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Ausgabe:

Februar/1999

Spalte:

185–188

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Fischer, Joseph Anton u. Adolf Lumpe

Titel/Untertitel:

Die Synoden von den Anfängen bis zum Vorabend des Nicaenums.

Verlag:

Paderborn: Schöningh 1997. XXVIII, 531 S. gr.8 = Konzilsgeschichte, Reihe A: Darstellungen. Lw. DM 156,-. ISBN 3-506-74674-X.

Rezensent:

Markus Vinzent

Im Rahmen der von Walter Brandmüller herausgegebenen, inzwischen schon umfänglichen Reihe "Konziliengeschichte" liegt ein weiterer Band vor, der wiederum den entsprechenden Teil der älteren "Conciliengeschichte" von Hefele bzw. deren französische Übersetzung und Überarbeitung von Leclercq ("Histoire des conciles") ablösen soll. Daß ein aktuelles Werk zur Synodalgeschichte des zweiten und dritten Jahrhunderts ein dringendes Desiderat der Forschung darstellt, ist aufgrund der vielfältigen jüngeren Forschung in diesem Bereich unbezweifelbar. Nun starb der Verfasser Joseph Anton Fischer allerdings bereits am 31. März 1989. Adolf Lumpe hat aus den Bausteinen der einzeln "fertiggestellte(n) Kapitel", die Fischer aus seiner Befürchtung heraus, das Ganze "nicht vollenden zu können", jeweils vorweg einzeln als Aufsätze veröffentlicht hatte, ein "geschlossenes Werk zusammengefügt" (Vorwort). Und, wo Fischer Lücken gelassen hatte, fügte Lumpe dankenswerterweise eigens angefertigte Kapitel ein und hinzu. So stammen zwanzig Kapitel von Fischer, sieben und die Einleitung und die Zusammenfassung von Lumpe. Insgesamt wird eine weitgehend vollständige Synodalgeschichte dieser Zeit geboten.

Zu fragen bleibt, warum auf die von Firmilian von Cäsarea erwähnten jährlichen "Synoden der seniores (Presbyter?) et praepositi (Bischöfe)" nur in einer Anmerkung (301356; cf. auch 353 f.) "nebenbei" hingewiesen wird. Hätten Fischer/Lumpe diese Spur weiter verfolgt, wäre vielleicht noch deutlicher aufgefallen, daß neben Rom eine (oder sogar die) weitere Hauptwiege synodaler Praxis in Kleinasien stand (39-59.71-87).

"Darüberhinaus", so lehrt das Vorwort des Herausgebers Brandmüller, habe Lumpe "die Vorarbeiten Joseph Anton Fischers auf den neuesten Stand gebracht, indem er die seit 1989 zum Thema neu erschienene Literatur eingearbeitet hat".

Die Genese des Buches läßt erahnen, vor welch’ schwierige Aufgabe Bearbeiter Lumpe gestellt wurde. Ob er sie gemeistert hat, läßt sich dem Band allein bei seiner Lektüre allerdings nicht klar entnehmen. Eine Durchsicht der Anmerkungen zu den Kapiteln, die auf Fischer zurückgehen, gibt bis auf wenige Ausnahmen zu erkennen, daß das Versprechen des Herausgebers nicht eingelöst wird. Aus der Zeit nach 1989 begegnen nur ganz vereinzelt Literaturhinweise, ausgenommen das Kapitel zu den "zweifelhaften Synoden gegen Noët von Smyrna", auf das ich weiter unten näher einzugehen habe. Auf welchem Stand von Literatur und Kenntnissen ruhen nun die anderen wenig bearbeiteten Fischer-Kapitel? Zur Beantwortung fehlt der Hinweis auf Datum und Ort der Erstpublikation der von Fischer stammenden Kapitel. Ein solcher wäre aber nicht nur für einen Vergleich des jetzt Vorgelegten mit dem früher Publizierten hilfreich, sondern auch zum korrekten Zitieren des Werkes bibliographisch notwendig. Ich trage darum hier zunächst die Quellen der Erstpublikation nach (bei identischem Titel zwischen Erstpublikation und Kapitelüberschrift im vorliegenden Werk wird dieser in der Klammer nicht wiederholt) und gebe damit zugleich einen Abriß des Werkinhalts:

