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Ausgabe:

Oktober/1996

Spalte:

917–920

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

J. Lust, E. Eynikel, K. Hauspie with the collaboration of G. Chamberlain

Titel/Untertitel:

A Greek-English Lexicon of the Septuagint

Verlag:

Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft 1992. LXIII, 217 S. 8o. Kart. DM 38,­. ISBN 3-438-05125-7

Rezensent:

Traugott Holtz

Die Erarbeitung eines umfasssenden LXX-Lexikons hat seit dem Erscheinen des Septuaginta-Vokabulars von F.Rehkopf (s. ThLZ 115, 1990. 670) wichtige Fortschritte gemacht. Den Anspruch, ein "modern, fully-fledged bilingual lexicon of the Septuagint" zu sein, rechtfertigt bislang allerdings nur das auf die Kleinen Propheten beschränkte Werk von T. Muraoka (Löwen: Peeters, 1993). Man kann freilich bezweifeln, daß die isolierte Erarbeitung von umfassenden Lexika zu Einzelschriften oder Schriftengruppen, die wie das Dodekapropheton eine eigene Einheit bilden, der richtige Weg hin zu einer gültigen sprachlichen Erschließung der LXX ist (die allerdings tatsächlich weit entfernt davon ist, eine Einheit mit fest definiertem Umfang zu sein).

Wesentlich stärker mit der Arbeit von Rehkopf verbunden ist das ­ hier leider etwas verspätet ­ vorzustellende Werk. Es entsteht, wie das eben genannte Buch von Muraoka im flämisch-niederländischen Raum. Das Zentrum seiner Erarbeitung ist die Katholische Universität Löwen; zu den Mitarbeitern gehört der holländische Alttestamentler K. Hauspie, in einem joint venture ist G. Chamberlain, U.S.A., in die Arbeit eingebunden. Grundlage des Unternehmens ist eine von der International Organisation for the Septuagint and Cognate Studies (IOSCS) inaugurierte und von R. Kraft und E. Tov beförderte Erfassung des lexikalischen Bestands der LXX, dem sich das Instrument CATSS (Computer Assisted Tools for Septuagint Studies) verdankt. Das bedingt nun freilich eine computergemäße Schablonenhaftigkeit der Angaben, die daraus abgeleitet sind. Das ist angebracht bei den morphologischen Angaben, die jedem Wort beigefügt sind (Wortart, Geschlecht und die Art der Deklination). In diesem Fall dient der Computer nur als Speicher. Als Rechner funktioniert er hingegen bei der Angabe der Zahlen des Vorkommens eines Wortes in dem verarbeiteten Text.

Es sind jeweils sechs Zahlen genannt, die letzte gibt die Gesamtzahl der Belege an; sie ist die Summe der fünf voranstehenden Zahlen. Diese nennen das Vorkommen des Wortes in je fünf Textgruppen von ungefähr gleichgroßem Umfang, in die der Gesamttext der LXX aufgeteilt ist. Die Textgruppen entsprechen mit einer Ausnahme der traditionellen Aufteilung des alttestamentlichen Kanons, nämlich 1. Torah, 2. vordere Propheten (= Geschichtsbücher) einschließlich 1/2Chron., 3. hintere Propheten (= eigentliche Propheten ohne Dan), 4. Schriften (ohne Chronikbücher), 5. deuterokanonische Schriften (unter denen sich bekanntlich neben originalgriechischen auch Übersetzungen aus dem Semitischen befinden). Insbesondere die Angaben zur Torah und zu den deuterokanonischen Schriften, wohl auch die zu den hinteren Propheten (3. Gruppe), vermitteln einen informativen Eindruck; doch muß man sich bewußt bleiben, daß alle Gruppen in sich durchaus unterschiedliche sprachliche (Übersetzungs-)Schichten aufweisen. Ein guter Teil des Wortvorkommens ist auch einfach durch den jeweils zur Sprache gebrachten Gegenstand bedingt. Eine inhaltliche Prüfung der Belege bei der Auswertung der Zahlen ist also durchaus nicht überflüssig.

