind als solche heilsvermittelnd. Der Widerstand gegen diese Einsicht noch nach dem Vatikanum II kann für I. allein noch aus dem indoeuropäischen »Überlegenheitskomplex« kommen, für dessen geschichtliche Deutung er sich auf die Feministin M. Stone beruft. Das Reizwort Pluralismus fällt nicht, aber die Sache ist deutlich benannt: Eine radikale Revision erfordert, die anderen Religionen endlich als »alternative paths to salvation« zu begreifen, und Jesus Christus soll nicht mehr als universaler Retter, als Erfüllung und Gipfel von Gottes Selbstoffenbarung gelehrt werden, weil dies den interreligiösen Dialog behindert (230 f.). Dennoch bleibt die als verlängerte Inkarnation verstandene Inkulturation in Afrika ganz im katholisch-kirchlichen Rahmen: Einzelne Vorschläge zur Taufe und Eucharistie – bei der endlich statt fremdem Brot und Wein bodenständigere Elemente eingesetzt werden sollen – führen im 6. und letzten Kapitel zur Darstellung und Empfehlung des neuen Messeritus in Zaire, der 1988 den vatikanischen Segen bekam. Dass der vormalige Zaire seit einem Jahrzehnt wieder Kongo heißt, wird dem Leser nicht mitgeteilt.
Die außerordentlich fleißige, materialreiche Dissertationbringt auf Gedanken, wenn man sie ein Stück weit gegen den Strich liest. Ein untergründiger Zorn auf fast alle westlichen Missionare, ihre Torheiten, vor allem aber auf ihren irrationalen Überlegenheitskomplex ist eines der latenten Leitmotive; eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den theologischen Bedenken der Missionare gegen das afrikanische Kultur- und Religionserbe erübrigt sich damit. Der gesamtafrikanische Anspruch auf das alte Ägypten, das auch in der biblischen Religion nachgewirkt habe, klingt gelegentlich an, ohne doch konsequent durchgeführt zu werden. »Religion« und »Initiation« werden fast zu Synonymen; die Begriffserweiterung hat ihren Reiz, wirft aber auch Fragen auf, die I. nicht stellt: Integration der Individuen in die gesamte menschliche Ge­mein­schaft samt ihrer Kontinuitätswahrung durch die Ahnen ist ihm deckungsgleich mit religiöser Initiation – dass diese auch im alten Afrika zugleich ausgliederte und die Initiierten von der profanen Welt und Gesellschaft trennte, wird nicht thematisiert. Es fehlt fast vollständig die politische Dimension der Kirche in Afrika heute: Die Liturgie wird inkulturiert in eine ländlich-homogene Igbo-Welt, die jedenfalls nicht mehr das ganze zeitgenössische Afrika ist.
Formal und sprachlich ist die Dissertation nicht ganz auf der Höhe; es wurde zu wenig Korrektur gelesen. Kinship ist mit kingship verwechselt, to rob mit to rub. Wiederholt stehen ganze Sätze doppelt im Text; Anmerkungen, Zitate, besonders deutsche, und die Bibliographie sind voll von Flüchtigkeitsfehlern, wie sie in einer Dissertation nicht hätten stehen bleiben sollen.