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Ausgabe:

November/2008

Spalte:

1179–1180

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Fischer, Irmtraud

Titel/Untertitel:

Gotteslehrerinnen. Weise Frauen und Frau Weisheit im Alten Testament.

Verlag:

Stuttgart: Kohlhammer 2006. 221 S. m. Tab. kl.8°. Kart. EUR 19,80. ISBN 978-3-17-018939-3.

Rezensent:

Christl M. Maier

Der dritte Band der als Trilogie konzipierten Arbeiten der Grazer Alttestamentlerin zu Frauenrollen in den drei Kanonteilen der Hebräischen Bibel behandelt Frauengestalten und Genderverhältnisse in weisheitlichen Zusammenhängen. Zentral sind in diesem Zusammenhang die ratgebenden Frauen im Sprüchebuch und die personifizierte Weisheit. Da Weisheit ein verbindendes Element in der gesamten biblischen Überlieferung darstellt, behandelt F. über den dritten Kanonteil hinausführend auch weise ratgebende Frauen (und wenige männliche Ratgeber) der Samuel- und Königebücher, außerdem die Protagonistinnen Ester, Judit und Debora. F.s Analyse greift nicht nur positive Beispiele heraus, sondern behandelt auch negativ porträtierte Frauen wie Königin Athalya und Se­resch, die Frau Hamans im Esterbuch, die sich als schlechte Ratgeberinnen erweisen, weil sie eine kritische Distanz zum Beratenen vermissen lassen.
Einleitend stellt F. ihr Konzept einer »gender-fair arbeitende[n]« Exegese (16) vor: Ausgehend von der Annahme, dass alle biblischen Texte in einer patriarchalischen Gesellschaft entstanden sind, sollen die in ihnen dargestellten Geschlechterverhältnisse so erläutert werden, dass ihre Einbindung in damalige soziale Merkmale er­sichtlich wird und heutige Verhältnisse wie z. B. die Unterscheidung von privatem und öffentlichem Raum nicht einfach auf die damalige Gesellschaft projiziert werden. Erst durch diesen Perspektivenwechsel werde etwa das Haus als Ort weiblicher Kulturleistung erkennbar und die Rolle israelitischer Frauen als Lehrerinnen der nachfolgenden Generation oder Ratgeberinnen von Re­gierenden in ihrer gesellschaftlichen Relevanz deutlich.
F. nimmt alle genannten Frauen als literarische Gestalten in den Blick, die als Typen, nicht als Ausnahmen konzipiert seien. Sie zeigt immer wieder intertextuelle Bezüge zwischen biblischen Texten auf, darunter auch solche, die die Ratschläge der weisen Frauen mit Bestimmungen der Tora korrelieren. Diese Vermittlung der Tora Gottes durch die weisen Frauen lässt diese als Gotteslehrerinnen erscheinen, die den Weg zu einem erfüllten Leben aufzeigen.
Das Buch wendet sich in Sprache und reduziertem Anmerkungsapparat an einen breiteren Leserkreis; die Urteile F.s basieren jedoch auf wissenschaftlichen Studien, die sie andernorts publiziert hat. Die Interpretation der Texte nimmt die bisher geleistete feministische Forschung auf, bietet aber häufig interessante neue Aspekte und Einblicke, so dass die Lektüre des Buches auch für Fachkollegen und -kolleginnen äußerst lohnend ist.