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Ausgabe:

November/2008

Spalte:

1273–1275

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Chen-Main Wang, Peter [Ed.]

Titel/Untertitel:

Contextualization of Christian­ity in China. An Evaluation in Modern Perspective.

Verlag:

Sankt Augustin: Institut Monumenta Serica; Nettetal: Steyler Verlag 2007. 316 S. gr.8° = Collectanea Serica. Kart. EUR 40,00. ISBN 978-3-8050-0547-0.

Rezensent:

Georg Evers

Dieser Band in der Reihe Collectanea Serica beinhaltet im Wesentlichen die Beiträge zu einem internatonalen Symposium, das im Juni 2002 in Leiden (Niederlande) zur Problematik der Kontextualisierung des Christentums in China veranstaltet wurde. Zur Abrundung der Thematik wurden neben den dort gehaltenen Vorträgen zuzüglich einige weitere Beiträge gesondert angefordert. Im Vorwort beschreibt der Herausgeber Peter Chen-Main Wang die Bedeutung, die der Aspekt der Kontextualisierung, verstanden als »die Interaktion des Textes als Wort Gottes mit dem Kontext als einer spezifischen menschlichen Situation« (7), für die Missionsgeschichtsschreibung im Allgemeinen und für die zu China im Besonderen hat. Die Teilnehmer des Symposiums kamen aus China, Taiwan, Hongkong, Europa, und den USA und vertraten verschiedene wissenschaftliche Disziplinen wie Sinologie, Theologie, Missionswissenschaft, Religionswissenschaft, Philosophie, Politologie und Geschichte. Der Thematik »Kontextualisierung« entsprechend beinhalten die Beiträge Fallstudien zu einer breiten Palette an Themen wie Missionsmethoden, biographische Studien zu einzelnen Missionaren und chinesischen Christen, zur Kirchenmusik, zur Bedeutung der Medizin in der Missionsarbeit, zur Rolle von Schule und Erziehung, zum Verhältnis von Staat und Kirche sowie zur Kirchengeschichtsschreibung. Die Vielfalt der angesprochenen Themen wird auf vier Hauptteile verteilt.
Im ersten Teil geht es um die frühe Mission des Christentums in China. Claudia von Collani beschreibt die Entwicklung von der Akkommodationsmethode der Jesuitenmission hin zu einer eigenständigen chinesischen Theologie. Dabei behandelt sie die Beiträge von Matteo Ricci (1552–1610), Giulio Aleni (1582–1649), Yang Tingyun (1562–1627) und den Beitrag der sog. »Figuristen« (Joachim Bouvet u. a.). Auch wenn diese Entwürfe heutigen theologischen Ansprüchen nicht mehr entsprechen, stellen sie doch wichtige Vorarbeiten einer kommenden chinesischen Theologie dar.
Vincent Shen untersucht mit Hilfe der Kategorie der »Verfremdung« (strangification) die Missionsmethode von Matteo Ricci (47–69). Der Beitrag von Ricci und seinen Gefährten bestand zunächst einmal darin, als Teil ihrer Missionsmethode westliche Naturwissenschaft und Technik nach China vermittelt zu haben. Von größerem Einfluss war jedoch der Beitrag auf dem Gebiet der Ethik und Moral, vor allem aber auf dem Gebiet der Gotteslehre und der Anthropologie. Auch wenn Matteo Ricci letztlich gescheitert ist, bleibt sein Beitrag, auf den anderen in seiner Andersheit zu achten, doch ein wichtiger Impuls für die interkulturelle Begegnung und für den interreligiösen Dialog heute.
Im zweiten Hauptteil – Ansätze einer Kontexualisierung – finden wir drei Beiträge. Ch. Grundmann untersucht die Bedeutung der Medizin in der Missionsarbeit in China im 19. Jh. Grundmann versteht den Einsatz der christlichen Mission auf dem Gebiet von Gesundheit und Medizin als Ausdruck der Bemühung um Kontextualisierung der christlichen Botschaft, da das Engagement auf dem Gebiet der Heilung eine direkte Antwort auf die Herausforderungen der Situation vor Ort war. Im zweiten Beitrag be­schreibt J. E. Geddes am Beispiel des Kirchengesangbuchs der presbyterianischen Kirche in Taiwan die Bemühungen um Kontextualisierung in der Kir­chenmusik. Über den lokalen Rahmen von Formosa/Taiwan hinaus kommt diesen Bemühungen auch Bedeutung für die Kontextualisierung der Kirchenmusik in ganz China zu. Der dritte Beitrag kommt von J. G. Lutz, der die Bedeutung einer historischen Neubewertung des Beitrags der christlichen Universitäten in China behandelt, die in den letzten Jahren von einer vornehmlich negativen Sicht zu einer ausgewogeneren Würdigung geführt hat.
