Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Juli/August/2008

Spalte:

792–793

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Job, John Brian

Titel/Untertitel:

Jeremiah’s Kings. A Study of the Monarchy in Jeremiah.

Verlag:

Aldershot: Ashgate 2006. XIV, 233 S. m. Abb. gr.8° = Society for Old Testament Study Monographs. Lw. £ 50,00. ISBN 978-0-7546-5505-3.

Rezensent:

Rainer Albertz

Die bei Ronald Clements in Cambridge gearbeitete Dissertation behandelt im Kern die Sammlung an Königssprüchen im Jeremiabuch (Jer 21,1–23,8), bezieht aber auch Jer 24 (wegen seiner Rahmenfunktion zu 21,1–10) und weitere Texte mit ein, in denen Könige eine Rolle spielen (z. B. Jer 26; 27–29; 30,9 f.21; 33; 36; 52).
Nach einer forschungsgeschichtlichen Einleitung zur Redaktionsgeschichte des Jeremiabuches (1–14), gibt J. einen Überblick über die Sammlung der Königssprüche, wobei er sich besonders mit deren späteren Rahmenteilen Jer 21,1–10 und 24 auseinandersetzt (15–37). In der Rekonstruktion der ältesten Sammlung folgt er weitgehend Hermisson (Jer 22,10.13–17a.18aβ.19.*24.*26.28–30), verneint aber die Existenz einer dtr Redaktion. In den folgenden Kapiteln 3–9 (39–161) behandelt J. die Einschätzung der Könige Josia, Joahas, Jojakim, Jojachin, Zedekia, David und Nebukadnezar, angefangen von authentischen Worten Jeremias bis in die spätesten Redaktionsschichten hinein. Es folgt dann noch eine Zusammenfassung (163–170). Abgeschlossen wird das Buch durch eine längere hermeneutische Betrachtung, wie die Texte des Alten Testaments, insbesondere die des Jeremiabuchs mit seiner bis in die Textgestalt sichtbaren Wachstumsgeschichte, als Heilige Schrift der christlichen Kirche verstanden werden können (171–201).
Wie schon der Aufriss zeigt, verfolgt J. mit seinem Buch sowohl ein sachliches, die Einschätzung der Könige im Jeremiabuch betreffendes, als auch ein redaktionskritisches Anliegen. Er sah sich mit divergierenden Zugängen zum Jeremiabuch konfrontiert, die in England eine besonders schroffe Ausprägung gefunden haben: auf der einen Seite William L. Holladay, der fast jede Passage des Jere-miabuches mit einer Lebenssituation des Propheten in Verbindung bringt, auf der anderen Seite Robert Caroll, nach dessen Meinung das Buch einen exilisch-nachexilischen Disput über die Katastrophe darstellt, hinter dem die Gestalt Jeremias völlig verschwin­det (1). In diesem Streit suchte J. nach einer Zu­gangs­möglichkeit, die einerseits die ipsissima vox des Propheten nicht völlig leugnet, andererseits aber auch der langen Wachstumsgeschichte des Buches Rechnung trägt. Und er fand diese – für einen englischsprachigen Autor heutzutage etwas Besonderes – in den – leider immer noch nicht voll ausgearbeiteten – redaktionsgeschichtlichen Mo-dellen neuerer deutscher Exegeten, vor allem von Konrad Schmid, aber auch von Karl-Friedrich Pohlmann und Christel Maier.
Das sachliche Ergebnis der Untersuchung ist folgendes: Von den judäischen Königen seiner Zeit stand Jeremia nur Josia wohlwollend gegenüber und hegte eine gewisse Sympathie für Joahas. Dagegen verurteilte er Jojakim und Jojachin scharf, vor allem wegen deren antibabylonischer Politik. Gegenüber Zedekia, der als babylonischer Vasall auf den Thron kam, mag er anfangs ein gewisses Wohlwollen gezeigt haben, war dann aber von seiner politischen Kehrtwende tief enttäuscht.
Während der Exilszeit wurde das positive Bild Josias im Jeremia­-buch noch weiter verstärkt; in der Erzählung Jer 36 erscheint er als implizites Gegenbild (vgl. 2Kön 22) zu Jojakim. Im Gefolge von Stipp meint J. auch, dass der Prophet erst in der Exilszeit zu einem Gefolgsmann der Josianischen Reform gemacht wurde (z. B. Jer 3,6). In der frühnachexilischen Zeit ist nach J.s Meinung der königliche Anspruch Serubbabels propagiert (Jer 23,5 f.; vgl. Hag 2,23), aber auch bestritten worden (Jer 22,24–30). Auf Serubbabel sei auch ursprünglich die Verheißung vom Ende der Gerichtszeit nach 70 Jahren bezogen gewesen. Erst sein dubioses Ende habe eine Umdeutung auf Kyros (539 v. Chr.) und darum eine Umdatierung von Jer 27,1 in das Jahr 609 nötig gemacht.
Was die redaktionskritischen Ergebnisse betrifft, so sieht J. die Einwände gegen die These einer dtr Bearbeitung des Jeremiabuchs (Hyatt, Thiel) bestätigt. Wie Pohlmann und Schmid rekonstruiert er die Redaktionsgeschichte primär auf der Grundlage der Tendenzkritik und schenkt den stilistischen Merkmalen bewusst we­nig Beachtung (169); allerdings kommt er im Einzelnen zu oft abweichenden Ergebnissen. Darüber hinaus plädiert J. für die Berücksichtigung einer späten Tora-orientierten Bearbeitungsschicht im Sinne von Maier und eine zeitliche Ausweitung der Golah-orientierten Redaktion auf mehrere Jahrhunderte. Damit würde allerdings Schmids redaktionsgeschichtliches Modell, das schon zehn Überlieferungsstufen enthält, noch komplexer und diffuser.
Die Stärken dieses Buches liegen in seinen minutiösen textlichen Untersuchungen, in denen sich manche gute Beobachtung findet. Sein Ertrag ist allerdings aus meiner Sicht eher bescheiden. Die eigentlich spannende Frage, wie im Jeremiabuch neben eine beispiellos schroffe Kritik an den Davididen im Gerichtswort über Jojachin (22,24–30), die sogar die Nathanverheißung negiert, erneut zuerst zaghafte und dann dezidierte Verheißungen eines zukünftigen Davididen (23,5 f. u. a.) treten konnten, wird nicht gestellt, da J. den Widerspruch zwischen den genannten Texten redaktionsgeschichtlich teilweise einebnet und sie beide auf Serubbabel bezieht. Wohl vermutet J. »a debate about Zerubbabel« (129), aber er lässt deren geschichtliche Einordnung und theologische Auswirkungen offen. Desgleichen bleiben die literarischen Zuordnungen der Texte durch J. oft so weitläufig, vage und unsicher, dass für mich auch auf dem Feld der Redaktion des Jeremiabuches kein wesentlicher Fortschritt erkennbar ist.
Im Buch finden sich viele Druckfehler (allein vier in zwei Zeilen auf S. 86); auch bei der Drucklegung ist wohl einiges schiefgegangen (wilder Zeilenumbruch S. 168; fehlender Index für Jer 22–23, dafür zweimal die gleiche Seite auf S. 222 und 223).