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Ausgabe:

September/2008

Spalte:

906–907

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Ipgrave, Michael [Ed]

Titel/Untertitel:

Scriptures in Dialogue. Christians and Muslims studying the Bible and the Qur’an together. A record of the seminar ›Building Bridges‹ held at Doha, Qatar, 7–9 April 2003.

Verlag:

London: Church House Publishing 2007. XIV, 154 S. gr.8°. Kart. £ 14,95. ISBN 978-0-7151-4012-3.

Rezensent:

Hanns Engelhardt

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Ipgrave, Michael [Ed.]: Bearing the World. Prophecy in Biblical and Qur’anic perspective. A record of the third ›Building Bridges‹ seminar held at Georgetown University, Washington DC, 30 March – 1 April 2004. London: Church House Publishing 2005. XII, 155 S. gr.8°. Kart. £ 12,99. ISBN 0-7151-4050-7.
Ipgrave, Michael [Ed.]: The Road Ahead. A Christian-Muslim Dialogue. A record of the seminar ›Building Bridges‹ held at Lambeth Palace, 17–18 January 2002. London: Church House Publishing 2002. XVIII, 142 S. gr.8°. Kart. £ 9,95. ISBN 0-7151-5002-2.


In der zweiten Dezemberwoche 2007 fand in Singapore das 6. »Build­ing Bridges«-Seminar statt. Dabei handelt es sich um ein jährliches Treffen, das von dem früheren Erzbischof von Canterbury, George Carey, ins Leben gerufen wurde, um christliche und muslimische Gelehrte zur Untersuchung von Themen zusammenzubringen, die für beide Religionen von Bedeutung sind. Die Anglikanische Kirchengemeinschaft steht in unterschiedlichen Formen des Dialogs mit dem Islam. Am 30.1.2002 unterzeichneten Erzbischof Carey und der Großscheich von al-Azhar (Kairo), Dr. Mohamed Sayed Tantawy, eine Vereinbarung, die die Ziele des Dialogs umschrieb und eine gemeinsame Kommission ins Leben rief, die bisher mehrmals an verschiedenen Orten zusammengekommen ist und über Gegenstände gemeinsamen Interesses diskutiert hat. Daneben fand schon im Januar 2002 im Lambeth-Palast in London auf Einladung des Erzbischofs von Canterbury ein erstes christlich-muslimisches Seminar statt, an dem auf christlicher Seite Angehörige verschiedener christlicher Traditionen teilnahmen. Weitere Seminare dieser Art haben dann jährlich an verschiedenen Orten stattgefunden. Die Themen der bisherigen Seminare waren: »The Road Ahead« (London 2002), »Scriptures in Dialogue« (Doha 2003), »Bear­ing the Word – Prophecy in Biblical and Qur’anic Perspective« (Washington 2004), »Christians, Muslims and the Common Good« (Sarajevo 2005), »Justice and Rights: Christian and Muslim Perspectives« (Washington 2006) und neuestens »Humanity in Context: Chris­tian and Muslim perspectives on being human«. Die Seminare werden heute als »Building Bridges« bezeichnet. Die hier anzuzeigenden Bände dokumentieren die Beiträge zu den ersten drei.
Das erste Seminar war um fünf Gelehrtenpaare (bestehend je­weils aus einem Muslim und einem Christen) aufgebaut, die zu je einem von fünf Hauptthemen vortrugen. In den ersten vier Sitzungen (»Christen und Muslime von Angesicht zu Angesicht«, »Lernen aus der Geschichte«, »Gemeinschaften des Glaubens«, »Glaube und Veränderung«) folgte jedem der Vorträge eine vorbereitete Antwort eines Gelehrten des anderen Glaubens, die eine allgemeine Diskussion einleitete. In der fünften Sitzung teilten die Teilnehmer sich nach einleitenden Überlegungen von Bischof Michael Nazir-Ali von Rochester (England) und Professor Gillian Stamp (Brunel Institute of Organisational and Social Studies) über den bisherigen Ge­sprächsprozess in kleine Gruppen auf, um Vorschläge für die Fortsetzung des Dialogs zu machen. Der Band enthält edierte Versionen der Vorträge und der abschließenden Überlegungen sowie Zusammenfassungen der jeweiligen Antworten und der Hauptgesichtspunkte, die in den Diskussionen hervortraten.
