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Ausgabe:

November/2008

Spalte:

1195–1196

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Rosner, Brian S.

Titel/Untertitel:

Greed as Idolatry. The Origin and Meaning of a Pauline Metaphor.

Verlag:

Grand Rapids-Cambridge: Eerdmans 2007. XIV, 214 S. gr.8°. Kart. US$ 22,00. ISBN 978-0-8028-3374-7.

Rezensent:

Eckart Reinmuth

Brian Rosner, seit 2003 Senior Lecturer in New Testament and Ethics am anglikanischen Moore College im australischen Sydney, hat mit dieser Veröffentlichung eine umfassende Studie zum Verständnis der Wendung ›Habgier ist Götzendienst‹ (Kol 3,5; vgl. Eph 5,5; beide Briefe werden unter der Voraussetzung paulinischer Verfasserschaft behandelt; vgl. dazu lediglich 51, Anm. 11) vorgelegt (vgl. bereits ders., How to get really rich: A Sharp Look at the Religion of Greed, Leicester 1999; Beyond Greed, Sydney 2004, sowie z. B. ›Habsucht – Eine vergessene Sünde‹, Theologische Beiträge 2, 2000, 75–81). Das Werk umfasst drei Teile.
Der erste Teil (Introduction: Orientation and Preparation, 3–66) enthält einen forschungs- und auslegungsgeschichtlichen Abriss sowie eine Skizze der methodischen Folgerungen für die vorliegende Studie: 1. Die Identifikation von Habgier und Götzendienst ist biblisch-jüdischen Ursprungs; sie ist 2. als Metapher zu deuten. Mit der ersten Feststellung verbindet R. die weitreichende Konsequenz, die pagan hellenistische Literatur komplett auszublenden (vgl. 53–55). So zutreffend (und allgemein anerkannt) R.s These eines biblisch-jüdischen Ursprungs der Wendung ist, so wenig kommt in dieser rein genealogischen Sicht der hellenistische Kontext frühjüdischer und -christlicher Auseinandersetzung mit der Habgier in den Blick. Immerhin kennt auch die hellenistisch-römische Kultur eine bevorzugte Auseinandersetzung mit der Habgier (bis hin zu gleichsam theologisch begründeten Verurteilungen; vgl. z. B. Horaz, Ep. 1.6.37; Juvenal, Sat. 1.113; Dio Chrys, Or 67,7.16); in diesem Kontext kann das spezielle Profil von Kol 3,5 weiter erschlossen werden (1Tim 6,10 wird nur beiläufig erwähnt; vgl. z. B. Ps-Phok 42; Philo, spec leg 4,65; Dio Chrys, Or 17,6).
Mit der zweiten Feststellung schließt R. an die gegenwärtige Metapherndiskussion an (59–66). Insofern »greed and idolatry are not equivalent« (59, Anm. 55), bietet sich im Anschluss an Lakoff und Johnson (vgl. dazu 61, Anm. 61) die Kurzdefinition »speaking of one thing in terms of another« (159) an. Sie erschließt zugleich das metaphorische Bedeutungsspektrum beider Begriffe in Teil III (Habgier/ Pleonexia: 103–129; Götzendienst/Eidololatria: 130–148). Im zweiten Teil des Buches (The Origin of the Concept of Idolatrous Greed: A Comparison with Similar Peaks; 69–100) untersucht R. entsprechende alttestamentliche (das erste Dekaloggebot; das Sch ema [Dtn 6,4–5]; Dtn 8,1–14; Ex 32,1–6 [jeweils werden exemplarisch biblische und nachbiblische Rezeptionen aufgeführt]; Dtn 32,1–43; Ps 10; Prov 30,7–9; Hiob 31,24–28; 22,23–30), frühjüdische (Qumran; TestJud 19,1 [vgl. dazu bereits 16–18]; rabbinische Texte; Philo) und neutestamentliche Texte (Synoptiker, Offb 18,1–19,10; Phil 3,19; Röm 16,18). Im Ergebnis zeigen diese Texte als Hintergrund der fraglichen Wendung die große Bedeutung des ersten Gebotes, des Idolatrieverbotes und der Verbindung von Reichtum und Abfall (99).
Der dritte Buchteil (The Meaning of ›Greed Is Idolatry‹: Climb­ing the Mountain; 103–179) bietet nach den o. g. Studien zu den jeweiligen Bedeutungsfeldern von ›Habgier‹ bzw. ›Idolatrie‹ eine abschließende Untersuchung zum Verständnis der Identifikation beider Größen als Metapher. Eine Zusammenfassung (172–179), Bibliographie und Indizes (leider sind nichtbiblische Passagen nicht aufgenommen) schließen die Studie ab.
Einer ihrer großen Vorzüge ist die kompakte Erschließung der in Kol 3,5 (vgl. Eph 5,5) expliziten metaphorischen Identifizierung von Habgier und Idololatrie, der Darstellung wesentlicher Bedeutungskomponenten sowie wichtiger Stationen ihrer Vor- und Nachgeschichte (zu dieser vgl. die rezeptionsgeschichtlichen Skizzen von der Alten Kirche bis in die Gegenwart [7–47] und die über das Werk verstreuten Hinweise [z. B. 153.155.174.176 und pass.]). R. bemüht sich darüber hinaus, die Aktualität der Warnung vor der Habgier als Götzendienst herauszustellen. Er skizziert exemplarisch Idolatriekonzepte in der theologischen Moderne (140 ff.), um abschließend Götzendienst als »an attack on God’s exclusive right to our love and trust« (148; orig. kursiv) zu definieren. Damit wird eine religiöse Binnenorientierung festgelegt, die den Aktualisierungsversuch R.s weitgehend bestimmt. Die Frage nach gesellschaftlichen und politischen Konsequenzen (vgl. dazu 156 f.; in einem Exkurs werden im Anschluss an E. I. Bailey »greed, and the related modern system of thought and behavior, materialism« als Phänomene einer »implicit religion« interpretiert [167–171; Zitat 168], der das Verbot des Götzendienstes heute [vgl. 174] gilt) führt in dieser Perspektive kaum zu einem kritischen und konstruktiven Dialog, sondern zu einer Symptombeschreibung, der die – letztlich nur individual- und gemeindeethisch realisierbare – Warnung vor Habgier und/als Götzendienst entgegengestellt wird. Hier zeichnen sich Fragen ab, die unter Berücksichtigung sowohl des weiteren Kontextes der hellenistisch-römischen Kultur (s. o.) als auch der gesellschaftspolitischen wie -analytischen Möglichkeiten der Interpretation neutestamentlicher Texte zu stellen sind.