Im Teil III werden die Beiträge von Einzelpersönlichkeiten auf dem Gebiet der Kontexualisierung des Christentums in China behandelt. In einem kritischen Beitrag beschreibt P. Chen-Main Wang die Rolle von Bischof Frederick Rogers Graves (1858–1940), Bischof der Amerikanischen Episkopalischen Kirche in Shanghai, in der Auseinandersetzung mit der antichristlichen Bewegung und mit dem Bemühen, den einheimischen chinesischen Christen größere Mitbestimmung in kirchlichen Angelegenheiten einzuräumen. Die Haltung von Bischof Graves, sich diesen Strömungen zu widersetzen, wird als ein negatives Beispiel für Widerstand gegen Kontextualisierung seitens der westlichen Missionare in China gesehen. Am Beispiel von drei chinesischen Pastoren der anglikanischen Kirche zeigt E. Yihua Xu das Problem der ersten chinesischen Theologengeneration auf, die in westlicher Theologie ausgebildet sich mit der Aufgabe einer Kontextualisierung des Christentums in China sehr schwertat. Als Drittes behandelt R. Cook den Beitrag des chinesischen Evangelisten Wang Mingdao (1900–1991), der auf der einen Seite dem amerikanischen Fundamentalismus verhaftet blieb, aber andererseits durch die Gründung einer von ausländischer Mission unabhängigen Gemeinde, durch Predigteinsätze in ganz China, durch die Ausbildung von chinesischen Predigern und durch Publikationen viel zur Kontextualisierung des Christentums in China beitrug, auch wenn er keinen Beitrag zu einer authentisch chinesischen Theologie hat leisten können.
Teil IV behandelt in drei Beiträgen das Problem der Beziehung zwischen Kirche und Staat im chinesischen Kontext. Der erste Beitrag von R. Entenmann untersucht die Situation der Katholiken in der Provinz Sichuan während der Weißen-Lotus-Rebellion (1796–1805). Die chinesischen Katholiken, die zu dieser Zeit als heterodoxe Religion nur geduldet waren, standen auf Seiten der kaiserlichen Regierung und unterstützten den Kampf gegen die Rebellen. Der zweite Beitrag von R. G. Tiedemann greift einen am Anfang des 20.Jh.s in Nordchina ausgebrochenen antichristlichen Konflikt auf Lokalebene auf, bei der Pang Sanjie, der vom Banditen zum Protektor der christlichen Mission wurde, eine zentrale Rolle spielte. Das Beispiel belegt, wie sehr die Bekehrung zum Christentum wegen der Protektion der christlichen Mission durch ausländische Mächte in lokalen Machtkämpfen eine attraktive Option war, da Neokonvertiten sich persönliche Vorteile durch den Anschluss an das Christentum versprachen. Beatrice Leung behandelt im letzten Beitrag die Situation des Christentums in der Zeit nach Mao Ze­dong (1893–1976) unter dem Gesichtspunkt von Legalismus und Akkommodation. Anders als in der Zeit von Mao, wo die Interessen und Kampagnen der Partei außerhalb der Gesetze standen, versuchten seine Nachfolger die Religionen und vor allem das Chris­tentum durch Regeln und gesetzlichen Vorgaben zu kontrollieren. Bestimmend für die Religionspolitik war, dass die Religionen, das Christentum eingeschlossen, sich dem sozialistischen System anzupassen und den Interessen der Partei (und des Staates) zu dienen haben.
Im Rückblick gesehen wird dieser Band der in der Einleitung von P. Chen-Main Wang vorgegebenen Zielsetzung, das Problem der Kontextualisierung des Christentums in China von verschiedenen Seiten und aus unterschiedlichen historischen Kontexten zu beleuchten, im Wesentlichen gerecht. Die beiden Beiträge im ersten Hauptteil eröffnen die Fragestellung und zeigen, wie die ersten Versuche der frühen Chinamission das Problem der Verwurzelung des Christentums in China zwar anpacken, aber aus verschiedenen Gründen nicht haben lösen können. Die drei Beispiele von Bemühungen der Kontextualisierung auf den Gebieten der Medizin, der Kirchenmusik und der Erziehung bleiben punk tuelle Hinweise, welche die damit verbundenen Fragen aber durchaus ansprechen und auch ansatzweise beantworten. Bei der Auswahl der drei Einzelpersonen im Teil III wird man immer fragen können, wie beispielhaft die ausgewählten Personen sind, da sich natürlich eine Fülle anderer Biographien angeboten hätte. In jedem Fall helfen sie, einzelne Aspekte der mit der Kontextualisierung verbundenen Probleme zu beleuchten. Die Problematik von Kirche und Staat im Teil IV führt zunächst in die Vorgeschichte und dann in die aktuelle Problematik des heutigen China ein, wo die Frage des Verhältnisses von Christentum zu staatlicher Gewalt ein im­mer noch ungelöstes Problem darstellt. – Hilfreich ist, dass bei allen Beiträgen eine knappe Zusammenfassung in chinesischer Sprache gegeben wird und sich am Ende ein Verzeichnis der Autoren und ein Glossar für Begriffe und Namen finden.