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Ausgabe:

Oktober/2008

Spalte:

1093–1094

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Burnett, Amy Nelson

Titel/Untertitel:

Teaching the Reformation. Ministers and Their Message in Basel, 1529–1629.

Verlag:

Oxford: University Press 2006. IX, 448 S. m. Abb. gr.8° = Oxford Studies in Historical Theology. Geb. £ 45,00. ISBN 978-0-19-530576-0.

Rezensent:

Herman Selderhuis

In den letzten Jahren hat die Erforschung der Theologenausbildung der Frühen Neuzeit bei (Kirchen-)Historikern ein neues In­teresse gefunden, wie sich in verschiedenen Tagungsbänden und Dissertationen zeigt. Die kirchliche Besinnung auf das Amt des Pfarrers und die aktuellen Diskussionen über die Ausbildung der Theologen haben zu diesen Forschungen mit beigetragen. Dass dieses Thema nicht nur in der westeuropäischen Forschung relevant ist, wird deutlich an der Studie von Amy Burnett, Professorin für Ge­schichte an der University of Nebraska-Lincoln. B. beschäftigt sich in diesem Werk mit der Pfarrerausbildung in Basel in den Jahren 1529–1629. Im ersten Teil beschreibt sie die Organisation der Basler Kirche und vor allem die erste Generation der Basler Pfarrer. Hier findet der Leser auch eine Analyse der Predigtbotschaft, die diese Pfarrer dem Volke vermittelten. B. benutzt dafür die erhaltenen Predigten sowie die von den Pfarrern verfassten Katechismen und Bekenntnisse. Mit dem Verschwinden dieser ersten, noch im katholischen System ausgebildeten Pfarrer fängt der zweite Teil des Werkes an. Hier werden zuerst die Entwicklungen des Basler Bildungssystems beschrieben und mit den Entwicklungen im weiteren deutschsprachigen Raum verglichen. Sehr detailliert wird dargestellt, wie die religiöse Ausbildung von der städtischen Lateinschule bis zum universitären Studium stattfand und welche finanziellen Strukturen aufgebaut wurden, damit junge Männer Theologie studieren konnten. Inhaltlich ist bemerkenswert, dass B. zeigt, wo der Einfluss der Dialektik auf das Studienprogramm wächst, und dass dies an den Vorlesungen und Disputationen abzulesen ist.
Im dritten Teil geht es mehr um die Praxis des Pfarrers. B. vergleicht hier eigentlich das Studienprogramm der Pfarrer mit deren Predigten, um daraus erkennen zu können, inwieweit die Pfarrer auch in der Praxis der Predigt umgesetzt haben, was sie vorher gelernt hatten. Der vierte und letzte Teil des Buches beschreibt die verschiedenen Aufgabenbereiche der Pfarrer, das heißt Predigt, Katechese und Seelsorge. Zudem werden hier die Karrieren der Pfarrer analysiert.
Von der Reformation der Stadt Basel 1529 an bis 1629 haben 254 Männer der Basler Kirche als Pfarrer gedient und diese Gruppe ist Gegenstand der Forschungen von B. Sie hat sachkundig und effektiv die Archive genutzt und ihre Ergebnisse in Tabellen und Zahlenlisten sorgfältig und reichhaltig dokumentiert.
An diesen Quellen und Übersichten werden verschiedene Entwicklungen deutlich, unter anderem die des Wechsels von der älteren Pfarrergeneration, die sich vor allem mit dem Beseitigen der Elemente der Alten Kirche beschäftigte, zu einer neueren Generation, die sich vor allem um den Aufbau der neuen Kirche bemühte.
Eine andere Entwicklung ist der wachsende Einfluss der Stadt auf die Pfarrerausbildung sowie auf die Kirche als Ganze. Hier zeigt sich auch ein Resultat der von der Stadt organisierten Vereinheit­lichung des Elementarunterrichts, die sich in einer größeren Ho­mogenität unter den Pfarrern auswirkte. Zudem ermöglichte das Stipendiensystem, bei dem in manchen Fällen der Student verpflichtet war, in einem Kollegium zu wohnen, eine Kontrolle des Benehmens der Studenten durch die Behörden. B. kommt zu der Schlussfolgerung, dass die Basler Reformation auch deshalb erfolgreich war, weil sie einige Volksbräuche in die reformierte religiöse Kultur aufzunehmen wusste.
Mehr als in anderen Städten waren die Basler Pfarrer Einheimische. Viele Studenten kamen nicht nur aus Basel, ebenso viele blieben auch nach dem Studium wegen der in die Stipendien aufgenom­menen Verpflichtung, Pfarrer in Basel zu werden, wenn man sich eines solchen Stipendiums bediente. Andere von B. signalisierte Entwicklungen sind die Professionalisierung des Pfarrerstandes und die allmähliche Verbesserung der Predigten, die mehr strukturiert, mehr rhetorisch und weniger anti-katholisch wurden. Die These, dass Basel Ende des 16. Jh.s lutheranisiert wurde, hält B. für falsch.
B. legt mit diesem Buch eine beispielhafte Studie vor, die zeigt, dass die archivalische Knochenarbeit sich lohnt, wenn sie zudem in einem lesbaren Ganzen dargestellt wird.