Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

September/2008

Spalte:

958–960

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Brownson, James V.

Titel/Untertitel:

The Promise of Baptism. An Introduction to Baptism in Scripture and the Reformed Tradition.

Verlag:

Grand Rapids-Cambridge: Eerdmans 2007. XIV, 223 S. gr.8°. Kart. £ 8,99. ISBN 978-0-8028-3307-5.

Rezensent:

Matthias D. Wüthrich

James V. Brownson ist Professor für Neues Testament am Western Theological Seminary in Holland, Michigan. Als solcher und als »Minister« steht er auch im Dienste der »Reformed Church in Amer­ica«, einer relativ kleinen Denomination in Nordamerika. Es ist gerade dieser kirchliche Bezug, der für B.s Buch zur Taufe charakteristisch ist. Er deklariert denn auch klar: »it is my concern for the church that leads me to write this book« (XIII). Anlass des Buches sind verschiedene Unklarheiten in der kirchlichen Praxis im Um­feld der Taufe (nur in der »Reformed Church in America«?), wobei sich anhand des Aufbaus und der Gewichtung der Themen zeigt, dass in all den Unklarheiten insbesondere die Praxis der Kindertaufe zur Debatte steht. Das Buch richtet sich an ein sehr breites christliches, näherhin reformiertes Publikum, das sich für Fragen rund um die Taufe interessiert. Der Aufbau und die formale Gestaltung sind diesem Adressatenkreis entsprechend gestaltet. Jedes Kapitel beginnt mit einer katechismusartigen Titelfrage und die folgende Argumentation wird mit einer Zusammenfassung, Fragen für die weitere Reflexion und Diskussion sowie Hinweisen für ein vertieftes Studium abgeschlossen. Das Buch von B. hat darum nicht nur, aber zumindest auch die Form eines erwachsenenbildnerischen Arbeitsbuches.
Ziel ist es, einen Beitrag zu einer biblischeren Taufpraxis zu leis­ten (XIII). B. versucht deswegen immer wieder, seine Argumentationslinien exegetisch zurückzubinden und aus biblischen Aussagen zu entwickeln. Dabei bleibt er freilich nicht stehen. B.s Argumen­tation hat ein dogmatisches und praktisch-theologisches Gefälle.
Das Buch umfasst 30 Kapitel, die thematisch in fünf Teile gegliedert sind. In Teil I (1–43) werden die theologischen Grundlagen für alle weiteren Teile gelegt. Thematisch reicht der Bogen von der Nachfolge und Sendung Jesu über das Kirchen- bis zum Sakramentsverständnis. Wichtig insbesondere für B.s spätere Ausführungen zur Kindertaufe ist die Betonung, dass die Kirche definiert wird über »God’s call« und erst sekundär über ein geteiltes Be­kenntnis (20). Diese vorausgehende Berufung verbindet mit Jesus Christus und geht allen menschlichen Antworten des Gehorsams und Glaubens voraus (5). Selbst der christliche Glaube ist letztlich Geschenk Gottes an und in uns (35) und unterliegt einem lebenslangen Vertiefungs- und Transformationsprozess (XIII.) Spannend sind B.s sakramentstheologischen Ausführungen (22–42 )– jedoch nicht in ihren allzu groben Entgegensetzungen zwischen einer zwinglianisch geprägten »ordinance theology« und einer mehr calvinischen »sacramental theology«, sondern in der Weise, wie B. versucht, das Taufgeschehen ekklesiologisch und schöpfungs­theologisch einzubinden. Die Sakramente sind Manifestation »of a more profound spiritual transformation that encompasses the totality of our existence«, und sie verweisen theologisch auf »(the) full consummation« der Schöpfung in Christus (vor allem 40–42). – Schade nur, dass diese holistische Sakramentsdeutung in den Teilen III–V nicht weiter auf das Verhältnis von Taufe und Erlösung angewandt wird.
