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Ausgabe:

November/2008

Spalte:

1204–1206

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Nicolai de Cusa

Titel/Untertitel:

Opera Omnia. XVII. Sermones II (1443–1452). Fasc. 5: Sermones LXII–LXXV. Hrsg. v. M.-A. Aris, H. Hein u. H. Schnarr.

Verlag:

Hamburg: Meiner 2006. III, S. 343–461. 4°. Kart. EUR 148,00. ISBN 978-3-7873-1652-6.

Rezensent:

Karl-Hermann Kandler

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Nicolai de Cusa: Opera Omnia. XVII. Sermones II (1443–1452). Fasc. 6: Sermones LXXVI–CXXI. Hrsg. v. H. Hein u. H. Schnarr. Hamburg: Meiner 2007. S. 463–609. Kart. EUR 178,00. ISBN 978-3.7873-1732-5.
Nicolai de Cusa: Opera Omnia. XVIII. Sermones III (1452–1455). Fasc. 5: CXCIII–CCIII. Hrsg. v. S. Donati u. I. Mandrella. Hamburg: Meiner 2005. III, S. 389–455. 4°. Kart. EUR 118,00. ISBN 3-7873-1711-2.
Nicolai de Cusa: Opera Omnia, XVIII. Sermones III (1452–1455). Fasc. 0: Indices. Hrsg. v. J. Leicht mit Hilfe v. H. Hein. Hamburg: Meiner 2007. XXII, S. 457–644. 4°. Kart. EUR 238,00. ISBN 978-3-7873-1733-2.
Nicolai de Cusa: Opera Omnia, II. Apologia Doctae Ignorantiae. Editio stereiotypa praefatione editoris altera et addendis corrigendisque aucta. Hrsg. v. R. Klibansky. Hamburg: Meiner 2007. XXXVI, 49 S. 4° Kart. EUR 128,00. ISBN 978-3-7873-1788-2.
Nicolai de Cusa: Opera Omnia, XV. Opuscula III. Fasc. 2: Opus­cula Ecclesiastica. Hrsg. v. H. G. Senger. Hamburg: Meiner 2007. XXXVII, 124 S. 4° Kart. EUR 186,00. ISBN 978-3-7873-1730-1.


