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Ausgabe:

Juli/August/2008

Spalte:

822

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Cattepoel, Jan

Titel/Untertitel:

Thomas Müntzer. Ein Mystiker als Terrorist.

Verlag:

Frankfurt a. M. u. a.: Lang 2007. 154 S. 8° = Beiträge zur Kirchen- und Kulturgeschichte, 19. Kart. EUR 34,00. ISBN 978-3-631-56476-9.

Rezensent:

Eike Wolgast

Der studierte Jurist und Philosoph versteht sein Buch als Bestätigung seines 1972 publizierten Aufsatzes über »Ansätze zu einer Rechtsphilosophie bei Thomas Müntzer« (Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht, Bd. 23, 147–169). Angesichts des eindrucksvollen Literaturverzeichnisses, das durchaus den modernen Forschungsstand widerspiegelt, erstaunt die flache und unnuancierte Darstellung von Müntzers Theologie, Ekklesiologie und Ge­schichtsbild sowie seiner Tätigkeit als »Agitator und Politiker«. Die Methode C.s besteht vor allem darin, auf weite Strecken hin Mün-tzer-Zitate gleichgewichtig mit eigenen Ausführungen zu kombinieren. Dabei wird Müntzer statisch behandelt, Entwicklungen sind nicht berücksichtigt. Die Argumentation macht nicht selten den Eindruck eines Kampfes gegen Windmühlenflügel – alte, vom Forschungskonsens seit Langem geklärte Fragen wie die »sozialistische Deutung« Müntzers seit Engels werden noch einmal aufgenommen, ohne jedoch neue Antworten zu finden.
Auf Einzelheiten braucht nicht eingegangen zu werden; er­wähnt sei immerhin die Überzeugung C.s von der »sadomachistischen Ausrichtung der Gott-Mensch-Beziehung« bei Müntzer (34 f.) oder von Müntzers Interpretation des letzten Abendmahls Chris­ti als »eine Art psychische Folter« (51). Als Agitator wird Mün-tzer mit Hitler verglichen, da beide die in ihrer Zeit modernsten Techniken einsetzten. Der reißerische Untertitel der Arbeit erklärt sich aus C.s Konstruktion eines Zusammenhangs zwischen (»fehlgeleiteter«) Mystik, Apokalyptik und Terror. »Terroristische Machtausübung«, wie sie Müntzer unterstellt wird, ist von C. dadurch definiert, dass sie »im Außenverhältnis keine Abstufungen und im Innenverhältnis keine Selbstbeschränkung kennt. Dies beruht letztlich darauf, dass diese Art der Politik die ihr unterworfenen Menschen allein als Mittel zu irgendwelchen Zwecken ansieht« (124, Anm. 585). Müntzers apokalyptische Weltsicht und seine Predigt dieser Definition zuzurechnen – der Ungläubige hat kein Recht auf Leben, also ist Müntzer Terrorist –, zeigt, wie wenig C. von Müntzers eigentlichem Anliegen verstanden hat.