Teil I behandelt "Das sogenannte Apostelkonzil und die Synoden des zweiten christlichen Jahrhunderts" (5-107) mit den Kapiteln: 1. "Das sogenannte Apostelkonzil" [in: Konzil und Papst. Historische Beiträge zur Frage der höchsten Gewalt in der Kirche. Festgabe für Hermann Tüchle, hrsg. von Georg Schwaiger, München u. a. 1975, 1-17]; 2. "Die antimontanistischen Synoden des 2./3. Jahrhunderts" [AHC 6 (1974) 241-273]; 3. "Die Synoden im Osterfeststreit des 2. Jahrhunderts" [AHC 8 (1976) 15-39]; 4. "Die zweifelhaften Synoden gegen Noët von Smyrna" ["Die vermutlichen Synoden gegen Noët von Smyrna": MThZ 28 (1977) 55-63]; 5. "Weitere angebliche Synoden des 2. Jahrhunderts" ["Angebliche Synoden des 2. Jahrhunderts": AHC 8 (1977) 241-252].

Teil II ist überschrieben: "Die Synoden des dritten christlichen Jahrhunderts" (109-381) mit den Kapiteln: 1. "Die alexandrinischen Synoden gegen Origenes" [OstKSt 28 (1979) 3-16]; 2. "Synoden mit Origenes" [OstKSt 29 (1980) 97-117]; 3. "Die ersten Konzilien im römischen Nordwestafrika" ["Die ersten Konzilien im römischen Nordwest-Afrika", in: Pietas. FS für Bernhard Kötting (JbAC, Erg.-Bd. 8), Münster 1980, 217-227]; 4. "Die Konzilien zu Karthago und Rom im Jahr 251" [AHC 11 (1979) 263-286]; 5. "Das Konzil zu Karthago im Mai 252" [AHC 13 (1981) 1-11]; 6. "Das Konzil zu Karthago im Frühjahr 253" [AHC 13 (1981) 12-26]; 7. "Das Konzil zu Karthago im Herbst 254" [ZKG 93 (1982) 223-239]; 8. "Das Konzil zu Karthago im Jahr 255" [AHC 14 (1982) 227-240]; 9. "Das Konzil zu Karthago im Frühjahr 256" [AHC 15 (1983) 1-14]; 10. "Das Konzil zu Karthago im Spätsommer 256" [AHC 16 (1984) 1-39]; 11. "Ein Konzil zu Karthago im Frühjahr 257 ?" [AHC 16 (1984) 241-253]; 12. "Die Synoden zu Antiochien im Frühjahr 253 (?)" [AHC 17 (1985) 243-251]; 13. "Die sogenannte Synode zu Arsinoë um das Jahr 255" [Originalbeitrag Lumpe]; 14. "Ein Konzil zu Rom um das Jahr 260?" [OB Lumpe]; 15. "Die antiochenischen Synoden gegen Paul von Samosata" [AHC 18 (1986) 9-30]; 16. "Angebliche Synoden des dritten Jahrhunderts" [OB Lumpe].

Teil III umfaßt: "Die Synoden des vierten Jahrhunderts vor der Synode zu Alexandrien gegen Arius um 318" (383-512) mit den Kapiteln: 1. "Das kleine Konzil zu Cirta im Jahr 305 (?)" [AHC 18 (1986) 281-292]; 2. "Die Synode zu Alexandrien im Jahr 306" [AHC 19 (1987) 62-70]; 3. "Die Konzilien wegen des donatistischen Streites in den Jahren 309/10(?) und 313" [OB Lumpe]; 4. "Die Synode zu Ancyra im Frühjahr 314 (?)" [OB Lumpe]; 5. "Die Synode zu Neocäsarea zwischen 314 und 320 (?)" [OB Lumpe]; 6. "Zweifelhafte und angebliche Synoden des frühen vierten Jahrhunderts" [OB Lumpe]. Es folgen eine Zusammenfassung und die Register mit 1. Personen und Orten und 2. Sachen.

Sowohl Fischer als auch Lumpe behandeln die komplizierte Materie positivistisch-pragmatisch. Sie stellen in unermüdlicher Quellenarbeit und mit besonderem, selbständig kritischem Blick auf die prosopographische Forschung stets heraus, wann welche Synode wo mit welcher spezifischen Neuerung nachgewiesen ist. Der erste erwähnte Synodalbrief ist der des Serapion von Antiochien. Die erste alexandrinische Synode gegen Origenes von ca. 231 ist "zugleich die erste alexandrinische Kirchenversammlung, von der wir Kunde haben"; "die Synode zu Bostra gegen Beryllus (zwischen 238 und 244) ist der erste bekannte Fall, bei dem ein Fachtheologe, der nur Presbyter war, ... auf einer Synode die Entscheidung herbeiführte. Auch ist hier erstmals die Anlage von Synodalakten bezeugt" (515); "die älteste vollständig auf uns gekommene Teilnehmerliste eines Konzils" stammt aus Karthago vom Frühjahr 253 (516) usw.