Die Herkunft der Zahlen aus dem Computer schlägt sich quantitativ darin nieder, daß einige Texte doppelt ausgewertet werden. Das sind alle die, die in der Handausgabe von Rahlfs in unterschiedlicher Textform doppelt geboten werden, also:
Jos B.A.15,22-62. 18,22-19,45; Ri A.B. ; Dan LXX.Th.; TobBA.S SusLXX.Th; BelLXX.Th.

Steht dort das gleiche Wort in beiden Rezensionen, wird es doppelt gezählt, gehört es zu den ersten vier Vorkommen des Wortes in der LXX insgesamt, so sind ­ entsprechend der Art des Computers ­ statt der sonst stets gebotenen fünf Belege nur vier genannt, da dieser eine dann doppelt zählt. Der Wert der Angabe von genau und nur fünf Belegen nach der Reihenfolge ihres Vorkommens ist freilich überhaupt fraglich, jedenfalls bei häufigeren Wörtern. Bei der Präsentation der Übersetzung werden öfters ebenfalls Belege angegeben, gelegentlich, bei selteneren Wörtern, übrigens genau die gleichen wie bereits im Eingang, nur eben mit Angabe ihrer speziellen Bedeutung an dieser Stelle, oft unter Beifügung von weiteren Textteilen. Das ist, obwohl die Lemmata meist nur kurz sind, sehr hilfreich.

Wörter, die auch im Neuen Testament vorkommen, sind markiert, dagegen ist nicht eigens angezeigt, daß sie zwar nicht dort, wohl aber in der übrigen im Wörterbuch von Bauer/Aland erfaßten Literatur belegt sind. Das ist gegenüber dem Vokabular von Rehkopf, in dem das der Fall ist, ein deutliches Minus. Bei Rehkopf sind die Wörter, die nur oder erstmalig in der LXX begegnen "und für die spätere Literatur prägend geworden sind", mit einem Asteriskus gekennzeichnet. Das vorliegende Werk ist hier zu seinem Vorteil differenzierender. Ist ein Wort nur in der LXX und von ihr abhängiger Literatur belegt, ist es am Schluß des zugehörigen Lemma durch "neol." als Neologismus ausgewiesen; ist es in zeitgenössischen Papyri und in der Literatur seit Polybius (etwa Mitte 2. Jh. v. Chr.) neben LXX nachgewiesen, steht "neol.?" J. Lust macht in der Introduction eigens darauf aufmerksam, daß solche Kennzeichnung unsicher sei, da weder die Entstehungszeit der einzelnen Bücher der LXX noch die Datierung paganer Texte, insbesondere von Inschriften, immer sicher ist. Gleichwohl bleiben diese Informationen für die sprachgeschichtliche Einordnung wichtig. Für tiefergrabende Untersuchungen ist der Zugriff auf Liddel-Scott-Jones und das patristische Lexikon von Lampe sowie das Papyrus-Wörterbuch von Preisigke-Kiesling unerläßlich. Darauf weist auch Just hin.

Der lexikalischen Erschließung folgt bei sehr vielen Wörtern als Abschluß ein oft umfänglicher Hinweis auf einschlägige Literatur (einschließlich Kommentare) sowohl sprachlichen als auch inhaltlichen Charakters. Die Hinweise werden über eine ausgebaute Bibliographie (33 S.) erschlossen, die für die Arbeit an der LXX überhaupt sehr nützlich ist.