Das zweite Seminar beschäftigte sich mit der für beide Religionen grundlegenden Bedeutung der heiligen Schriften. In je zwei öffentlichen Vorlesungen wurden die Themen »Hören auf Gott, Lernen von der Schrift«, »Vermächtnisse der Vergangenheit, Herausforderungen für die Gegenwart« und »Die Schrift und der andere« behandelt; der Text dieser Vorträge ist in den Kapiteln 2 bis 4 des Buches wiedergegeben. Diese Kapitel bieten daneben einen Bericht über den wichtigeren Teil der Seminararbeit, der in vier parallel beratenden Kleingruppen, jeweils zusammengesetzt aus christlichen und muslimischen Teilnehmern, geleistet wurde. Diese Gruppen trafen sich insgesamt sechsmal zu einem intensiven Studium nebeneinandergestellter Abschnitte aus Bibel und Koran; dabei lagen ihnen vorbereitete Bemerkungen einer Reihe von Gelehrten vor, deren wesentlicher Inhalt ebenfalls in den Band Eingang gefunden hat. In fünf Abschnitten unter dem Titel »scripture dialogues« fasst der Herausgeber einige der Schlüsselthemen zu­sam­men, die in den Gruppendiskussionen ans Licht getreten sind. Das erste und das letzte Kapitel des Bandes beruht auf Material, das die Teilnehmer vor oder nach dem Seminar zur Verfügung gestellt haben. Das erste Kapitel gibt ihre sehr unterschiedlichen Antworten auf die Frage wieder: »Wann, wo wie und mit wem lese ich heilige Schriften?« Im letzten Kapitel fasst der Herausgeber einige Ergebnisse der Diskussionen zusammen. Er stellt fest, dass der Ausgang von den heiligen Schriften gegenüber abstrakt-begrifflichen Diskussionen charakteristisch verändert habe. Man habe Ge­mein­samkeiten und Unterschiede festgestellt. Große Unterschiede gibt es insbesondere in der Methode des Schriftgebrauchs; vor allem die Inspiration der Schrift wird sehr verschieden gesehen. Dagegen hat das Lesen der Schrift in Gemeinschaft mit dem anderen die Be­deu­tung einer gewissen Demut in der Exegese deutlich gemacht und die Leser daran erinnert, dass es viele Dinge in ihrer eigenen Schrift gibt, die sie niemals voll und abschließend verstehen werden.
Das dritte Seminar, das sich dem ebenfalls für beide Religionen wichtigen Thema der Prophetie zuwandte, war wieder durch Vorlesungspaare von je einem christlichen und muslimischen Theologen charakterisiert, zwischen die Gruppendiskussionen über Texte aus Bibel und Koran über die Berufung des Propheten, über seine Sendung zur Menschheit und über die Erfüllung der Prophetie eingeschoben waren. Die Berichte über diese Diskussionen geben die erörterten Texte (in englischer Übersetzung) wieder, je­weils gefolgt von einem kurzem allgemeinen Kommentar und mehr ins Ein­zelne gehenden Anmerkungen, die den Inhalt der Diskussionen wiedergeben. Abschließend werden Fragen identifiziert, deren Untersuchung den christlich-muslimischen Dialog weiterführen kann. Die Vorlesungspaare zum Seminarthema befassen sich mit dem Wesen der Prophetie im Allgemeinen und mit der Bedeutung von Jesus und Mohammed. Zu dem ersten dieser Themen erörtert zunächst Wadad Kadi (Chicago) das Prophetentum als Institution im Koran, sodann Ellen F. Davis (Duke, Durham NC) die persön­liche Beziehung des einzelnen Propheten zu Gott in der Sicht der Bibel. In dem zweiten Vorlesungspaar be­schreibt zunächst Mo­hammed Ayoub (Temple, Philadelphia) das Verständnis der Person Jesu in der islamischen Christologie, so­dann versucht Daniel Ma­digan SJ (Gregoriana, Rom) eine christliche Antwort auf das mus­ limische Verständnis von Mohammed. Im Schlusskapitel bietet zunächst Sr Teresa Okure sehr persönliche Nachüberlegungen aus ihrer Perspektive als Christin, Neutestamentlerin, Frau und Afrikanerin; sie stellt dabei eine biblische, christuszentrierte, geistgeleitete und entschieden inklusivistische Weltsicht vor. In seinem abschließenden Beitrag fasst der Herausgeber Kommentare und Einsichten von allen Seminarteilnehmern zusammen; er stellt da­bei die besondere Berufung der Propheten als Träger des göttlichen Wortes in den Mittelpunkt, an der in ge­wisser Weise alle Menschen teilhaben, deren Glaube auf dem Ge­horsam gegenüber der von ihnen verkündeten Botschaft beruht. Eingeleitet wurde das Seminar (und wird der Band) durch einen grundlegenden Vortrag des (nunmehrigen) Erzbischofs von Canterbury, Rowan Williams, in dem er darauf hinweist, wie wichtig es für den Dialog ist zu ver­stehen, was ein Ge­sprächspartner an der jeweils anderen Religion nicht glauben kann (und warum). Ihm folgt ein Vortrag von Mus­tansir Mir (Youngstown OH) über die Stellung des Korans zum Dialog mit Juden und Christen.
Auch in Deutschland mit seinem wachsenden muslimischen Bevölkerungsanteil nimmt die Bedeutung des gegenseitigen religiösen Verständnisses und damit des theologischen Dialogs zu. Die »Building Bridges«-Seminare können zu diesem Dialog unverzichtbare Gesichtspunkte beitragen.