Woraus läßt sich überhaupt das Synodalwesen der Kirche ableiten? "Aus der Synagoge" nicht, meinen die Vff., aber auch aus römischer Verwaltungs- oder Rechtspraxis lasse es sich trotz vielfältiger juristisch-technischer Übernahmen nicht genetisch herleiten. Als früheste "eigentliche" Synoden benennen die Vff. Versammlungen "im ausgehenden zweiten Jahrhundert" einer "gewisse(n) Zahl von Bischöfen" gegen den Montanismus und solche im Osterfeststreit (513). Frühere "lokale Gemeindeversammlungen ..., die durch Hinzuziehung angesehener Kirchenmänner erweitert worden waren", definieren sie "nicht als eigentliche Synoden, sondern als ’präsynodale Vorgänge’" wie etwa "das fälschlich so genannte ’Apostelkonzil’" (513). Eine solche Retrospektivdefinition, die übrigens im gesamten Werk nirgends ausdrücklich reflektiert wird, ist natürlich problematisch. Denn sie verdeckt mit ihrer Konzentration auf die Anwesenheit von "Bischöfen" (cf. 74; 99) - zumal noch offen ist, wann mit der Durchsetzung des Monepiskopats zu rechnen ist - die offensichtlich organische und keinesfalls in allen kirchlichen Provinzen gleichzeitige Entwicklung von der Versammlung von Mitgliedern und Verantwortlichen innerhalb der christlichen Gemeinde hin zu einer solchen, bei der auch Gäste, Berater und in zunehmendem Maß Amtsträger anderer Gemeinden hinzugezogen wurden, bis vorwiegend die von der Gemeinde gewählten Vertreter auf regionaler und überregionaler Ebene unter geringerer Anteilnahme der Gemeinde selbst auf Einladung des Metropolitanbischofs und letztlich auf Geheiß des Kaisers zusammentraten. Doch selbst im vierten Jahrhundert sind noch neben Bischöfen, Presbytern, Diakonen auch seniores laici auf Synoden anwesend. Der Anachronismus in der Synodendefinition ist den Vff. bewußt, wenn sie eigens darauf hinweisen, "daß der Ausdruck synodos ... im Sinne von ’Bischofssynode’ quellenmäßig erstmals bei Dionysius von Alexandrien begegnet", aber "noch zur Zeit des Kirchenhistorikers Eusebius nicht ausschließlicher terminus technicus für die Bischofssynode war, sondern auch die Gemeindeversammlung bezeichnen konnte" (513; cf. 146). Auch Eusebius’ Sprachgebrauch läßt noch den genetischen Ursprung des Synodalwesens aus der Gemeindeversammlung durchscheinen.

Bei der Abhandlung der einzelnen Synoden fallen bei Fischer wie Lumpe wohltuend die klare Gliederung und zugleich die Liebe zum Detail auf. Man merkt, daß die Vff. ein Nachschlagewerk vorlegen wollten, was auch weithin gelungen ist. Es stören lediglich wiederum meist anachronistische Interpretationen. So wird mit Blick auf den Montanismus wie auch im Hinblick auf den Ketzertaufstreit regelmäßig von der "Gültigkeit und Wirksamkeit einer Taufspendung durch Häretiker" gesprochen (cf. 48-59; 151 u. ö.), obwohl diese Unterscheidung zwischen "gültig" und "wirksam", wie die Vff. korrekt vermerken (305), erst von Augustinus in seiner Auseinandersetzung mit dem Donatismus gewonnen wurde. Wenn Cyprian und die Seinen von den Verfassern als Anabaptisten bezeichnet werden (cf. 151-160; 216; 224-308), so verzeichnet dies die Position derer, die außerhalb der Kirche überhaupt kein Taufgeschehen kannten. Wer von Häretikern zur Kirche kam, wurde nach Cyprian nicht wiedergetauft, sondern überhaupt erstmals getauft.

Auf Kap. 4 des I. Teils, "die zweifelhaften Synoden gegen Noët von Smyrna", ist eigens einzugehen, denn hier hat Lumpe zumindest am Anfang und am Ende aufgrund der Forschungen durch M. Richard, J. Frickel und R. M. Hübner wirklich in den Text und in die Anmerkungen von Fischer eingegriffen. Bereits im Titel wurde aus "vermutlich" das "zweifelhaft". Allerdings erfolgten diese Textanpassungen nicht so durchgehend, daß im Ergebnis eine kohärente Argumentation herausgekommen wäre. Bereits bei der ersten Lektüre und noch vor dem Vergleich mit der Vorlage notierte ich mir am Rand eine ganze Reihe von Unstimmigkeiten und offenkundigen Widersprüchen.

