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Ausgabe:

Juni/2008

Spalte:

601–602

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Logan, Alastair H. B.

Titel/Untertitel:

The Gnostics. Identifying an Early Chris­-tian Cult. Foreword by the Archbishop R. Williams.

Verlag:

London-New York: T & T Clark (Continuum) 2006. XVII, 150 S. m. Abb. gr.8°. Kart. £ 19,99. ISBN 0-567-04062-3.

Rezensent:

Winrich Löhr

Während einige moderne Gelehrte (wie z. B. Michael Allen Will­i­ams und Karen King) dazu neigen, Begriffe wie ›Gnosis‹ oder ›Gnos­tizismus‹ oder auch ›Gnostiker‹ zu dekonstruieren und ihnen damit die Möglichkeit historischer Konkretisierung abzusprechen, sind andere weiterhin damit beschäftigt, nach einer derartigen identifizierbaren historischen Basis zu suchen. Zu ihnen gehört auch Alasdair Logan, Senior Lecturer an der University of Exeter und bereits durch mehrere einschlägige Veröffentlichungen (z. B. Gnostic Truth and Christian Heresy, Edinburgh 1996) ausgewiesen.
L. verficht die These, dass die Gnostiker im 2. Jh. als ein Kult innerhalb des Christentums entstanden. Gnostiker sind für ihn diejenigen, die 1. sich selbst als ›Gnostiker‹ bezeichnen, die 2. von unterrichteten Zeitgenossen wie Irenäus, Celsus oder Porphyrius als solche bezeichnet werden, die 3. auf den gnostischen Mythos, der von Irenäus, haer 1,29 sowie dem Apokryphon des Johannes bezeugt wird, in der einen oder anderen Weise rekurrieren, sich Selbstbezeichnungen wie ›Kinder des himmlischen Seth‹ oder ›unbewegliches Geschlecht‹ beilegen sowie bestimmte Initiationsriten zelebrieren und ihre theologische Weisheit aus bestimmten Buchsammlungen (wie z. B. der Nag Hammadi-Bibliothek) beziehen (9). Die Gnostiker verstanden sich als Christen, sind klar von den Valentinianern zu unterscheiden und sind, laut L., zuerst in den Ignatiusbriefen bezeugt. Sie waren keine Sekte (definiert als ›schismatic deviant movement seeking to revive an old faith‹), sondern ein Kult (definiert als: ›non schismatic deviant movement, introducing an alien religion or inventing a new indigenous one‹); L. rekurriert hier auf die Kategorien amerikanischer Religionssoziologen wie Rodney Stark und William Sims Bainbridge (58). L. rekonstruiert das innere Leben dieses Kultes, dessen diverse Riten (z. B. Taufe und Salbung) und dessen asketischen Lebensstil (76–88). Schließlich versucht er auch noch das berühmte ›Hypogäum der Aurelier‹ an der Viale Manzoni in Rom als Begräbnisplatz just dieser Gruppe zu erweisen (89–123).
Die knapp und flüssig formulierende Monographie L.s will eine These präsentieren und Argumente für sie sammeln – die Argumentation ist daher öfters recht einlinig und konstruierend. Komplexe Probleme wie das der Herkunft der Nag Hammadi-Texte und der Interpretation der Aureliergruft werden – mit durchaus bedenkenswerten Erwägungen – knapp diskutiert und dann einer zur übergreifenden Hypothese passenden Lösung zugeführt. Die Klassifizierung der Gnostiker als ›cult movement‹ fungiert als eine Art Passepartout: L. kann zwar konzedieren, dass einige gnostische Gruppen ganz wie philosophische Schulen aussahen, um dann aber gleich darauf zu versichern, dass sie dennoch ›cult movements‹ seien (114). L. hat aber auf jeden Fall das Verdienst, die Erforschung der christlichen Gnosis um eine klar formulierte und begründete Hypothese bereichert zu haben, die in der weiteren Forschung zu beachten und zu diskutieren sein wird.