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Ausgabe:

Oktober/1996

Spalte:

931 f

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Dangl, Oskar

Titel/Untertitel:

Methoden im Widerstreit. Sprachwissenschaftliche Zugänge zur deuteronomischen Rede von der Liebe Gottes

Verlag:

Tübingen: Francke 1993. VIII, 252 S. 8o = Textwissenschaft, Linguistik, Informatik, 6. Kart. DM 68,­. ISBN 3-7720-1956-0

Rezensent:

Erhard Blum

Das Buch beruht auf einer bereits 1984/85 in Wien eingereichten kath.-theologischen Dissertation; die gegenüber der Publikation noch einmal verspätete Anzeige an dieser Stelle geht zu Lasten des Rez.

Die Arbeit hat erklärtermaßen ein methodologisches Anliegen: Sie möchte methodische Ansätze von H. Schweizer und W. Richter miteinander ins Gespräch bringen und damit "einem ,Integrationsmodell´ den Boden bereiten" (1). Dazu werden beispielhaft fünf kürzere Dtn-Abschnitte zur Thematik "Liebe" untersucht, näherhin zu Gottes Liebe zu den Vätern" (Dtn 4,37-38; 10,14-15), "Gottes Liebe zu Israel" (7,7-8; 7,12-13; 23,4-7) und "Gottes und Israels Liebe zum Fremden" (10,16-19). Dabei folgt jeweils auf "Text und Übersetzung" eine synchrone Analyse, orientiert an Richters Beschreibungsebenen ("Wortebene, Wortfügungsebene, Satzebene, Satzfügungsebene"); zugleich wird eine Textgliederung nach Schweizers "Äußerungseinheiten" zugrunde gelegt.

Inhaltlich geht es um eine eingehende grammatische Beschreibung der Komponenten und des Gefüges der ausgewählten Verse. Die dabei auch von den Lesern und Leserinnen geforderte Geduld (allein für die ersten beiden Verse werden 72 S. benötigt) wird man gern aufbringen, wenn ein entsprechender Erkenntnisgewinn zu erwarten ist. Dies kann man, soweit es über grammatisch-theoretische Fragen, etwa der Valenzanalyse von Verben (cf. 236 ff.), hinaus um den interpretatorischen Ertrag für das Textverständnis geht, durchaus kritisch sehen. So setzt die zusammenfassende Deutung der Gottesliebe (233 ff.) z. T. nicht notwendig die vorstehende Analyse voraus, z. T. wird ein Zusammenhang hergestellt, dann jedoch über eine direkte Allegorese der grammatischen Formen; zwei charakteristische Beispiele: "Er [sc. JHWH] liebte Israels Väter (4,37a) und in Treue dazu Israel selbst (7,13a; 23bc). Für letzteres steht bloß ein ePP [sc. enklitisches Personal Pronomen] 2. sg.m. direkt angefügt an das Verb.

Israel hängt in seiner Existenz ganz und gar von Jahwes Liebe ab. Ohne sie hätte es keinen Bestand. Sie bindet beide Partner aufs engste zusammen. Nichts tritt dazwischen." (234) "Sie [sc. die Liebe] dominiert dann über ihn [sc. JHWH], wie die CsV. [sc. Constructus-Verbindung] in 7,8a zum Ausdruck bringt, in der JHWH die Position des dominierten nomen rectum einnimmt." (235) Leichter nachzuvollziehen (im Einzelfall aber nicht weniger problematisch) ist es, wenn die inhaltliche Deutung eine bestimmte grammatische Kategorisierung induziert; so wird das Verb ´aha/eb "lieben" (gewöhnlich den sog. "Zustandsverben" zugerechnet, die je nach Kontext und Tempusgebrauch fientische oder resultative Bedeutung haben können) vom Vf. für die dtn Belege der "Klasse der AV [sc. Aktionsverben]" zugeordnet ­ Begründung: "Lieben läßt sich nicht auf einen Zustand reduzieren. Es besagt eine dynamische Tat/Tätigkeit, die willentlich vollzogen wird." (233)

Grundsätzlich kann freilich einer Textbeschreibung wie der hier vorgelegten als Gewinn angerechnet werden, daß sie gleichsam zur mikroskopisch genauen Wahrnehmung des sprachlichen Gefüges nötigt. Dies gilt selbst dann, wenn das propagierte Instrumentarium häufig gerade an den schon bislang potentiell strittigen Stellen wenig weiterhilft. Dazu gehört im ersten behandelten Text die Frage, wo in Dtn 4,37 der Nachsatz beginnt. Dies wird mit der knappen Auskunft gelöst: "In allen bisher sprachwissenschaftlich untersuchten Fällen zeigt stets w- die Tilgung einer Konj. an." (60) Dem stehen jedoch Gen 28,20 und eine Legion ähnlich evidenter Fälle entgegen. Weitere ­ eher gewichtigere ­ Beispiele ließen sich anführen, bei denen man sich eine Gegenkontrolle mit Hilfe "traditioneller" Sprach- und Textkompetenz gewünscht hätte. Der von der Untersuchung anvisierte professionelle Adressatenkreis sollte damit jedoch umgehen können.