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Ausgabe:

November/2008

Spalte:

1180–1181

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Jeremias, Jörg

Titel/Untertitel:

Die Propheten Joel, Obadja, Jona, Micha. Übers. u. erklärt v. J. Jeremias.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2007. X, 232 S. gr.8° = Das Alte Testament Deutsch, Teilbd. 24,3. Kart. EUR 42,90. ISBN 978-3-525-51242-5.

Rezensent:

Burkard M. Zapff

Nachdem Jörg Jeremias in früheren Teilbänden von ATD be­reits die prophetischen Bücher Hosea und Amos kommentiert hat, liegt mit der Auslegung zu Joel, Obadja, Jona und Micha somit eine neue Kommentierung von wichtigen Schriften des Zwölfprophetenbuches aus seiner Feder vor. An diese richten sich hohe Erwartungen, nicht zuletzt deshalb, da sich J. bereits im Hinblick auf die Interpretation der Bücher Hosea und Amos und ihrer Entstehung durch zahlreiche Veröffentlichungen als wegweisend für die Zwölfprophetenforschung profiliert hat. Eine solche Neukommentierung von weiteren vier Büchern des Dodekapropheton weckt zugleich die Erwartung, dass hier Ergebnisse der in den vergangenen 15 Jahren unter neuen Fragestellungen vorangetriebenen Forschung am Zwölfprophetenbuch einem über die Fachexegetenwelt hinausreichenden Leserkreis präsentiert werden. Dazu zählt sowohl die Frage, inwieweit die Entstehung einzelner prophetischer Bücher im Zwölfprophetenbuch in redaktionsgeschichtlichem Zusammenhang mit der Entstehung des Dodekapropheton als Ganzem steht, als auch die Frage, inwiefern bestimmte literarische Schichten der einzelnen Bücher und nicht zuletzt ihre kanonische Endform im Kontext des Zwölfprophetenbuches gelesen werden wollen.
Die einzelnen, an den jeweils zu kommentierenden Büchern orientierten Großabschnitte gliedert J. nach folgendem Schema: Einer kurzen Zusammenstellung neuerer Kommentare seit 1970 und wichtiger Literatur folgt die Behandlung zentraler einleitungswissenschaftlicher Fragen. Diese beinhalten als Erstes »Zeit und Person des Propheten« (Ausnahme: Jona). Dabei geht J. davon aus, dass nicht nur hinter dem Buch Micha, sondern auch hinter den Büchern Joel und Obadja tatsächlich historische Prophetenpersönlichkeiten stehen (vgl. 3.57), es sich bei diesen beiden also nicht, wie gelegentlich in der neueren Forschung angenommen, nur um Kunstnamen anonymer schriftgelehrter Fortschreibungen handelt. In einem zweiten Abschnitt – »Das Buch« – behandelt J. gattungs- und literarkritische sowie redaktionsgeschichtliche Fragen. Während er hinsichtlich des Buches Jona von literarischer Einheitlichkeit ausgeht, unterscheidet er sowohl in Joel wie in Micha entsprechend dem Konsens neuerer Forschung unterschiedliche literarische Schichten, während er das Buch Obadja – ab­gesehen von den Versen 18.19 f. – als literarisch einheitlich betrachtet.
Diese Überlegungen münden unter Aufgreifen der kurz ge­schilderten neueren Forschungen zum Dodekapropheton in die Frage nach der redaktionsgeschichtlichen Beziehung des jeweiligen Buches zum Zwölfprophetenbuch und nach dem damit möglicherweise implizierten Verständnis des Buches im Leseablauf des Zwölfprophetenbuches.
In einem dritten Abschnitt wendet sich J. der »Botschaft« des Buches zu, um auf der Ebene der zuvor skizzierten redaktionskri­tischen Unterscheidungen den jeweils beabsichtigten theologischen Aussagegehalt zu erheben. Der Einleitung schließt sich die Einzelexegese – entsprechend dem Konzept der Reihe ATD – basierend auf einer vorgängigen eigenständigen Textübersetzung mit verschiedenen textkritischen Bemerkungen an. Bisweilen ist diese durch kurze Exkurse (z. B. zum wichtigen Thema »Tag des Herrn«, vgl. 17 f.) unterbrochen.
Der Kommentar von J. ist ein seltenes Beispiel für einen gut lesbaren und allgemein verständlichen Kommentar, der es versteht, unter Vermeidung einer ausführlichen Darlegung der Fachdiskussion dennoch deren wesentliche Ergebnisse kritisch zu präsentieren und damit einen gelungenen Einblick in die aktuelle Diskussion zu einem wesentlichen Bestandteil des Zwölfprophetenbuches zu geben. Besonders hervorzuheben ist dabei, dass es J. fast immer gelingt, den theologischen Aussagegehalt des Textes auf durchaus spannende Weise darzulegen. Besonders gut gelungen erscheint mir dies im Kommentar zum Buch Jona. Seine Auslegung ist daher ein gutes Beispiel dafür, dass eine diachron orientierte Exegese durchaus nicht zu einer Fragmentierung des Textes führen muss, sondern nach wie vor geeignet ist, den Sinn des biblischen Textes zum Nutzen der Theologie zu erheben.
Lediglich in Fragen eines buchübergreifenden Verständnisses der kommentierten Bücher im Dodekapropheton, insbesondere der re­daktionsgeschichtlichen Erklärung übergreifender Zusam­men­hän­ge bleibt J. in seinem Kommentar recht zurückhaltend. Seine Auslegung verbleibt trotz durchaus vorhandener Ansätze zu einem solch übergreifenden Verständnis – entsprechend der älteren Auslegungstradition – meistens bei buchinternen Zusammenhängen stehen. Allerdings muss zugegeben werden, dass die Interpretation solcher übergreifender, redaktionsgeschichtlich zu er­klärender Zusammenhänge innerhalb des Dodekapropheton nach wie vor umstritten ist, bisweilen solche Zusammenhänge sogar geleugnet werden.
Insgesamt jedoch bleibt festzuhalten, dass der Kommentar ein sowohl für Studium wie Wissenschaft, aber auch für die Praxis gut geeignetes und anregendes Werk darstellt.