Hatte Fischer gegen Hefele und Leclercq die einzig in der Schrift "Contra Noëtum" bezeugten Synoden für "vermutlich" historisch korrekt gehalten und diese Quelle für einen Text des römischen Hippolyt genommen, tendiert Lumpe dazu, ihn in die zweite Hälfte des vierten Jahrhunderts zu datieren. Leider vermerkt er weder im Haupttext noch in den Anmerkungen diese massive Änderung gegenüber der von ihm bearbeiteten Vorlage.

Noch problematischer ist, daß er nach den beiden geänderten Eingangsparagraphen dieses Kapitels den weiteren Text mit Anmerkungen aus seiner Vorlage mit nur geringen Änderungen übernommen hat. Dort nun beschrieb Fischer ausgehend von "Contra Noëtum" die Geschichte und auch die Theologie dieses Häretikers. Ja, darin wird sogar spekuliert, daß "die Berichte über Noët und die kirchlichen Verhandlungen gegen ihn ... aus den Akten und Urteilen stammen, die vielleicht in Abschrift nach Rom gelangt waren" (91). Als Erklärung, warum Presbyter und nicht Bischöfe diese Synoden besuchten, heißt es: ",Die seligen Presbyter’ waren demnach Bischöfe eines Umkreises" (92), außerdem seien diese "Bischöfe als oberste Hirten und Wächter über Einheit und Glauben in Sachen Noëts auf Synoden und mit deren Autorität ein[ge]schritten", und solches "Vorgehen [sei] in damaliger Zeit nichts Unmögliches" gewesen (93). Alle diese Aussagen sind jedoch nur unter der Voraussetzung sinnvoll, daß "Contra Noëtum" doch dem römischen Hippolyt zugeschrieben wird. Erst im letzten Absatz setzt Lumpe nochmals einen einschränkenden Nebensatz zu dem älteren Text hinzu (Zusatz im folgenden kursiv), der nun aber in Spannung zu den voranstehenden Ausführungen Fischers steht: "Die beiden angenommenen Synoden gegen Noët von Smyrna waren, vorausgesetzt daß sie überhaupt stattgefunden haben, Regionalsynoden ..." (95; cf. 104; 513). Ohne eine gründliche Neufassung dieses Kapitels, bei der auch die jüngere Hippolytdiskussion zu berücksichtigen wäre, wird das Dickicht um Noët und Hippolyt nur noch undurchsichtiger.

Was die Bearbeitung der Texte betrifft, so hat Lumpe aufmerksam ältere Versehen stillschweigend gebessert (74; 2723; 43135; 50169), wenige blieben stehen (2938 lies: Zahn V, 24,4; 11418 lies: choris; 329 lies: tén); einige neue Fehler, insbesondere in griechischen Zitaten (2828 lies: Hadrianon; 55, Z. 18 f. lies: episkopus; 6628 lies: dimerus ergu; 13229 lies: to andri; 3256 lies topikè), wurden eingetragen (Titelvorsatz lies: Konziliengeschichte; 37, Z. 7 lies: bekannte; 96, Z. 9 anstatt "wie" lies: "die"; 103, Z. 8 lies: noch; 11418 lies: dürfte; 120,Z.21 lies: dürfte; 136, Z. 18 lies: Gesinnung; 182, Z. 14 lies: von; ebd.16 lies: anschloß; 193, Z. 19 lies: (usurpare); cf. 234 ff. die an den hochgestellten Anmerkungszahlen hängenden Schlußpunkte und Kommata; 394, Z. 19 lies: unbelasteten; 42651 lies: Art.; 448114 lies: etwa; 500 lies: hosei). Im Literaturverzeichnis wäre manches zu ergänzen, etwa J. A. Fischer, Die ersten Synoden, in: Theologie interdisziplinär. Synodale Strukturen der Kirche. Entwicklungen und Probleme, hrsg. v. W. Brandmüller, Donauwörth 1977, 27-60.

Gewünscht hätte man sich auch, daß nicht auf "neuere Literatur" verwiesen wird, wenn es sich tatsächlich um Literatur vor Erscheinen des Originalartikels handelt (60: vor 1976; cf. 73; 373173 u. ö.), und daß bei jedem Kapitel nicht immer wieder neu auf bereits verwiesene Literatur eingegangen würde. Diese und manch andere Dublette geben dem Band den Charakter einer Aufsatzsammlung, obwohl er als Ganzes ein sicherlich nützliches Arbeitsinstrument darstellt.