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Ausgabe:

Oktober/2008

Spalte:

1047–1049

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Cohen, Jonathan [Ed.]

Titel/Untertitel:

Languages and Literatures in Jewish Education. Studies in Honor of Michael Rosenak. Co-Editors: E. Holzer and A. Isaacs. Managing Editor: V. Burstein.

Verlag:

Jerusalem: The Hebrew University Magnes Press 2006. 473 S. m. 1 Porträt. 8° = Studies in Jewish Education, XI. Geb. $ 54,95. ISBN 965-493-302-0.

Rezensent:

Bernd Schröder

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Cohen, Jonathan [Ed.]: In Search of a Jewish Paideia. Directions in the Philosophy of Jewish Education. Jerusalem: The Hebrew University Magnes Press 2004. 127 S. 8° = Studies in Jewish Education, X. Kart. $ 18,00. ISSN 0333-9661.


Zu besprechen sind zwei Bände aus einem Periodikum, in dem seit 1983 in unregelmäßigen Abständen Aufsätze und Tagungsbeiträge zur Theorie jüdischer Erziehung erscheinen – zum Teil in eng­lischer, zum Teil in modern-hebräischer Sprache. Die »Studies in Jewish Education« entspringen der Arbeit des »Melton Centre for Jewish Education« (früher: »in the Diaspora«) der Hebräischen Universität Jerusalem, einem der wenigen Zentren einschlägiger Forschung und Lehre weltweit.
Beide Bände sind eng verbunden mit dem Namen Michael Ro­senaks, der von der Gründung des Melton Centres (1968) bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2000 an dieser Einrichtung lehrte und ihr zeitweise als Direktor vorstand – er gilt (zu Recht) als einer der Pioniere bei der Etablierung moderner jüdischer Religionspädagogik, die allerdings nicht unter dieser Bezeichnung, sondern unter dem Leitbegriff »Theorie (religiöser) Jüdischer Erziehung« firmiert: Band X veröffentlicht die Beiträge zu einem Symposium, das an­lässlich seines Dienstendes veranstaltet wurde; Band XI ist eine voluminöse Festschrift zu seinen Ehren. Als Herausgeber fungiert in beiden Fällen Jonathan Cohen, Schüler Rosenaks und Dozent für »Philosophie der Erziehung« an der Hebräischen Universität.
Kernstück von Band X sind vier Vorträge, die der Interpretation des Werkes von Michael Rosenak dienen, namentlich dreier seiner Schriften: »Teaching Jewish Values« (Jerusalem 1986), »Commandments and Concerns« (Philadelphia 1987) und »Roads to the Palace« (Providence/Oxford 1995).
Mordechai Nissan (Jerusalem) untersucht aus psychologischer Sicht die von Rosenak als Leitbild jüdischer Erziehung postulierte Kombination aus »commitment« und »openness«; Jonathan Cohen rekonstruiert systematisch die jü­disch-theologischen Referenzen von Rosenaks Erziehungstheorie, insbesondere seinen Rekurs auf Maimonides, Martin Buber, Emil Fackenheim und Joseph B. Soloveitchik. Peter Ochs (Richmond, USA) analysiert Rosenaks Art und Weise, modernes Denken im Rückgriff auf rabbinische Literatur einer kritischen Prüfung zu unterziehen und so modifiziert in seine Theologie jüdischer Erziehung zu integrieren – als Beispiel dient ihm Rosenaks Umgang mit der rabbinischen Denkfigur der »Ehrfurcht vor Gott« (jir’at schamajim). Und Asher Shkedi (Jerusalem) arbeitet den zentralen Stellenwert der Rede von »language« (safah) und »literature« (sifrut) für Rosenaks Konzeption der Erziehung zu jüdischen Werten heraus, hinterfragt aber deren einseitig theologisch-normative Aufladung: Sein Plädoyer zielt darauf, in Ausbildung und didaktischer Theorie dem Selbstverständnis der Lehrenden, also ihrer »lan­guage« Raum zu geben.
Diesen Vorträgen sind jeweils eine oder zwei kürzere Repliken zugeordnet; darüber hinaus reflektieren drei weitere Beiträge Themenstellungen, denen sich Rosenak ebenfalls zugewandt hat: Jüdische Erziehung in »Modern Orthodox Judaism Today: Currents and Trends in America« (Samuel Heilman, New York, USA), »Moral and Intellectual Challenges in Teaching Bible«, detailliert entfaltet vor allem im Blick auf orthodoxe Lehrer und Lehrerinnen (Solomon Schimmel, Boston, USA) und »Holocaust Education between History and Memory« (Dalia Ofer, Jerusalem). Abgerundet wird der Band durch drei Beiträge aus der Feder Michael Rosenaks selbst – »The Educated Jew« (1996; hier erstmals aus dem hebräischen Original ins Englische übersetzt), »Explicit and Implicit Religious Life and Teaching (1987; ein Kapitel aus »Commandments und Concerns«, hier in hebräischer Übersetzung) und »Education for Jewish Identification« (1978; ebenfalls ins Hebräische übersetzt).
