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Ausgabe:

Juni/2008

Spalte:

640–642

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Waddell, Robby

Titel/Untertitel:

The Spirit of the Book of Revelation.

Verlag:

Blandford Forum: Deo Publishing 2006. XII, 226 S. gr.8° = Journal of Pentecostal Theology, 30. Kart. £ 19,95. ISBN 90-5854-030-8.

Rezensent:

Hansgünter Reichelt

Die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem letzten Buch des Neuen Testaments stellt wohl zu allen Zeiten eine besondere Herausforderung dar. Denn in vielfacher Hinsicht unterscheidet sich die Apokalypse des Johannes ganz wesentlich von den übrigen neutestamentlichen Schriften. Nicht allein Sprache, Struktur und Symbolik dieses großen Theologen schufen ein Werk sui generis, auch die Fragen nach der theologischen Mitte bzw. nach den theologischen Hauptmotiven differieren wohl bei keinem anderen neu­testamentlichen Buch so stark wie bei der Offenbarung des Johannes. Zugleich stellen das große Interesse verschiedenster religiöser Gruppierungen und die Vielzahl nichtwissenschaftlicher Interpretationen unterschiedlichster Couleur eine weitere Herausforderung an die akademische Forschung dar.
Auf diesem Hintergrund stellt eine Arbeit wie die vorliegende Un­tersuchung, eine überarbeitete Fassung der im Jahre 2003 von der University of Sheffield angenommenen Dissertation, eine in­ter­essante und reizvolle Aufgabe dar. Waddell, gegenwärtig als Assistant Professor of New Testament an der Southeastern University in Lakeland (Florida) tätig, hat sich das Ziel gesetzt, die Rolle des Geistes in der Johannesoffenbarung zu untersuchen. In Erwartung einer um­fassenden monographischen Untersuchung über dieses bisher nur unzureichend behandelte Thema in der Johannesoffenbarung muss sich der Leser dieser Arbeit jedoch lange Zeit gedulden. Denn lediglich das letzte Drittel des Buches widmet sich der unmittelbaren exegetischen Behandlung dieses Themas. Der Hauptteil der Dissertation ist vielmehr von zwei anderen Themen geprägt, die innerhalb der methodischen Voraussetzungen einer ausführlichen Betrachtung un­terzogen werden – »Intertextualism« und »Pentecostalism«.
Somit ist die gesamte Arbeit in eine Einführung, vier Hauptkapitel sowie ein Schlusskapitel untergliedert. Das erste Kapitel stellt einen Forschungsüberblick über bisherige Untersuchungen zur Rolle des Geistes in der Offb dar. Insbesondere die »sieben Geister«, die entweder in Bezug zu den sieben Erzengeln gesetzt werden oder als Ausdruck des einen Geistes Gottes betrachtet werden, sowie der absolut gebrauchte Ausdruck »der Geist« spielen dabei eine Rolle. In Bezug auf das Ziel der gesamten Untersuchung formuliert W. daher abschließend folgende Aufgabe: »In this study, I seek to offer a new contribution to the understanding of the role of the Spirit in the Apocalypse, a pro nobis understanding which acknowledges the influences of my own cultural and spiritual context. The goal is to inquire into the intertextual relationship between my own confessional context in a Pentecostal interpretative community and the literary references to the Spirit in the Apocalypse.« (37)
So wendet sich W. im folgenden Kapitel 2 zunächst der Literaturtheorie »Intertextuality« zu, einer Theorie, deren Definition in­ner­halb der biblischen Forschung durchaus noch umstritten ist, die jedoch, ganz allgemein gefasst, die Beziehungen unterschiedlicher Texte zueinander in ihrer Wechselwirkung bezeichnet. Nä­her be­trachtet werden dabei sowohl die Literaturtheorie selbst, ihre An­wendung innerhalb der biblischen Forschung wie auch speziell innerhalb von Untersuchungen zur Offb (J.-P. Ruiz und S. Moyise). Dabei erweist sich für W. diese Literaturtheorie als eine Alternative zur Quellen- bzw. Redaktionskritik. In welcher Weise sich jedoch eindeutige Kriterien für diese zweifelsohne vorhandene Form von Wechselbeziehungen zwischen verschiedenen Texten erheben lassen, bleibt eine offene Frage. In Kapitel 3 beschreibt W. seinen un­mit­telbaren konfessionellen Kontext, die Pfingstbewegung, die we­sent­lichen Einfluss auf sein wissenschaftliches Arbeiten besitzt. Dies geschieht sowohl in historischer wie in theologisch-hermeneutischer Hinsicht. In einer kritischen Auseinandersetzung mit der his­torisch-kritischen Methode fragt W. dabei insbesondere de­ren vorwiegend diachrone sowie objektive Be­trachtungsweise an. Als ergänzende Alternative steht für ihn demgegenüber eine pfingstlich geprägte Hermeneutik, die eine nicht-neutrale, subjektive wie geistliche Annäherung an die Letztgestalt des Textes favorisiert, die zu­gleich im Kontext einer geistlichen Ge­meinschaft geschehen soll. Weiterhin spielt für pfingstliche Hermeneutik die mündliche Di-mension des Textes neben dem evangelischen sola scriptura eine nicht zu unterschätzende Rolle. Auch in diesem Kapitel erweist es sich jedoch als schwierig, in einen konstruktiven Dialog mit der Theologie der Pfingstbewegung zu treten, wenn als Fazit einer pfingstlichen Hermeneutik lediglich die natürlich nicht zu leugnende Formulierung steht: »Unless we believe, we shall not understand.« (118)
Im vierten Hauptkapitel, dem exegetischen Teil der Arbeit, wendet sich W. zunächst der strukturellen Gliederung der Offb zu, in­dem er wichtige Zusammenhänge zwischen einzelnen Texten bzw. Wendungen überzeugend aufzeigt wie auch die Formulierung ἐν πνεύματι als bewusst gestaltetes Strukturmerkmal erläutert. Auf dem Hintergrund von Sach 4 als dem »primären Intertext« sieht W. dann in Offb 11,1–13 das literarische wie auch theologische Zentrum der Offb, indem er das Doppelbild von den zwei Ölbäumen und den zwei Leuchtern in Verbindung mit dem »Geist« als zentralen Ausdruck für die Rolle des Geistes im prophetischen Dienst der Gemeinde betrachtet. Im Gegensatz zu den zahllosen bisherigen Deutungsversuchen hinsichtlich der Identität der zwei Zeugen repräsentieren diese für W. somit die gesamte Kirche. In Form einer »erzählenden Prophetie« (174) werde so in Offb 11,1–13 die gesamte Kirche durch den »Geist der Prophetie« beauftragt, prophetisch in der Welt zu handeln.
Die Untersuchung von W. wendet sich in weiten Teilen grundsätzlichen Fragen zur Textinterpretation und zur theologischen Hermeneutik biblischer Texte zu, und dabei speziell der Johannes­offenbarung. Inwieweit diese Fragestellungen auf dem Hintergrund von »Intertextualism« bzw. von der Pfingstbewegung ge­prägter Hermeneutik jedoch tatsächlich einen wesentlichen exegetischen Erkenntnisgewinn darstellen bzw. zur Interpretation der Offb Weiterführendes beitragen, bedarf m. E. weiterer Klärung. Daher bleibt der Dialog sowohl mit literaturtheoretischen Ansätzen wie »Intertextualism« als auch mit der Bewegung pfingstlich geprägter Theologie weiterhin eine Aufgabe, die intensiver Bemühungen bedarf.