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Ausgabe:

September/2008

Spalte:

996–997

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Waaijman, Kees

Titel/Untertitel:

Handbuch der Spiritualität. Bd. 3: Methoden.

Verlag:

Ostfildern: Matthias-Grünewald-Verlag 2007. 375 S. 8°. Geb. EUR 32,00. ISBN 978-3-7867-2502-2.

Rezensent:

Karl-Friedrich Wiggermann

Die beiden ersten Bände des »Handbuchs der Spiritualität« von Kees Waaijman sind in dieser Zeitschrift besprochen worden (ThLZ 131 [2006], 1102 f.). Der dritte Band zielt auf »Methoden« der Spiritualität. Eine konzise Einleitung handelt u. a. über vorwissenschaftliche Erfahrung, das Arbeiten mit Paradigmen und die Integration von Phänomenologie und dialogischem Denken. »Alle Forschungsschienen richten sich auf die gottmenschliche Umformung (das Formalobjekt der Spiritualitätsforschung)« (17).
Der erste Teil hat die Überschrift »Formbeschreibende Forschung« (19–105). Wichtig ist der Abschnitt über die spirituelle Biographie, die sich zeigt im Lob der Väter des Jesus Sirach, im Geschichtswerk des Lukas, in den Gesprächen des Cassian, im karmelitischen Bild von Elija, bei dem Karmeliten Titus Brandsma. Hier wird deutlich, dass W. zunächst karmelitische Lebensquellen bedenkt: W. ist Karmelit. Sodann geht es um die Namensgebung für religiöse Gemeinschaften, um die kontextuelle Dimension in Geschichten und Psalmen des Alten Testaments. Die deskriptive Forschung berührt den Innenhorizont der spirituellen Gestalt: die asketisch-mystische Umformung. Es geht um geistliche Aneignungsprozesse, Einübung der Tugenden, um das Beten und ausführlich um die Mystik.
Das Thema des zweiten Teils lautet »Hermeneutische Forschung« (106–188). Sie ist ausgerichtet auf die Interpretation spiritueller Texte – auch aus dem Judentum und dem Islam, sogar aus dem Buddhismus. Wichtig ist die innere, gottbezogene und mystische Dimension, in der sich geistliche Lesepraxis vollzieht. Der hermeneutische Entwurf zeigt die Konstitution des Textes, die Kommunikation, den Akt des Lesens mit der Arbeit der Phantasie, der Teil-Ganzes-Komposition, der Orativität sowie schließlich die Of­fenbarung des Geheimnisses: »Dein Reich komme«. »Der Text drückt sich durch den Lese- und Interpretationsprozess hindurch in der historischen Situation aus, die hierdurch in ihrem kairos ans Licht kommt. Dieser kairos bringt seinerseits eine einzigartige Bedeutung des Textes ans Licht« (186). W. zitiert den Systematiker Edward Schillebeeckx: »Die Praxis ist ein wesentliches Element der aktualisierenden und befreienden Interpretation« (187). Hier hätten Probleme einer posthermeneutischen Theologie zur Sprache kommen müssen.
Im dritten Teil geht es um »Systematische Forschung« (189–284). Spirituelle Themen werden analysiert, wobei »das Wort Systematik einen Prozess andeutet, in dem die Wahrheit einer Sache innerhalb einer Lehrgemeinschaft über einen Prozess kritischer Artikulation und Prüfung deutlich wird« (189). Auch hier werden interreligiöse Aspekte dargelegt – in einer Lehrgemeinschaft.
W. handelt u. a. über die Confessiones von Augustinus, über De theologia mystica des Pseudo-Dionysius, über die Reden der Unterweisung von Meis­ter Eckhart. Diese Texte werden in feiner Weise erschlossen. Es folgt die systematische Erforschung der Spiritualität an verschiedenen Instituten und in Zeitschriften, in Lexika und Bibliographien. Aus Raumgründen werden fast nur Stichworte angegeben – zur Weiterarbeit. Das letzte Kapitel handelt über das Aufleuchten der Wahrheit. »Der wahrheitsliebende Geist begnügt sich ... nicht mit dieser konkreten Wirklichkeit oder mit einer einfachen Konstatierung, worum es geht« (276). Die »Richtung (Inspiration) der Erforschung des konkret Gegebenen (Erfahrung) ist identisch mit der dialogischen Wahrheitsorientierung« (ebd.). Ausführlich wird auf Martin Buber hingewiesen.
Der vierte und letzte Teil ist m. E. der wichtigste Bereich des Buches: »Mystagogische Forschung« (285–361). Mystagogik ist in jüngster Zeit – vor allem in der katholischen Theologie – erforscht worden. W. geht es zunächst um die Paradigmen der geistlichen Begleitung und der spirituellen Autobiographie. Die Begleiter und die Begleiteten verstehen sich in intensiver spiritueller Dimension. Autobiographien werden wiederum in den Confessiones von Augustinus, sodann in The Seven Storey Mountain von Thomas Merton, im Gespräch der Katharina von Siena, in den Aufzeichnungen der Thérèse von Lisieux sowie bei Paulus greifbar. W. legt einen eigenen mystagogischen Forschungsentwurf vor, der vor allem die Karmelitin Edith Stein berücksichtigt. Hier hätte man gern noch besondere Aspekte der Spiritualität W.s gelesen. Er notiert nur kurz: »In meinem Erleben versetze ich mich in das Erleben eines alter Egos, das sich als psychosomatische Einheit zu erkennen gibt, die bezogen ist auf eine Wirklichkeit, die auch meine Wirklichkeit ist« (352).
Die Spiritualitätsforschung arbeitet interdisziplinär mit den historischen, religionswissenschaftlichen und soziologischen Disziplinen, der zweite Teil mit den Literaturwissenschaften, der dritte mit der Philosophie, der vierte mit den humanwissenschaftlichen Disziplinen zusammen.
Der dritte Band schließt das Werk »Handbuch der Spiritualität« ab, ohne sich anderen Entwürfen zu verschließen. Man darf ge­spannt sein auf weitere Werke zur römisch-katholischen Ordensspiritualität der Franziskaner, Dominikaner und Jesuiten. Im Buch von W. findet man dazu nur kurze Hinweise. Im Ganzen aber fehlen Analysen ekklesiologischer, besser noch: ökumenischer Weisen der Spiritualität. Leider fehlt fast ganz der eschatologische Aspekt. Alle diese Gegebenheiten müssen die Leser selbst erschließen. In­so­fern bedarf das Buch intensiver kritischer Weiterarbeit. Dabei helfen Literaturangaben sowie Namen- und Sachregister. Das interkonfessionelle Gespräch wird auf evangelischer Seite geführt werden mit einer bei W. nicht berücksichtigten spirituellen Theologie.