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Ausgabe:

Oktober/2008

Spalte:

1098–1099

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Kloosterhuis, Elisabeth M.

Titel/Untertitel:

Erasmusjünger als politische Reformer. Humanismusideal und Herrschaftspraxis am Nie­derrhein im 16. Jahrhundert.

Verlag:

Köln-Weimar-Wien: Böhlau 2006. X, 763 S. gr.8° = Rheinisches Archiv, 148. Geb. EUR 64,90. ISBN 978-3-412-18403-2.

Rezensent:

Helmut Feld

Die im Verlagshaus Böhlau erscheinende Reihe »Rheinisches Archiv« umfasst mittlerweile eine stattliche Anzahl hochqualifizierter landeskundlicher Untersuchungen. Bei dem hier zu besprechenden Werk handelt es sich um eine Dissertation, die im Sommersemester 2002 von der Philosophischen Fakultät der Universität Münster angenommen wurde. Ihr Gegenstand ist das Wirken der durch den Erasmianischen Humanismus geprägten Räte und anderer in Politik und Wissenschaft tätiger Beamter im Kurfürs­tentum Köln und den herzoglichen Territorien Kleve-Jülich-Berg.
»Die Erasmusjünger am Niederrhein standen wie ihr Meister in einem Spannungsfeld zwischen humanistischen Reformidealen und den Grenzen des politisch Machbaren« (533). Erasmus selbst war es vorrangig um die religiöse und moralische Erneuerung der christlichen Gesellschaft gegangen, wie sein politisches Hauptwerk »Institutio principis christiani« beweist. Die humanistisch gebildeten Juristen, die von seinen Ideen beeinflusst waren, hatten es vor allem mit der praktischen Durchführung von Reformen auf den Gebieten des Rechtswesens, der Verwaltung, der kirchlichen und polizeilichen Wohlfahrt zu tun. Es sind zahlreiche Versuche zu erkennen, die Ideen des Erasmus praktisch umzusetzen. Aufgeschlossene und – im Sinne des Humanismus – moderne Berater, die an die Höfe der Landesherren gelangt waren, trieben die juristischen und administrativen Reformen voran. Eine Schlüsselfunktion bei den genannten Prozessen kam der Universität Köln zu: An ihrer Artistenfakultät lernten sich viele Studenten kennen, die später politisch einflussreiche Stellungen einnahmen; so entstand ein Geflecht von Beziehungen, das sich auf die Reformbemühungen positiv auswirkte.
Den hier nur summarisch skizzierten Vorgängen ist die Vfn. in ihrer Untersuchung mit bewundernswerter Akribie im Einzelnen nachgegangen. Dabei wurde ein umfangreiches, für diese Zeit bisher kaum bekanntes Quellenmaterial herangezogen. Auch die zu dem Umkreis des Themas vorliegende Forschungsliteratur wird in umfassender Weise berücksichtigt.
Ein bemerkenswertes Ergebnis der Arbeit scheint mir darin zu liegen, dass eine verbreitete Vorstellung korrigiert wird, nach der der Erasmianische Humanismus durch die Ereignisse der Reformation weitgehend überdeckt und um seine Wirkung gebracht worden sei. Hier zeigt sich, dass maßgebliche Vorstellungen des Erasmus auf Grund des Wirkens seiner Schüler, in den niederrheinischen katholischen Territorien weiterlebten, um dann im Zeitalter der Aufklärung ihre Fortsetzung zu finden.
Neben dem Quellen- und Literaturverzeichnis wird der Band durch ein umfangreiches Personenregister erschlossen. Eine be­son­ders lobende Erwähnung verdient der Anhang mit 234 Kurzbiographien der wichtigsten in dem Werk behandelten Beamten und Richter.