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Ausgabe:

Juni/2008

Spalte:

684–685

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Fischer, Michael, u. Richard Hammer [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Wirtschafts- und Unternehmensethik.

Verlag:

Frankfurt a. M. u. a.: Peter Lang 2007. 396 S. m. Abb. 8° = Ethik transdisziplinär, 5. Kart. EUR 54,00. ISBN 978-3-631-54746-5.

Rezensent:

Andreas Pawlas

Der zu besprechende Band ist das Ergebnis einer Workshop-Reihe im Rahmen des vom österreichischen Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur in Auftrag gegebenen Forschungsprojektes »Der aktuelle Stand der Ethik in den Wissenschaften in Österreich. Auswirkungen, Perspektiven und Maßnahmen« (8). Die Herausgeber haben dabei 27 Autoren unterschiedlichsten Profils und un­ter­schiedlicher Qualität aus Wissenschaft und Praxis zu Wort kommen lassen. Insgesamt ist das Ergebnis ein ansehnlicher Impuls für die Entwicklung der Wirtschafts- und Unternehmensethik als wissenschaftlicher Disziplin – nicht nur in Österreich.
Den ersten der drei Abschnitte leitet Klaus Firlei ein mit der Erkenntnis, dass »Erlebnisgesellschaft und Erlebnisökonomie« bisher zwar kein Thema der Ethik seien (16), aber zentrale Bedeutung gewinnen dürften im Zeitalter einer »affektiven, immateriellen Produktion« (19 f.). Dabei sei alles erlaubt und Permissivität und Enttabuisierung seien ein ganz wesentlicher Treibstoff (23). So mache hier die Wirtschaft »die Seele zum Komplizen des Kommerzes« (33).
Entsprechend geißelt Johann J. Hagen die Praxis der Selbstverwirklichung durch Konsum (39). Ebenso ergänzt Reinhard Bachleitner, dass im Rahmen der Konsumkultur bzw. des Konsumkults die »Kathedralen des Konsums« Orte der Glücksfindung und Identitätsbildung seien (61). Eine »Konsumethik« sieht er gegliedert in Produktionsethik, Kommunikationsethik, Verbraucherethik und schließlich einer übergeordneten Wirtschaftsethik mit gesetzlichen Rahmenrichtlinien (64).
Im zweiten Abschnitt stellen zunächst Andreas Henkel und Peter Güttersberger heraus, wie hilfreich eine ethische, also gute Behandlung von Mitarbeitern zur Förderung ihrer Motivation und Identifikation sei (181.189 ff.). Und bei Michael Fischer kann man unter dem Titel »Ethik als wirtschaftliche Chance« (137 ff.) lesen, dass »Ethik ... ein ökonomischer und berechenbarer Mehr­wert und eine wesentliche Instrumentierungsmöglichkeit für seriösen Er­folg« sei (142). Dem stimmt offensichtlich Roland Haslauer zu (319). Dennoch erinnert Elmar Waibl daran, dass im Kantischen Sinne eine wirtschaftliche Handlung nur als »gut« gelten könne, wenn die Intention da sei, »das Gute um des Guten willen zu tun« – und nicht, weil es vorteilhaft sei (96 f.). Und entsprechend betont Helmut Schüller aus christlicher Sicht, dass Ethik bedeute, als Menschen »ver-antwortend« (vor Gott) zu leben (14).
Jürgen Wallners Interesse liegt dagegen bei einer nachhaltigen Institutionen-Ethik (132 f.). Josef Langer gibt den geographischen Überblick, dass Österreich im Rahmen des »globalen Wertespektrums« zwar kulturell Teil des »Katholischen Europa« sei (151 f.), in der Wirtschaftskultur jedoch eher Teil des »Germanic Europe« (155). Und die österreichische »Ostkompetenz« bestehe weniger kul­turell als eher ökonomisch (156 ff.)
Im dritten Abschnitt gibt zunächst Ekkehard Kappler Beispiele von Unternehmensleitbildern (206 ff.) und fragt zu Recht nach dem dahinterstehenden Menschenbild (219). Offenbar gehört für ihn auch zur Ethik, zum Überschreiten von Grenzen und zur mentalen Öffnung im Interesse der Zukunftsfähigkeit zu ermuntern (230). Ähnlich erwartet Sonja Grabner-Kräuter von einer Ethik nicht neue Vorschriften, sondern eher »die Eröffnung neuer oder un­gewohnter Perspektiven, ... das Stellen neuer Fragen und ... das Einbringen neuer­ Überlegungen« (247). Richard M. Hammer stellt heraus, dass sich unternehmensethische Leitbilder auf Grundrechte, Grundeinstellungen und Grund­verhaltensmuster des Unternehmens und der Organisationsmitglieder bezögen (259). Deshalb sei Ethik für strategische Unternehmungsführung essentiell (265). Allerdings sei der Wert eines Leitbildes abhängig von der lebendigen Umsetzung und dem guten Vorbild der obersten Führung (266). Dem stimmt James Bruton zu (270). Allerdings analysiert er auch, dass es »in der Forschung kaum Anhaltspunkte dafür [gebe], dass Leitbilder das Verhalten von Mitarbeitern beeinflussen« (271). Es fol­gen sodann einige ethische Konkretionen, wobei für Sabine Urnik das »Ethische« in der Steuergesetzgebung schlicht das »Ge­rechte« ist (305). Silvia Augeneder beklagt bezüglich der »Corporate Social Responsibility« deren häufigen Missbrauch als Marketing-Instrument (329). Interessant ist das Argument Stefan Szücs bezüglich des Insider-Handels (357 ff.), dass gegen ihn nicht nur der etwas unpräzise Vorwurf der Unfairness zu erheben sei, sondern dass er auf Grund der asymmetrischen Information mit einer Täuschung über den Wert des Produkts (Aktie) zu tun habe. (366 f.). Nach dem von Gisela Heindl gegebenen Überblick über die Geschichte der Ethischen Investments (369 f.) und über Ethische Investments in Österreich als Nischenprodukte (370 ff.) beendet schließlich ein Beitrag von Walter Scherrer den Sammelband, in dem er die ethische Fruchtbarkeit von Leitbildprozessen in einer (der Salzburger) Region plausibel darlegt (390).
Insgesamt rätselt der Rezensent jedoch, warum bei einer so um­fangreichen Autorenschaft auf wichtigste evangelische Entwürfe zur Wirtschafts- und Unternehmensethik (Rich, Nethöfel, Hone­cker) gar nicht und selbst auf katholische (Koslowski) nur ganz am Rande eingegangen wird. Hat das eventuell mit dem sonst so charmanten Bezug zum Salzburger Land zu tun? Allerdings müssten dann die vielen Verweise auf Steinmann und Löhr usw. verwundern. Wie dem auch sei, der Sammelband stellt einen anregenden wirtschafts- und unternehmensethischen Impuls dar.