Nachdem die Arbeit an der Edition der Opera omnia des Nikolaus von Kues insgesamt und auch die seiner Sermones 2004 offiziell beendet werden konnte, liegen nun die letzten Faszikel der Predigt­edition vor, dazu auch der Registerband zu Band XVIII. Ein großes Werk ist vollendet!
Schon wiederholt ist in dieser Zeitschrift auf die Bedeutung des Predigtwerkes von Nikolaus aufmerksam gemacht worden, vor allem auch darauf, dass seine philosophisch-theologischen Ge­dankengänge ohne Berücksichtigung seiner Predigten nur unzureichend gewürdigt werden können. Das haben inzwischen auch Phi­losophen einsehen müssen, die früher sein Predigtwerk als unwichtig abgetan hatten in der Annahme, die Predigten enthielten keine wesentlich neuen Gedanken. Das mag zwar stimmen, aber das, was Nikolaus in seinen Schriften ausführt, wird durch die Predigten häufig präzise erläutert.
Die im Faszikel 5 von Band XVII enthaltenen Predigten stammen aus den Jahren 1446–1449 und wurden an verschiedenen Orten gehalten, so vor allem in Mainz (man spricht vom Mainzer Predigtzyklus), möglicherweise auch im Kloster Schönau, in Frankfurt am Main und schließlich in Koblenz (wo Nikolaus noch Dechant an St. Florin war); manche Predigten können nicht genau datiert und lokalisiert werden. Faszikel 6 enthält die Predigten, die Nikolaus, inzwischen zum Kardinal ernannt, auf seiner berühmten Legationsreise durch Deutschland an verschiedenen Orten 1451/52 ge­halten hat.
Während von den Mainzer Predigten recht ausführliche Ma­nuskripte vorhanden sind, liegen von den Predigten der Legationsreise häufig nur kurze Notizen, ja nur Gliederungspunkte vor. Trotzdem hat Nikolaus die meisten seiner Predigten für so wichtig gehalten, dass er sie hat aufbewahren lassen. Manche Predigten sind freilich auch Nachschriften seiner Hörer. Die Predigten sind meist in lateinischer Sprache überliefert, doch lässt z. B. Sermo LXXVI erkennen, dass Nikolaus wohl allgemein deutsch gepredigt hat (vgl. V. Mertens: Die Predigten des Nikolaus von Kues im Kontext der volkssprachlichen Kanzelrede, in: MFCG 30 [2006], 171–190, bes. 181 – s. ThLZ 132 [ 2007], 679 f.).
Es ist davon auszugehen, dass der Kardinallegat auf seiner Reise kaum Zeit hatte, sich intensiv auf seine Predigten vorzubereiten, so dass er offensichtlich sich häufig nur ein paar Gedanken notierte. Aber aus zeitgenössischen Quellen wissen wir, dass die Leute zu seinen Predigten strömten. Ob das an der Qualität seiner Predigten lag oder doch nur Neugier an der Person eines Kardinallegaten war, wer mag das heute noch beurteilen? Ja, dass er volksnah predigen konnte, zeigt seine »Weinpredigt« (XCVIII). Die Predigten auf der Legationsreise waren zumeist Homilien. Quellen lassen sich kaum nachweisen, wahrscheinlich hat Nikolaus meistens aus seinem Gedächtnis geschöpft. Er konnte auch sehr spontan predigen, so in Regensburg, als dort ein Totschlag die Gemüter erregte (Sermones LXXIX A und B).
Von Band XVIII liegt nun auch der umfangreiche Registerband vor. Ist schon die Arbeit an den bei der Predigtedition üblichen drei Apparaten äußerst mühsam, so gilt das ebenso vom Erstellen der acht Indizes. Hier bleiben wohl wirklich keine Wünsche offen. Dem Registerband sind Vorwort und ein Abkürzungsverzeichnis, ein ausführliches Inhaltsverzeichnis und zwischenzeitlich bekannt gewordene Corrigenda beigegeben. – Alle, die sich mit dem Predigtwerk des Nikolaus befassen, werden den Bearbeitern herzlich für ihre Arbeit danken und darauf hoffen, dass die letzten beiden Registerbände (zu XVII und XIX) auch noch bald erscheinen.
Sehr erfreulich ist, dass nun doch die Apologia doctae ignoran­tiae in einem Nachdruck erschienen ist. Diese Schrift war als erste der Opera bereits 1932 erschienen. Durch die Zerstörung Leipzigs im 2.Weltkrieg waren die Bestände des damals in Leipzig beheimateten Verlags vernichtet worden. Der Band war also seit Jahrzehnten nicht mehr zu haben.
