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Ausgabe:

Juli/August/2008

Spalte:

783–785

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Pichler, Josef, u. Christoph Heil [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Heilungen und Wunder. Theologische, historische und medizinische Zugänge. Hrsg. in Zusammenarbeit m. Th. Klampfl.

Verlag:

Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2007. 302 S. gr.8°. Geb. EUR 59,90. ISBN 978-3-534-20074-0.

Rezensent:

Peter Busch

Der Band umfasst eine Sammlung von insgesamt 17 Aufsätzen in deutscher Sprache, die einen weitgefächerten Zugang zu den biblischen Phänomenen »Wunder« und »Heilung« ermöglichen sollen. Hierzu, und dies macht den zu besprechenden Band im Reigen der neueren Untersuchungen zum biblischen Wunderbegriff zu etwas Besonderem, werden interdisziplinär philosophische, theologische und medizinische Fragestellungen und Darstellungen aufgeboten und das Themenfeld wird damit in besonderer Breite behandelt.
Dass angesichts eines derart »breit« angelegten Vorhabens trotz eines verbindenen Editorials das Auffinden eines »roten Fadens« durch die Aufsätze oft dem Leser überlassen bleibt, ist wohl kaum zu umgehen; folgende Profilierung des Bandes sei bei aller Buntheit vorgeschlagen: Insgesamt fällt bei der Lektüre der teilweise thematisch recht weit voneinander entfernt liegenden Aufsätze auf, dass sie sich zum großen Teil rezeptionsorientiert dem Wunderbegriff annähern. Beispielsweise die erste der Positionen von R. Estebauer (»Vom Wunder der Wirklichkeit zum Wunder der Sprache. Bemerkungen zu einem nicht geläufigen philosophischen Be­griff«), der sich um eine philosophische Annäherung an den Wunderbegriff bemüht: Der Frage nach dem Wunder wird die vom platonisch-aris-totelischen »philosophischen Staunen« hergeleitete Grundeinstellung des Menschen des Staunens über die so abgründige Wirklichkeit immer neue Nahrung gegeben, und diese Attitüde gehe Hand in Hand mit der nie endenden Versprachlichung dieses Staunens. Es ist also eine Grundeinstellung des Rezipienten, die Wunderwahrnehmung ermöglicht, und dies wird im Artikel von E. Pernkopf (»Wo die Natur die gewohnte Straße verlässt. Zu Wundern in den Naturwissenschaften«) naturwissenschaftlich untermauert: Die »Ver-wun­derung«, das »In Anspruch genommen Sein von unterwarteten Phänomenen«, die Wahrnehmung des gerade Abständigen jenseits der Regelmäßigkeit von Seiten des Naturwissenschaftlers beschreibt die einschlägige Grundattitüde. Nicht, dass auf Kosten der reinen Rezeptionsästhetik eine Sachbeschreibung der Phänomene Krankheit oder Heilung undiskutiert bliebe – dies wird etwa im Artikel von B. Obermayer-Pietsch (»Krankheit, Heilung, Wunder – aus medizinischer Perspektive«) differenziert geleistet. Doch deutlich spürbar ist, wenn man dem bunten Strauß der Aufsätze eine »rote Linie« nachzeichnen möchte, die Diskussion des Wunderbaren als menschliche Grundeinstellung jenseits einer Kategorisierung des Phänomens. Dazu passt sehr gut der spirituelle Ansatz von J. Weismayer (»Christliche Spiritualität als Heilwerden«), der den Begriff der »Heilung« mit einer (besonders von H. Urs v. Balthasar begrifflich geprägten) christlich-spirituellen Grundhaltung verspricht, ebenso wie der medizinische von K. Usar (»›Wohin sonst sollen wir gehen …?‹« Gedanken eines Arztes für Homöopathie zum Thema Heil und Heilung durch Jesus von Nazareth«).
Bedeutender Raum wird in diesem Sammelband Aufsätzen zur biblischen Tradition zugemessen; für die alttestamentliche und jüdische Diskussion und insbesondere für die Wundertradition in den jüdischen Gebets- und Weisheitstexten wären die Studien zu nennen von U. Rapp (»Das Wunder ist nur im Lob zu sagen. Versuche zur Wunderrede im Buch Jesus Sirach«), J. Schiller (»Heilung im Gebet? Der Weg von der Klage zum Lob in den Psalmen«), J. Maier (»›Ich, JHWH, bin dein Arzt!‹ Heilung durch Gott und ärztliche Kunst in der jüdischen Tradition«). Im Rahmen der neutestamentlichen Thematik sind die Aufsätze von L. Oberlinner (»Können Wunder schief gehen? Zur Petrus-Episode in der Seewandelgeschichte Mt 14,22–33«), R. v. Bendemann (»Christus der Arzt. Krankheitskonzepte in den Therapieerzählungen des Markusevangeliums«), B. Mörtel (»Die Heilung der Schwiegermutter [Mk 1,29–31]. Freude oder Ärgernis?«), I. Broer (»Die Heilung des Gelähmten am Teich Bethesda [Joh 5,1–9a] und ihre Nachgeschichte im vierten Evangelium [Joh 5,9b–16]«), J. Pichler (»Am Ende gerettet und heil – Apg 27 und Lk 22,5«) dargeboten. Für die biblische Nachgeschichte stehen die Studien von M. Küchler (»Heil ergehen in Jerusalem«), und J. B. Bauer (»Wunder Jesu in den Apokryphen«). Als eigener Beitrag für das »Wunderverständnis im Islam« ist der Aufsatz von A. Zaidan zu verstehen, in dem die Vielfalt der Wunderbegrifflichkeit im Koran einerseits und ein vom Koran geprägter Wissenschaftsbegriff andererseits zu Sprache kommen.
Die Verbindung zur aktuellen volkskirchlichen Wirklichkeit ist wohl bei vielen Darstellungen erkennbar, wird aber explizit nur für die Religionspädagogik von B. Kollmann (»Grundprobleme und Perspektiven der Wunderdidaktik«) in einem eigenen Aufsatz behandelt.