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Ausgabe:

Oktober/2008

Spalte:

1038–1040

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Tilley, Terrence W.

Titel/Untertitel:

Religious Diversity and the American Experience. A Theological Approach by T. W. Tilley and L. T. Albarran, J. F. Birgh, E. W. Durbin II, C. Fannin, L. M. Robinson, D. E. Martin, M. G. Minix.

Verlag:

London-New York: T & T Clark 2007. XVI, 223 S. gr.8°. Kart. £ 16,99. ISBN 978-0-8264-2795-3.

Rezensent:

Martin Hailer

Der Hauptautor leitet das Department of Theology an der jesuitischen Fordham University (New York), an dem unter anderen Elizabeth Johnson lehrt. Das Buch geht auf ein Graduiertenseminar zurück, das im Jahr 2006 an der Dayton University stattfand. Ter­rence Tilley schrieb die konzeptionellen einleitenden Kapitel, das zusammenfassende Schlusskapitel verfassten alle Seminarteilnehmer und -teilnehmerinnen, mit jeweils einer bzw. einem von ihnen zusammen schrieb Tilley die Kapitel, die Entwürfe anderer zum Thema vorstellen und diskutieren. Die Co-Autoren sind Louis T. Albarran, John F. Birch, Ernest W. Durbin II, Coleman Fannin, Lora M. Robinson, Daniel E. Martin und Matthew G. Minix.
Der Titel lässt nicht unbedingt ahnen, dass das Buch Positionen zur Theologie der Religionen aus der jüngeren Vergangenheit und aus der Gegenwart diskutiert. Nach einigen einleitenden fundamentaltheologischen Bemerkungen (XI–XVI) wird in Kapitel 1 er­läutert, warum die Worte »the American Experience« im Haupttitel sprechende Worte sind: Theologie ist, so die Überzeugung, ein kontextuelles Unternehmen, das je und je in spezifischen Situationen und gesellschaftlichen Bedingtheiten betrieben wird. Diese Bedingungen sind nicht im strikten Sinn wahrheitskonstitutiv, aber als kontextuelle Faktoren unüberspringbar: »Theological re­flections are no less ›sited‹ than cathedrals or psychological theories. They are constructed in particular contexts with particular materials for particular purposes.« (3) In der Frage religiöser Diversität, und wie damit umzugehen sei, ist die »distinctive cultural site« (12) der Vereinigten Staaten von Amerika durch eine Reihe von Besonderheiten ausgezeichnet: Immigrationsströme in mehreren Schüben, die unter anderem die Ausbildung von ethnischen Mi­lieus zur Folge haben, hohe konfessionelle und religiöse Diversität, das Freihalten staatlicher Institutionen von religiösem Einfluss (»nonestablishment« [26] – der nichtinstitutionelle Einfluss der re­ligiösen Codes in den USA wird aber m. E. nicht angemessen dagegengehalten), die Marktförmigkeit auch der religiösen ›Angebote‹ und zuletzt die Globalisierung.
Dieser ›Baustelle‹ wird nun ein »building code for a theology of religious diversity« (47) gegenübergestellt. Der Vf. bedient sich dabei einer modifizierten Form der klassischen Anathematismen aus konziliaren Beschlüssen. Modifiziert werden sie dadurch, dass sie nicht als zu glaubende Satzwahrheiten, sondern als Regeln eingeführt werden: »Rules regulate and guide, they do not state (even though they can be stated).« (49) Ferner gelten sie als ›Richtungsanzeiger‹ (»proscriptions«, 50) für die weitere theologische Arbeit, nicht als in sich fertige theologische Konzeptionen. Diese pro­script­ions sind im Ausdruck deutlich an die Gebotssprache der klassischen englischen Bibelübersetzungen angelehnt: I. Der universale Heilswille Gottes, II. das Genügen von Gottes Rettungstat in und durch Christus, III. die Notwendigkeit der Kirche für das Heil und IV. die Geltung der Menschenwürde für jede menschliche Person (50–63).
Damit ist der konzeptionelle Rahmen abgesteckt. In den folgenden sieben Kapiteln werden moderne Klassiker und gegenwärtige Konzeptionen zur Theologie der Religionen vorgestellt, diskutiert und anhand der eben genannten proscriptions jeweils abschließend der Frage unterzogen, ob es sich um eine für die katholische Kirche und Theologie mögliche Position handelt. Deren Gruppierung kann als aufschlussreiche Kartierung der aktuellen Diskussion zur Theologie der Religionen aus amerikanischer Sicht gelten: Es geht zunächst um verschiedene Spielformen des Inklusivismus, der – jedenfalls in seiner klassischen, durch Karl Rahner vertretenen Form – als der allseits in der katholischen Theologie und darüber hinaus akzeptierte Weg gelten soll. Ein weiteres Kapitel bespricht die Weiterentwicklung des religionstheologischen Pluralismus zum Mutualismus, wie z. B. Paul Knitter ihn jetzt vertritt (98–102). Breite Aufmerksamkeit erfahren Positionen des Exklusivismus: Mit Paul Griffith und Joseph A. DiNoia kommen katholisch wohlapprobierte Positionen zu Wort, denen die Autoren ein lesenswertes Kapitel über den baptistischen Theologen Mark S. Heim zur Seite stellen: Er unterzieht die pluralistische Theologie der Religionen einer grundlegenden erkenntnistheoretischen Kritik und weist ihr– nachvollziehbar, aber durchaus nicht als Erster – die Verhaftetheit in Paradigmen der kantischen und idealistischen Philosophie nach (128–131). In Analogie zum Jesuswort von den vielen Wohnungen in seines Vaters Haus argumentiert Heim, dass Gott denen, die andere als die streng christlichen Ziele anstreben, diese ermöglicht, auch wenn sie mit seiner Intention nicht voll übereinstimmen mögen, von ihr aber umgriffen werden. In diesem Sinne kann er von »many salvations« (125) sprechen. Dass diese Position der pluralistischen crux nicht entkommt, weil sie ja ein Metakriterium angeben muss, wird zu Recht vermerkt (139). Die Darstellungen werden durch Berichte zur Comparative Theology – einem religionshermeneutischen Zugang – und zu denen, die die Zugehörigkeit zu mehr als einer Religion für möglich halten, der Klassiker ist hier Raimundo Panikkar – abgerundet.
Jedes Kapitel schließt, wie gesagt, mit einer Prüfung anhand der oben angegebenen Regeln. Hier ist der Befund uneindeutig: Denn diese Prüfungen geschehen so, dass die Regeln im dok­trinären Sinn eingesetzt werden, was an einer Stelle (172) auch eingeräumt wird. Im Schlussabschnitt (175–191) erfolgt dann der Rück­sprung zum kontextgebundenen Regelcharakter. Es werden ge­wisse Präferenzen für Inklusivismus und Mutualismus laut (189); unter Hinweis darauf, dass die Theorien jeweils Praxis generieren, wird aber abschließend argumentiert, dass erst durch den Erwerb der jeweiligen Praxis ihr Wert beurteilt werden könne, denn: »We do not have a God’s-eye-view. Nor does anyone else.« (Ebd.)
Letzteres ist natürlich richtig. Die Diskussion sollte hier aber weitergehen, denn die Spannung zwischen den Sätzen der Lehre und den von ihnen geformten Praxen ist doch das Entscheidende. Gerade in Zeiten mehr als deutlicher Äußerungen des römischen Lehramts wären katholische Auskünfte zu diesem Thema von hohem Interesse für die ökumenische Diskussion.