Die Literaturhinweise haben besondere Bedeutung für einen eigenen, gewichtigen Teil zahlreicher Lemmata, in dem Abweichungen des griechischen Texts von der semitischen Grundlage, wie sie die BHS zur Stelle bietet, mit Blick auf die Möglichkeit, daß aus irgendeinem Grunde (z.B. Schreib-, Lese- oder Hörfehler) ein anderer semitischer Text von dem LXX-Text vorausgesetzt ist, diskutiert werden. Daneben werden vom semitischen Text her begründete Vermutungen zu innergriechischen Textänderungen geäußert. Dieser Teil ist besonders interessant, in ihm kommt die einschlägige Forschung zum Zuge. Dabei ist der Nutzen für die Geschichte des semitischen Textes des Alten Testaments wohl mindestens so groß wie für die Erforschung des griechischen Textes. Doch fällt auch auf ihn dabei natürlich manch erhellendes Licht.

Ein Problem, das gerade angesichts des letztgenannten Teils deutlich hervortritt, wird von Lust in dem Teil II "Translation Greek" seiner Introduction prägnant und informativ besprochen. Ein LXX-Lexikon soll die Bedeutung der Wörter, die die LXX gebraucht, wiedergeben. Nur: "which meaning should be given, the one intended by the translator or the one understood by the reader for whom it was intended?" (VIII). Der fundamentale Unterschied zwischen beiden gründet darin, daß der Erste, der Übersetzer, hebräisch (bzw. Aramäisch) kann und daß das Bedeutungsfundament seines Textes ihm hebräisch/ aramäisch vorgegeben ist, der Leser seines Textes aber in der Regel Hebräisch/Aramäisch nicht kann, er ihn daher rein aus dem griechischen Sprachhorizont heraus versteht. Gewiß ist dieser wiederum durch die Sprache des Übersetzers der LXX mitbestimmt, aber es hat sich doch das Übersetzungsgriechisch der LXX gewandelt zum (in sich durchaus differenzierten) Judengriechisch. Beides aber ist nicht einfach das gleiche. Das anzuzeigende Lexikon macht diesen Tatbestand in spannender Weise bewußt.

Die gravierendste Frage an das Werk ergibt sich nach meinem Urteil von seiner Textgrundlage her. Diese ist allein die der Rahlfschen Handausgabe. Jedes Wort dieses Textes (einschließlich Ps 151 und Od) ist erfaßt (auch die bei Hatch-Redpath mit "passim" bezeichneten, bei Rehkopf übergangenen häufigen Wörter), aber eben auch nur diese. Tatsächlich steht auch keine andere einheitliche Gesamtausgabe der LXX für ein Werk wie das vorliegende zur Verfügung, da die exzellente Ausgabe von Swete dafür gerade wegen ihrer Vorzüge ungeeignet ist; aber das kann das Problem der Ausgabe von Rahlfs, einen ungesicherten, z. T. willkürlichen Text zu bieten, nicht verdecken. Die Introduction verheißt freilich, daß die Wörter, die bei Rahlfs im kritischen Apparat stehen sowie die Textvarianten der Göttinger und Cambridger Ausgabe "should be fully added in a later version" (III); es fällt allerdings schwer, sich insbesondere das "fully" vorzustellen. Jedenfalls aber wird von der bislang vorausgesetztenTextgrundlage her der Wert der so überaus genauen Angabe der Belegzahlen noch einmal fraglich.

Ein kompliziertes Feld wird mit der Bewertung einzelner, schwierig einzuordnender Wörter betreten. Ein ganz zufälliges Beispiel: Job 30,4(bis), Jer 17,6 wird hier unter als neutrisches Nomen geführt, bei Rehkopf als Adjektiv , bei Schleusner Jer 17,6 unter als Adjektiv (so auch Liddel-Scott), Dob 30,4 unter als Nomen.

Der vorliegende erste Teil umfaßt die Buchstaben A-I und damit, gemessen an Rehkopf und Schleusner, die knappe Hälfte des Bestands. Auch wenn Fragen offen bleiben und auch nach Erscheinen des restlichen Teils nicht alle Arbeit für ein dringend erwartetes LXX-Lexikon getan ist, so darf man doch für die große und gute Leistung, die hier erbracht wird, sehr dankbar sein.