Zu Recht rückt dieser Band die Arbeiten Michael Rosenaks ins Rampenlicht – denn seine Theorie bzw. Theologie jüdischer Erziehung formuliert Marksteine moderner jüdischer Religionspädagogik. Bemerkenswert zudem: Rosenak schreibt als modern-orthodoxer Jude über jüdische Erziehung aller Strömungen; er verbindet Traditionsbewusstsein mit der Rezeption moderner Erziehungswissenschaft – und findet damit Anerkennung in Reform- und (Neo-)Orthodoxem Judentum (erkennbar etwa an den Ehrendoktor-Titeln, die ihm vom JTS in New York wie vom HUC in Jeru­salem verliehen wurden). Der Band gibt einen guten Einblick in seine entscheidenden Denkfiguren – schade, dass u. a. gerade die grundlegenden Beiträge von Nissan, Cohen und Shkedi lediglich in Ivrith dokumentiert sind; so dürften für einen Großteil des Publikums, für das sie aufschlussreich wären, die Arbeiten Rosenaks selbst, die auf Englisch geschrieben sind, leichter zu rezipieren sein als diese Werkanalysen.
In der Festschrift für Michael Rosenak, Band XI der »Studies in Jewish Education«, ist das Sprachproblem besser gelöst: Den englischsprachigen Beiträgen ist ein hebräisches Abstract hinzugefügt; den hebräischsprachigen eine englische Zusammenfassung; ein Schlüsselbeitrag zum beruflichen Werdegang des Jubilars und seiner Lebensleistung ist sogar zweisprachig dokumentiert (Ho­w­ard Deitcher: »Michael Rosenak’s Professional Biography«, I, 29–48 und II, 27–44). Auch dieser Band ist an Themenfeldern orientiert, die Michael Rosenak bearbeitet (hat), gibt aber darüber hinaus auch den Schwerpunkten und Interessen der Beiträger Raum. Die 28 Aufsätze sind acht Überschriften zugeordnet:
»Michael Rosenak: His Thought and Deeds« (Howard Deitcher; Arnold Eisen; Avinoam Rosenak; Michael Ohana; Deborah Weissman), »The Bible and Jewish Education« (Joseph Lukinsky; Steven Copeland; Marla L. Frankel), »Studies in Rabbinic Sources« (Gerald L. Blidstein; Marc Hirshman; Yair Barkai; Michael Gillis), »History and Education« (Zeev Mankowitz; Daniel Gordis; Alick Isaacs), »Modern Thought and Jewish Education« (Aviezer Ravitzky; Ehud Luz; Jonathan Cohen; Marc Silverman; Elie Holzer), »Jewish Educational Issues: A Social Science Perspective« (Mordechai Rotenberg; Mordechai Nisan; Erik H. Cohen/ Shlomit Levy ), »Schools and Teachers« (Daniel Pekarsky; Asher Shkedi; Inbar Galili-Schachter), »Education and ›Translation‹« (Barry W. Holtz; Hanan Alex­ander/Ari Bursztein). Die Beiträge und ihre Themenfülle hier zu würdigen ist unmöglich; deshalb seien nur einige wenige herausgegriffen – et­wa Aviezer Ravitzkys Reflexionen auf das Verhältnis des Judentums zu anderen Religionen (die allerdings nicht religionspädagogisch ausgerichtet sind), Marla Frankels pädagogische Relektüre des Torah-Kommentars von Nechama Leibowitz oder Michael Ohanas Vergleich der (impliziten) erzieherischen Leitbilder von Michael Rosenak und Jeshajahu Leibowitz.
Die Festschrift insgesamt bietet eine gute Möglichkeit, Einblick in Fragestellungen der Theorie jüdischer Erziehung in Israel und den USA zu gewinnen – ein Einblick, der hilft, den Dialog zwischen christlicher und jüdischer Theologie auf das Feld der Religionspädagogik auszudehnen, und der dazu beitragen kann, theologische und konzeptionelle Hintergründe jüdischen Religionsunterrichts auch in Deutschland zu verstehen – auch wenn die besondere Diaspora-Situation jüdischer Gemeinden und die Erziehung in Deutschland nicht thematisiert werden. Wer einen systematischen Zugriff auf ›jüdische Religionspädagogik‹ sucht, ist mit dem Artikel zur Berufsbiographie Rosenaks in der Festschrift, gepaart mit der Lektüre von Band X der »Studies«, gut beraten.