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Ausgabe:

November/2008

Spalte:

1182–1183

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Joo, Samantha

Titel/Untertitel:

Provocation and Punishment. The Anger of God in the Book of Jeremiah and Deuteronomistic Theology.

Verlag:

Berlin-New York: de Gruyter 2006. XIV, 319 S. gr.8° = Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft, 361. Lw. EUR 88,00. ISBN 978-3-11-018994-0.

Rezensent:

Georg Fischer

Die Studie will, wie der Haupttitel angibt, den Zusammenhang zwischen (Gottes) Gereiztwerden und der Strafe beschreiben, die deswegen über Menschen ergeht. Sie konzentriert sich, entsprechend dem Untertitel, auf deuteronomistische und jeremianische Texte, geht aber in Teil 3 ausführlich auch auf andere biblische Stellen ein (aus Hos 12; Ez 8 und 16; Jes 65; Ps 78 und 106, sowie 2Chr 28). Nicht deutlich wird aus beiden Titeln aber, dass sich die Untersuchung fast ausschließlich auf die Verwendung von סעכ Hi in der Bibel beschränkt; die Angabe »Provocation« weist in diese Richtung, während »Anger of God« demgegenüber falsche Erwartungen weckt.
Die an der Brandeis University 2003 unter D. P. Wright abgeschlossene Dissertation beginnt mit einer Einleitung, die Methodologie, Forschungslage und zu Grunde liegende Annahmen of­fenlegt. In Teil 1 stehen weitere Klärungen am Anfang, darunter eine Übersicht über die sonstigen Vorkommen der Wurzel סעכ so­wie eine extrem knappe Präsentation der Redaktion(en) des deuteronomistischen Geschichtswerkes (26–28). J. rechnet mit einer ersten Redaktion unter Joschija (für sie »DtrH, redaction level one«, oder DtrH1), die später erweitert wurde um die Erklärung des Falls Jerusalems und Samarias (»DtrH, redaction level two«, oder DtrH2).
Auf diesen Grundlagen geht J. die Besprechung aller Stellen mit סעכ Hi an, wobei in Teil 1, zu DtrH1, die Behandlung von Dtn 32 den Anfang macht und die Fluchformeln für die Dynastien Jerobeams, Baschas und Omris folgen. Teil 2 schließt sich an mit DtrH2, wozu neben Ri 2,11–16 und Passagen aus den Königebüchern auch Dtn 4,25–28; 9,18–20 und 31,27–29 gehören sollen. Teil 3 wurde bereits oben erwähnt, Teil 4, für J. »das Herz ihrer Studie« (155), geht auf die sechs einschlägigen Texte in Jeremia ein, die zwischen Kapitel 7 und 44 zu finden sind. Teil 5 fasst am Ende die Ergebnisse zusammen, wobei sich für J. eine Entwicklung ergibt, ausgehend von »temporal instruments« (sie meint menschliche und natürliche Unglücksfälle) für göttliche Strafen an den früheren Stellen über Gott selbst als Handelndem hin zu einem mehr direkten Zu­sam­menhang zwischen der Sünde des Volkes und dem über es ergehenden Gericht bei den späteren Texten. Was die Zerstörung Jerusalems betrifft, lautet ihre Schlussfolgerung im letzten Satz: »Don’t blame YHWH; you only have yourselves to blame.«
J. lenkt mit ihrer Studie die Aufmerksamkeit auf ein theologisch wichtiges Thema. Der Zusammenhang zwischen dem Reizen/Provozieren Gottes durch die menschlichen Vergehen und dem daraufhin erfolgenden Gericht bzw. der Bestrafung berührt Fragen des Gottesbildes und der Theodizee. Dabei nimmt סעכ Hi oft die Funktion eines Angel- bzw. Wendepunktes (»pivot«) ein, was J. sowohl in den Tabellen als auch in den Einzelanalysen gut aufweist. Auch andere ihrer Beobachtungen sind wertvoll, so z. B. die Auflösung des Musters der dynastischen Flüche in der Familie Omris (64).
Allerdings weist die Arbeit ebenfalls erhebliche Schwächen auf: Zwar diskutiert J. intensiv verschiedene Positionen in der Auslegung der einzelnen Stellen und verweist oft auf Literatur, doch fehlen zu Dtn sämtliche Publikationen von dafür so bedeutsamen Autoren wie G. Braulik, N. Lohfink und E. Otto (die Schwierigkeit mit der deutschen Sprache spiegelt sich u. a. in der Bibliographie, wo bei einem Beitrag von H. W. Wolff gleich dreimal der Umlaut »ü« nicht korrekt wiedergegeben wird).
Noch gravierender ist, dass J. die einschlägigen Lexikonartikel zu סעכ, in THAT und TWAT bzw. deren englischen Äquivalenten, nicht kennt oder nicht aufnimmt; diese führen in manchem jedoch bereits über ihre Arbeit hinaus. Dazu kommen Probleme mit der Übersetzung, etwa die Wiedergabe von המחהו ףאה als »fiery wrath« oder von ףצק als »kindle« (beide Beispiele aus Dtn 9,19; vgl. 77) und Anfragen bezüglich der Einordnung mancher Texte, so für Dtn 32 und Ps 78, die zeitlich sehr früh angesetzt werden (28–30 und 142–144), was aber ohne inhaltliche Konsequenzen oder Folgen für die literarischen Bezüge bleibt.
Die Defizite in der Behandlung der in den Titeln angekündigten Thematik werden indirekt auch in den Tabellen C bis F im Anhang deutlich (250–276), wo J. »attestations of divine wrath« für DtrH1, DtrH2, prophetische Bücher und Jeremia auflistet und dabei auch andere Ausdrücke berücksichtigt; leider erfährt dies alles keine an­gemessene Auswertung. So fehlen der Studie wesentliche Voraussetzungen für eine solide Behandlung des Themas.