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Ausgabe:

September/2008

Spalte:

990–992

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Küpper-Popp, Karolin

Titel/Untertitel:

Offene Bildungsarbeit im Hospiz. Praxisreflexion und Konzeptentwicklung im Kontext Praktischer Theologie.

Verlag:

Würzburg: Echter 2007. 396 S. gr.8° = Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge, 70. Kart. EUR 36,00. ISBN 978-3-429-02911-1.

Rezensent:

Annette Riedel

Mit dieser Studie wurde Karolin Küpper-Popp im Jahre 2006 am Institut für katholische Theologie des Fachbereichs Erziehungs- und Kulturwissenschaften der Universität Osnabrück promoviert. Die Studie gliedert sich in insgesamt acht Abschnitte. Die Einleitung entfaltet differenziert den inhaltlichen Fokus der Arbeit, zeigt die methodische Vorgehensweise im Rahmen der Studie auf und klärt definitorische Fragestellungen. Die aufgestellten Thesen führen strukturiert in die Überlegungen und die Vorgehensweise ein.
Ziel der Untersuchung von K.-P. ist es, ein Konzept für die Agogische Hospizarbeit zu entwickeln. Agogische Hospizarbeit, verstanden als »hospizliches Bildungsangebot für nicht akut Betroffene« (22), entbehrte bislang – so K.-P. – eines Konzeptes sowie einer zielorientierten Reflexion. Zu klären sind zunächst die Gründe, Ziele und Motive, die seitens der Hospizbewegung und der Hospizgruppen mit einer sog. Hospiz-Agogik verfolgt werden, deren in­haltliche Ausgestaltung und deren Umfang. Neben dem agogischen Engagement innerhalb der Hospizbewegung kommt gemäß K.-P. ferner dem agogischen Engagement außerhalb der Hospizbewegung ein zentraler Stellenwert zu. Sie vertritt die These, dass die Implementation und die konsequente Verortung eines agogischen Engagements seitens der Hospizbewegung – als agogisches Ar­beitsfeld in Theorie und Praxis – dahingehend wirken kann, dass die Hospizbewegung »als Handlungsträgerin der Agogik« wirkt (26). K.-P. zufolge fehlt es bislang an einer Untersuchung zu der theologischen Dimension – hier vor allem den Dialog von Ago­gischer Hospizarbeit und Praktischer Theologie betreffend. Zur Reflexion dieser Fragestellung orientiert sie sich an den elf Thesen von Herbert Haslinger. Diesen stellt K.-P. die zentralen Komponenten der Agogischen Hospizarbeit und deren Prämissen gegenüber. Nach der differenzierten Darstellung der zentralen Fragestellungen und ihres erkenntnisleitenden Interesses zeigt K.-P. begründet ihr weiteres Vorgehen auf. Um weder das Theorie-Praxis-Verhältnis noch den Bezug zur Praktischen Theologie aus den Augen zu verlieren, konsultiert sie die Mikrogliederung des Kompendiums »Seelsorgekonzepte im Widerstreit« von Doris Nauer (2001). Sieben Themenschwerpunkte von Nauer – wenngleich auch mit geringen Modifikationen versehen – sind im Folgenden grundlegend für den Aufbau der Arbeit. In ihrer Einleitung gibt K.-P. einen umfassenden Überblick über das strukturierte Vorgehen im Rahmen der Studie und über den inhaltlichen Fokus. Dieser ausführliche Einstieg ist hilfreich, um einen Zugang zu der komplexen Gesamtthematik zu erlangen.
In Kapitel 2 erhalten die Leser differenziert Aufschluss über die Entwicklung der Agogischen Hospizarbeit. Praxisnah und praxisbezogen geht K.-P. hierbei exemplarisch auf das Leverkusener Schulprojekt zum Thema Hospizarbeit in der Schule ein. Die Darstellung des Schulprojektes dient zur Konkretisierung dessen, was in der Studie unter Agogischer Hospizarbeit verstanden wird, sowie zur Darstellung deren Entwicklung in Theorie und Praxis. Darauf aufbauend leitet K.-P. Rückschlüsse für eine Hospizarbeit mit nicht akut Betroffenen ab.
Nach der erfolgten Praxisreflexion in Kapitel 2 erfolgt in Kapitel 3 die ausführliche und differenzierte Begriffsbestimmung der Agogischen Hospizarbeit, dies auch in der Abgrenzung zu anderen Begriffen wie zum Beispiel der Offenen Bildungsarbeit. Auf S. 99 findet sich schließlich die seitens K.-P. abgeleitete Definition Agogischer Hos­pizarbeit. Ergänzend stellt K.-P. auf S. 100 eine Gegenüberstellung zu der Sterbe- und Trauerbegleitung zusammen, die anhand spezifischer Fragestellungen – angesichts der Vergänglichkeit des Lebens und der Sterblichkeit des Menschen – Agogische Hospizarbeit nochmals praxisbezogen operationalisiert. Auf der Basis ihrer Definition leitet K.-P. schließlich die Voraussetzungen Agogischer Hospizarbeit ab. Durch die verschiedenen Zugänge, die der Reflexion Agogischer Hospizarbeit dienen, wird diese für die Leser zunehmend plausibel. Ferner wird die Bedeutsamkeit Agogischer Hospizarbeit für die Hospizbewegung in Deutschland explizit.