Teil II erörtert zentrale neutestamentliche Taufdeutungen: die Einheit mit Jesus Christus in seinem Tod und seiner Auferstehung (47–53), Reinigung von Sünde(n) (54–59), Verleihung des Heiligen Geistes (60–66), »rebirth« (bzw. »regeneration«) (67–73). Die letzten beiden Kapitel dieses Teils widmen sich dem praktischen Vollzug des Taufaktes (74–77) und seiner trinitarischen Fundierung (78–82). Man fragt sich im Blick auf die neutestamentlichen Taufdeutungen, warum hier ein Kapitel eigens dem Bezug von Wiedergeburt und Taufe gewidmet ist (der sich in der Argumentation als relativ locker erweist), während man hier das biblische Motiv der Taufe als Einordnung in den Machtbereich des Kyrios Jesus Christus vermisst.
Teil III (83–111) geht dem Verhältnis von Taufe, Glaube und Erlösung (»salvation«) nach. Unsere Erlösung hängt nicht an der Taufe, sie ist nicht in einem direkten Sinne heilsnotwendig. Sie verleiht uns aber »God’s promise of salvation« (95) und ruft uns auf zu einem Leben im Glauben, ohne dass dieser Glaube in der Taufe selbst vermittelt würde oder aber in Form eines Bekenntnisses als Bedingung vorausgesetzt wäre (90) – so die Grundlinien der Argumentation von B. Es wäre hilfreich freilich gewesen, hier eine präsentische von einer futurischen Dimension der Erlösung explizit zu unterscheiden und beide aufeinander zu beziehen.
In Anknüpfung an die Verhältnisbestimmungen von Teil III und in Anschluss an bundestheologische Traditionen reformierten Glaubens wird in Teil IV (113–142) für die Kindertaufe argumentiert und werden in Teil V (143–172) verschiedene Einwände und Anfragen spezifischerer Art dazu diskutiert (wie z. B. die Frage nach der – futurisch-eschatologischen – Erlösung von getauften Kindern, die in sehr jungem Alter sterben, 145–152). Auffällig ist B.s Versuch, vor dem Hintergrund der Frage der Kinderstaufe den Bundesgedanken nicht nur auf Individuen, sondern auch auf Familien bzw. »households« zu beziehen. Man könnte das als – freilich stark modifizierte – Reminiszenz an die ältere amerikanische »Half-Way-Covenant«-Tradition (vgl. 189 f.) interpretieren. Dieser Familienbezug wird jedoch keiner näheren soziologischen Reflexion gegenwärtiger Verhältnisse unterzogen und läuft so Gefahr, einen konservativen Moralismus zu transportieren.
Teil VI (173–214) widmet sich wiederum einem ganzen Bündel von praktischen Fragen rund um die Taufe (z. B. der Frage der Wie­dertaufe), mit denen Kirchenleitungen konfrontiert sind.
Man mag an B.s Darlegung monieren, dass sie sich über die hermeneutischen Bedingungen ihres Bibelbezuges nicht Rechenschaft ablegt. Man mag auch monieren, dass darin so gar keine Bemühungen zu sehen sind, die ökumenischen Dimensionen der Taufe als »Band der Einheit« zu erwähnen und fruchtbar zu machen. Man kann schließlich monieren, dass B. es unterlässt, seine Herangehensweise an die Taufthematik selbst genauer zu kontextualisieren. Denn im europäischen Kontext, wo reformierte Kirchen zum Teil in einem nahen Verhältnis zum Staat stehen, stellen sich weitere Fragen, die in B.s Buch nicht traktiert werden: z. B. die kirchenrechtliche Frage der Kirchenmitgliedschaft (die in gewissen Kirchen nicht über die Taufe definiert ist), die Frage verschiedener Konfessions- und Religionszugehörigkeiten von Eltern und Paten oder die Frage, wie die Säuglings- und Kleinkinder- und Kindertaufe theologisch zu interpretieren sind in einem Kontext, der religionssoziologisch u. a. dadurch bestimmt ist, dass »Volkskirchen« immer mehr zu Minderheitskirchen werden usw.
Es ist aber fraglich, ob man hier nicht Forderungen an B.s Buch stellt, die es – mit Blick auf den Adressatenkreis – gar nicht erfüllen wollte. Festzuhalten bleibt auf jeden Fall, dass es B. gelungen ist, auf der Basis biblischer Aussagen eine gut verständliche und klare Einführung ins reformierte Taufverständnis vorzulegen, die trotz der Einfachheit der Darlegung die sachliche Komplexität nicht untergräbt und die mit Nachdruck zeigt, dass und wie »the prom­ise of baptism« stets neu und prägend ins Glaubensleben des Einzelnen und einer ganzen Gemeinde hineinwirkt.