Der Editor von 1932 – Raymond Klibansky (†2005) hatte vor vielen Jahren auf Verlagsbitte hin zugesagt, eine zweite Aufage der Schrift herauszugeben. Bis 1995 verfasste er dafür eine neue Prae­fatio, auch erarbeitete er einige Änderungen am Text und an den Apparaten. Die heutigen Herausgeber – W. Beierwaltes und H. G. Senger – haben sich mit dem Verlag entschlossen, nun eine Editio stereiotypa herauszugeben, dabei lediglich das neue Vorwort Klibanskys abzudrucken und ebenso seine Zusätze und Korrekturen zu einzelnen Stellen, diese aber nicht im laufenden Text, sondern im Anhang. Das ist wohl eine weise Entscheidung, so können die Ausgaben von 1932 und von 2007 gut nebeneinander verwendet werden.
Die Schrift stellt die Antwort von Nikolaus auf die heftigen An­griffe dar, die einst Johannes Wenck von Herrenberg im Geist der thomanischen Scholastik gegen die cusanische Schrift De docta ignorantia vorgebracht hatte. Inzwischen war Nikolaus zum Kardinal erhoben. Jetzt konnte er durchaus mit gestärktem Selbstbewusstsein dem Heidelberger Kritiker entgegentreten. Wenck hatte ihm 1443 in seiner Schrift De ignota litteratura gleichsam einen Pantheismus vorgeworfen (der Begriff selbst stammt aus wesentlich späterer Zeit). Ja, er wagte es, sogar Meister Eckhart namentlich zu zitieren und zu verteidigen (man habe bei ihm »niemals gelesen, dass das Geschöpf mit dem Schöpfer identisch sei«, n. 36: 25, Z. 8 f.), obwohl Sätze von ihm 1329 verurteilt worden waren. Er erklärt »docta ignorantia« mit »comprehensibilis incomprehensibilitas« in der Apologie (n. 16: 12), doch wird man damit keine Sinnveränderung sehen können. Die Apologie ist ein wichtiger Kommentar zu De docta ignorantia. – Weil es sich um eine Editio stereiotypa handelt, sind die Indizes wesentlich kürzer gefasst, als sie heute im Rahmen der Edition der Opera omnia üblich sind; nur ein Index der Namen und der von Nikolaus verwendeten Autoren ist beigefügt. Trotzdem ist die Neuausgabe der Apologie aus den genannten Gründen sehr zu begrüßen.
In den Opuscula ecclesiastica werden zwei Schriften abgedruckt, zuerst der Brief an Rodrigo Sanchez de Arevalo (bisher – außer in zwei Ausgaben des 16. Jh.s – ediert von G. Kallen in den Sitzungsberichten der Heidelberger Akademie, Cusanus-Texte II, 1, 1935/36) und dann die für die reformatorische Theologie wichtige Reformatio generalis (bisher ediert u. a. von St. Ehses: Der Reformentwurf des Nicolaus Cusanus, HJ 32 [1911], 274–297). In dieser Spätschrift hat Nikolaus eine Rechtfertigungslehre entworfen, die sicher (noch) nicht die der lutherischen Reformation ist, ihr aber erstaunlich nahekommt. Er schreibt: »... quod nemo iustificatur nisi quem ipse in merito mortis suae iustificaverit. Hic et cum apostolo dicere poterit se nihil scire‚ nisi Christum et hunc crucifixum«. Dies sei das »höchste und vollkommene Wissen« (n. 2:22). Die Kirche wird als corpus Christi mysticum beschrieben (n. 6). Es sollen Visitationen durchgeführt werden (n. 7). Dazu stellt Nikolaus 14 Regeln auf (n. 8–22). Der Papst ist verpflichtet zur Reformation (n. 23–25). Die Aufgaben der Kardinäle werden beschrieben (n. 25–30). Schließlich schlägt er Verbesserungen innerhalb der Kirche Roms (n. 31) vor und gibt Ratschläge für die Arbeit der Kurie (n. 32–35).
Den Brief an Roderich hat Nikolaus auf dem Frankfurter Reichstag 1442 geschrieben. Im Unterschied zur Schrift De concordantia catholica von 1533, die konziliaristisch geprägt war, stellt Nikolaus nun die Gewalt des Papstes in den Mittelpunkt seines Kirchenbegriffs. Die Reformatio von 1459 ist ein Entwurf für eine päpstliche Bulle zur Reform der Kurie und der Kirche von Rom. Im Grunde soll sie Muster sein für eine Reform aller Diözesan- und Partikularkirchen. Ihm geht es in ihr generell darum, das Kollegialprinzip durchzusetzen. Verfasst hat er sie im Auftrag seines Freundes Enea Silvio Piccolomini alias Papst Pius II. Der Verlauf der Kirchengeschichte erweist, dass die Ratschläge von Nikolaus damals keinen Anklang fanden. Ob dann, wenn sie beherzigt worden wären, es nicht zur Reformation gekommen wäre, bleibt eine müßige Spekulation.
Der Herausgeber hat, wie stets, eine gute Einleitung verfasst, die über die Entstehung der Schriften, ihre Überlieferung und Re­zeption Auskunft gibt wie einen Überblick auf ihren Inhalt. Sechs Indizes sind beigegeben, so dass die Arbeit mit dieser Edition leicht fallen wird. Dem Herausgeber ist der Dank aller gewiss, die sich mit den von ihm edierten Schriften künftig beschäftigen werden.