Kapitel 4 geht auf die anthropologischen Voraussetzungen Agogischer Hospizarbeit ein. Dies geschieht konsequenterweise vor dem Hintergrund, dass jedes Bildungskonzept auf einem Weltdeutungssystem und den sich daraus ergebenden anthropologischen Grundaussagen basiert. Ziel ist hierbei, eine möglichst große Transparenz des Konzepts bezogen auf die relevanten Verschränkungen von Theologie und Anthropologie zu erreichen. Das Kapitel schließt mit »Grundlagen Agogischer Hospizarbeit aus christlich-anthropologischer Perspektive«, die den Bezug zu den Lernprozessen und die konkrete Umsetzung in der Hospizarbeit zu­sam­menfassend aufzeigen.
Kapitel 5 befasst sich mit einer Grundfrage der bis dahin aufgezeigten Bildungsbemühungen sowie deren Möglichkeit zur Verwirklichung in der Agogischen Hospizarbeit: der Frage nach dem Sinn und der Frage nach dem Gottesbild und dem Gottesverständnis, die der Agogischen Hospizarbeit zu Grunde liegen. Davon ausgehend, dass Hospizbegleitung und christliches Denken und Handeln im Zusammenhang stehen, lässt dies K.-P. zufolge noch nicht darauf schließen, dass hospizliche Bildungsvorhaben mit religiöser Praxis oder theologischen Fragestellungen in Verbindung gebracht werden. Der Fokus liegt in diesem Kapitel auf der Frage nach dem Sinn. Dessen Relevanz für die Agogische Hospizarbeit wird praxisbezogen aufgezeigt. So liefert die Auseinandersetzung mit der Frage nach dem Sinn zum Beispiel Kriterien für die Planung, Durchführung und Reflexion Agogischer Hospizarbeit, »wenn es darum gehen soll, den Teilnehmenden ganzheitliche Erfahrungen zu ermöglichen bzw. sich für ganzheitliche Erfahrungen zu öffnen oder im Rückblick Erfahrungen in ihrem Leben als Erfahrung des Sinns zu entdecken« (173).
Kapitel 6 greift die Relevanz der Praktischen Theologie für die Hospizarbeit auf und geht nochmals differenziert auf das Bildungsverständnis Agogischer Hospizarbeit ein. Letzteres auch be­zogen auf die indizierten Themen – wie Tod, Sterben und Sterblichkeit –, die genuiner Gegenstand Agogischer Hospizarbeit sind. Hierbei stützt sich K.-P. auf unterschiedliche Studien. Praxisnähe und Praxisrelevanz erhält das Kapitel durch die exemplarischen Beispiele Agogischer Hospizarbeit.
Bei Kapitel 7 und 8 handelt es sich nach K.-P. »streng genommen um eine Fortsetzung der unter 6.4 entfalteten Abduktion: Die Kirchen könnten ihr Eigenes in der Agogischen Hospizarbeit wiederentdecken und umgekehrt« (299). In Kapitel 8 geht K.-P. auf den gesellschaftlichen Auftrag der Hospizbewegung ein. Die Reflexion erfolgt unter Heranziehung der Terminologie der Praktischen Theologie und ihrer Bezugswissenschaften. In diesem Kapitel greift K.-P. zudem die Spiritualität auf, eine zentrale Komponente der Hospizarbeit, die sich in der praktischen Umsetzung auf das ganzheitliche Verständnis von Palliative Care beruft. Konkretisierung und Praxisnähe erhält das Kapitel durch den Bezug auf die konkrete Arbeit in der Sterbebegleitung. K.-P. schließt ihre Arbeit mit dem folgenden Satz (der sich an einem Votum von Daniela Tausch orientiert): »Es wäre schön, wenn die Hospizbewegung verstünde, dass in ihr ein ›schöpferisches und sinnstiftendes Potential‹ nicht nur für die Sterbenden, sondern für die Sterblichen liegt« (370; Hervorhebung im Original).
Die Arbeit dient der theoretischen Verortung der Hospizarbeit, ihrer Bildungsarbeit und Bildungsziele. Sie kann sowohl bei der Er­stellung von Bildungskonzepten dienlich sein als auch zur inhaltlichen Analyse bereits bestehender hospizlicher Bildungsvorhaben genutzt werden. Agogische Hospizarbeit – wie K.-P. sie versteht – erhält eine theoretische Fundierung und eine klare inhaltliche Orientierung und Ausrichtung. Das Buch ermöglicht es, auch einzelne Kapitel herauszugreifen und zu lesen, da die je­weiligen Kapitel einem klaren Aufbau folgen und inhaltlich abgeschlossen sind. Übersichten und Zusammenfassungen erfolgen zum Teil in Form von tabellarischen Gegenüberstellungen, schaffen somit Bezüge und erleichtern den Zugang. Dieses Buch verdient viele Leser, die sich mit der Weiterentwicklung hospizlicher Bildungsarbeit befassen. Auf der Basis einer wissenschaftlich fundierten Auseinandersetzung bietet es eine Fülle wertvoller und praxisnaher Denkan­stöße.