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Ausgabe:

November/2008

Spalte:

1232–1234

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Fischer, Peter

Titel/Untertitel:

Philosophie der Religion.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2007. 236 S. kl.8° = UTB 2887. Kart. EUR 14,90. ISBN 978-3-8252-2887-3.

Rezensent:

Friederike Nüssel

Mit Blick auf die vielfältige und vielschichtige Aktualität, die das Thema Religion in den letzten Jahren in öffentlichen Diskursen gewonnen hat, möchte dieses Buch die verschiedenen religionsphilosophischen Debatten strukturieren und »systematische und his­torische Gesichtspunkte der Religionsphilosophie zu einer Synthese führen« (Vorwort, 9).
Die Kapitel 1 und 2 leisten begriffliche Vorklärungen und bieten eine typologische Einordnung verschiedener religionsphilosophischer Zugänge. In den Kapiteln 3–6 werden klassische Themen der Religionsphilosophie vorgestellt, und zwar zuerst die Gottesbeweise und ihre Kritik durch I. Kant, sodann die Konzepte der Theodizee von P. Bayle, G. W. Leibniz und I. Kant, weiter die insbesondere in einem anonymen Traktat über die drei Betrüger Mose, Jesus und Mohammed greifbare radikale Religionskritik der Aufklärung und schließlich der Glaube der praktischen Vernunft bei I. Kant. Die Kapitel 7–9 sortieren und präsentieren psychologische und neurologische, evolutionäre und geschichtsphilosophische sowie sozial-funktionale Modelle reduktionistischer Religionsdeutung. Dabei macht der Vf. im Rekurs auf die neurologische Religionsforschung von Andrew Newberg und auf evolutionstheoretische Deutungen, die nicht »mehr aufklären können als die natürlichen Voraussetzungen kultureller Entwicklungen« (135), geltend, dass Be­schreibung und Deutung der kulturellen Entwicklung der Ge­schichtswissenschaft und Geschichtsphilosophie obliegen. Als ersten Vertreter der geschichtsphilosophischen Religionsdeutung führt er G. E. Lessing an, um sodann an A. Comte zu zeigen, wie geschichtsphilosophische Deutungen in gesellschaftstheoretische münden. Als sozial-funktionale Modelle reduktionistischer Religionsdeutung stellt er schließlich die Konzepte von E. Durkheim und N. Luhmann vor. Im Kapitel 10 kommen mit R. Carnap und E. Cassirer geltungsphilosophische Konzepte zur Sprache. Anthropologisch verankerte Religionsdeutungen demonstriert unter Bezug auf L. Feuerbach, F. Schleiermacher, A. Gehlen und H. Plessner das 11. Kapitel. Am Ende dieses Kapitels entwirft der Vf. selbst auf zwei Seiten eine »[a]bschließende Bestimmung eines philosophischen Begriffs der Religion« (211). Religion sei »jene geistig-symbolische Aneignung der Welt, mit der der Mensch versucht, seinen utopischen Standort zu überwinden, indem er einen Halt im Absoluten (Gott, Transzendenz) konstituiert« (ebd.). An der Stellung der Religion in der Kultur zeige sich dabei »das bleibende und insbesondere moderne Problem, wie es dem Menschen gelingen kann, seinen utopischen Standort radikal anzuerkennen, ohne sein Leben als letztlich sinnlos anzusehen und ohne dem Wertnihilismus zu verfallen« (211 f.). Religiöse Toleranz sei dabei »ein Gebot der Menschlichkeit« (212). Die Grenzen der Toleranz könnten allerdings nicht von den Religionen gesetzt werden, »sondern nur durch eine vom religiösen Glauben … unabhängige Moral« (ebd.). Auch wenn sich für religiöse Glaubensinhalte keine universellen Geltungsansprüche rechtfertigen ließen, sei nicht auszuschließen, »dass Religionen moralische Orientierungen enthalten können, die religionsunabhängig akzeptabel sind« (ebd.). Unter diesem Vorzeichen wendet sich der Vf. im letzten Kapitel dem Verhältnis von Religion und Politik und dem Problem der Politischen Theologie zu und stellt C. Schmitts Politische Theologie, J. Habermas’ verfahrensrationalen Rechtsbegriff und J. Derridas postmoderne Vernunftkritik und Religionsdeutung vor.
Die vom Vf. getroffene Auswahl religionsphilosophischer Konzepte beansprucht zwar nicht historische Vollständigkeit, wohl aber Vollständigkeit im »Hinblick auf eine Typologie der Religionsdeutung« (10). Ob Ansätze wie der von G. W. F. Hegel, der nur am Rande vorkommt, darin angemessen eingeordnet sind, ist zu fragen. Damit verbunden kommt aus meiner Sicht der Gedanke zu kurz, dass die Religionen selbst ihren Geltungsanspruch von dem jeweils in Anspruch genommenen religiösen Inhalt abhängig wissen, so dass jede Bestimmung der Funktion von Religion(en), die von diesem Inhalt absieht, abstrakt zu bleiben droht. Unbeschadet dessen bietet der Vf. jedoch in präzisen und gut lesbaren Darstellungen der einzelnen Positionen einen Einblick in religionsphilosophische Grundfragen, der zu weiterer Beschäftigung mit der Religionsthematik anregt.