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Ausgabe:

November/2008

Spalte:

1202–1204

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Heimann, Heinz-Dieter, Neitmann, Klaus, Schich, Winfried, Bauch, Martin, Franke, Ellen, Gahlbeck, Christian, Popp, Christian u. Peter Riedel [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Brandenburgisches Klos­terbuch. Handbuch der Klöster, Stifte und Kommenden bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts. 2 Bde.

Verlag:

Berlin: bebra wissenschaft 2007. 1484 S. m. 458 Abb. 4° = Brandenburgische Historische Studien, 14. Geb. EUR 128,00. ISBN 978-3-937233-26-0.

Rezensent:

Johannes Schilling

Die Erforschung monastischer Institutionen hat in den letzten Jahren zu einer Reihe von neuen Klosterbüchern geführt (vgl. Jo­hannes Schilling, Reformation und Mönchtum. ThLZ 132 [2007], 235–250, hier 237 ff.), in denen der Ertrag zum Teil jahrzehntelanger Arbeit gesammelt und neue Forschungsimpulse gegeben wurden. Diese Klosterbücher werden jetzt vermehrt und übertroffen von dem Brandenburgischen Klosterbuch, das nach nur fünfjäh­riger Arbeit in stattlichem Umfang, vorzüglicher Ausstattung und hervorragender wissenschaftlicher Qualität vorgelegt wurde.
Es handelt sich um ein Gemeinschaftswerk von mehr als 70 Autorinnen und Autoren sowie der Redaktion. Dabei wurde nicht nur der bekannte Forschungsstand dokumentiert; in zahlreichen Fällen konnten die Kenntnisse deutlich vermehrt werden. In der Erarbeitung des Ganzen und seiner Teile wurden sowohl siedlungsgeschichtliche Fragen als auch solche der Denkmalpflege, Archäologie, Bauforschung, Kunst-, Bibliotheks- und Archivgeschichte behandelt. Diese interdisziplinäre Zusammenarbeit ist in einem solchen Projekt neu, und sie hat sich ausgezahlt.
Das Werk umfasst im Wesentlichen »die im Mittelalter ausgebildete historische Landschaft Brandenburgs in ihrer politisch-territorialen Gestalt« (8) in der Ausdehnung um 1500. Dazu kommen andere, auf dem Gebiet des heutigen Landes Brandenburg liegende Institutionen. Zeitlich reichen die Darstellungen vom späten 10. Jh. bis in die zweite Hälfte des 16. Jh.s; anders als etwa in der Landgrafschaft Hessen wurden die monastischen Institutionen beim Übergang Brandenburgs zur Reformation nicht sämtlich säkularisiert (freilich nahm Kurfürst Joachim II. 1539 den reformatorischen, will sagen: lutherischen und nicht den »reformierten« [so 9] Glauben an.)
Nach einer Einleitung, die das Programm des Klosterbuchs vorstellt, folgen zwei Überblicksartikel: Hans-Joachim Schmidt, Klös­ter, Stifte und Orden in der Mark Brandenburg, sowie Winfried Schich, Höfe nichtbrandenburgischer Klöster und Orte mit dem Namen ›Münchehofe‹ in Brandenburg. Den Hauptteil des Werks bilden die einzelnen Monographien über 106 Klöster, Stifte und Kommenden (Beginenhäuser und andere semireligiose Gemeinschaften wurden nicht mit eigenen Artikeln bedacht), die nach einem einheitlichen, differenzierten Schema (715 f.1483 f.) behandelt werden. Je nach Überlieferung, Bedeutung der Institute und Bearbeitern fallen diese Artikel unterschiedlich ausführlich und verschieden gewichtet aus. Zu den Hauptorten gehören das Zisterzienserkloster Lehnin und die geistlichen Institute in Brandenburg und Stendal, Prenzlau, Salzwedel und Tangermünde. Daneben treten aber auch die kleineren (Bettelordens-)Klöster erstmals in das ihnen gebührende Licht – die »religiöse Codierung« (12) der Landschaft erfolgte eben nicht nur durch die großen Klöster.
Die Besonderheit – und bislang Einzigartigkeit – dieses Klosterbuchs stellen die zahlreichen Karten dar, »das ›Gesicht‹ des Klosterbuchs« (11). Sie verleihen den Ausführungen nicht nur Anschaulichkeit, sondern ermöglichen Einsichten, die durch Beschreibung nicht oder nicht leicht zu gewinnen wären. Im Einzelnen handelt es sich dabei um Karten des Klosterbesitzes, um Stadtpläne, Umgebungskarten, Situationspläne und Grundrisse – besonders reizvoll sind darunter die (mit spezieller Software bearbeiteten) zum Teil farbigen Karten und Pläne aus dem 18. und 19. Jh. –, aus denen auch die Bau- und Nutzungsgeschichte der jeweiligen Gebäude hervorgeht. Daneben gibt es Abbildungen von Handschriften, Siegeln und Ausstattungsstücken der Kirchen.
Die Gesamtbibliographie am Ende des Bandes verzeichnet ca. 3000 Titel – auch sie eine stupende Leistung. Dass auf Register verzichtet wurde, kann man bei der Fülle der zu erwartenden Einträge verstehen.
Für die Kirchengeschichte von hervorragendem Interesse sind die Ausführungen, die das Klosterbuch jeweils unter der Rubrik »5. Geistliches und spirituelles Wirken« bietet. Da geht es um Einfluss auf andere Institutionen, geistliche Tätigkeit, spirituelle Ausstrahlung und kulturelle Leistungen. In etlichen Fällen muss, wie häufig, auch hier Fehlanzeige erstattet werden; in anderen jedoch findet man, insbesondere für die Zeit seit ca. 1430, reichhaltige Informationen. Für das kirchliche, geistliche und kulturelle Leben, für die Beantwortung der Frage nach Religiosität und Bildung, insbesondere im letzten Jahrhundert vor der Reformation, dürfte eine systematische Auswertung vor allem dieser Kapitel reiche Erkenntnisse versprechen.
Künftige Vorhaben in diesem Bereich werden sich an dem Brandenburger Klosterbuch orientieren und sich auch an ihm messen lassen müssen. Die bisher geäußerten laudationes: »Monumentalwerk«, »Pionierwerk« o. ä. greifen nicht zu hoch für einen solchen Schatzbehalter der Kloster- und Ordensgeschichte – dieses opus ist ein Werk, wie es sein soll.