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Ausgabe:

Juli/August/2008

Spalte:

876–877

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Schlemmer, Karl [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Zurück in die Zukunft. Mut zum Risiko in Pastoral, Liturgie und Ökumene.

Verlag:

Würzburg: Echter 2007. 192 S. gr.8° = Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge, 69. Kart. EUR 25,00. ISBN 978-3-429-02904-3.

Rezensent:

Reinhard Schmidt-Rost

Der Sammelband enthält Vorträge, die bei einem Symposion »Gottesdienstliche Ökumene und risikobereite Seelsorge« aus Anlass der Emeritierung des Passauer Pastoraltheologen Karl Schlemmer in Kloster Andechs gehalten wurden. Der Prager Erzbischof M. Vlk referierte über das Thema »Zukunft des christlichen Glaubens in einer atheistischen Gesellschaft«, der Wiener Weihbischof Helmut Krätzl nahm zu der Frage »Was ist aus der Erneuerung der Liturgie nach dem Konzil geworden?« pointiert Stellung; Hanna-Renate Laurien diskutierte »Einige Probleme und Perspektiven von Religion und Liturgie in einer säkularen Gesellschaft«; den evangelischen Part bei diesem Symposion spielte Dietrich Stollberg; er stellte sich bei seinem Referat über »Lex Orandi – Lex Credendi. Die Bedeutung des Gottesdienstes für die Ökumene aus evangelisch-lutherischer Sicht« einleitend »[a]ls Katholik Augsburgischer Konfession« vor, der »an Mariä Himmelfahrt selbstverständlich in den Münchener Dom« gehe, »wenn ich sowieso in dieser Stadt bin«. Diese Bemerkung wie die ganze Zusammenstellung der Texte (weitere Beiträge noch von Gabriele Pinkl, Familientherapeutin in Passau, »Mediative Elemente in der Bergpredigt«, und des emeritierten Würzburger Bischofs Paul-Werner Scheele, »Einheit vor uns. Probleme und Chancen am Anfang des Dritten Jahrtausends«) zeigen den anregend-freundschaftlichen Charakter dieser festlichen Veranstaltung. Ergänzt ist der Abdruck der Vortragsfolge durch thematisch einschlägige Beiträge aus der Feder des Herausgebers: »Die Feier des Heils in unserer Zeit«, »Gemeinsam am Tisch des Herrn« und »Ökumene – Vergangenheit oder Zukunft?« Den Band be­schließt eine kurze »Würdigung (des Jubilars) durch den Rektor der Universität Passau«.
Dass dieses Fachgespräch auf dem »Heiligen Berg« zu Andechs dem aktuellen innerkirchlichen Meinungsstreit keineswegs enthoben ist und der Jubilar als ein gerüsteter, rüstiger Ritter über die Liturgiereform des 2. Vaticanum streitet, zeigt sich in der Einführung an, die das Paradox des Titels erhellt: »In letzter Zeit ist es leider verschiedentlich üblich geworden, dass Theologen und Pries-ter, die sich in ihrer Arbeit an den Aussagen und Beschlüssen des Zweiten Vatikanischen Konzils orientieren, von gewissen Kreisen als Traditionalisten bezeichnet werden, während diese Kreise sich ›auf der Höhe der Zeit‹ wähnen. Doch bin ich gerne Traditionalist im Sinn eines Wortes von Papst Johannes XXIII.: ›Tradition ist nicht Anbetung der Asche, sondern Weitergabe des Feuers‹« (11).
Seine Forderung nach einer zeitgemäßen Pastoral zeigt sich in den Beiträgen Schlemmers an der mitunter drastisch-plastischen Wortwahl (gegen eine »Insider-Seelsorge« (86), Rat zur »Ent-McDonaldisierung« [92] der pastoralen Arbeit) und den entschiedenen Plädoyers für eine »Religion der Liebenswürdigkeit« (93). Dass solche Hoffnungen und Forderungen zu Überforderungen der Verantwortlichen führen könnten, bleibt nicht völlig verborgen: »Doch den innerkirchlichen Stimmungsabfall zu stoppen und die Krise von ihrer Wurzel her zu überwinden, vermögen nur Menschen, die ihr Christentum als Religion der Liebenswürdigkeit zu verwirklichen suchen.« (94)
Es passt zu dieser der Moderne zugewandten Auffassung der ka­tholischen Pastoraltheologie, wie sie sich unter dem Einfluss des 2.Vaticanum herausgebildet und im deutschen Sprachraum vielfältig ökumenisch entspannend gewirkt hat, dass zwei Frauen aus Politik und Sozialarbeit und eben auch ein evangelischer Kollege ausführlich und mit sehr persönlichen und ausdrucksstarken Beiträgen zu Wort kommen. Dietrich Stollberg zumal erläutert detailliert und anschaulich zugleich, warum er bei all seinem Verständnis für die katholische Tradition und Position keinesfalls konvertieren könnte, u. a. »weil ich … die Einheit in der Vielfalt für sach­gemäß halte; ... weil ich mich niemals der zentralistischen Hierarchie mit einer Gehorsam fordernden Kurie und dem Prinzip ›Roma locuta causa finita‹ unterordnen will« (69). Damit hat er möglicherweise sogar dem Jubilar in aller Stille aus dem Herzen gesprochen, ein wenig jedenfalls.
Jubiläumsgaben dieser Art gehörten in der Vergangenheit als feste Bestandteile zum akademischen Leben. Wie lange Verlage wie der in der Pflege dieser Tradition erfahrene Würzburger Echter-Verlag diese Praxis fortsetzen können, entscheidet sich letztlich sicher nicht nur an den Finanzen, sondern auch an der Substanz solcher Festgaben. In diesem Fall haben das Thema und damit die Textzusammenstellung durch die römischen Beschlüsse zur Liturgie-Reform aus jüngster Zeit (Motu propriu »Summorum pontificum« Benedicts XVI. über die Wiederzulassung des älteren römischen Ritus als forma extraordinaria vom 7. Juli 2007) eine selbst von den Veranstaltern des Symposions im Jahre 2002 allenfalls geahnte Aktualität erhalten.