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Ausgabe:

März/1997

Spalte:

239 f

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Keel, Othmar

Titel/Untertitel:

Corpus der Stempelsiegel-Amulette aus Palästina/Israel. Von den Anfängen bis zur Perserzeit. Einleitung.

Verlag:

Freiburg Schweiz: Universitätsverlag; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1995. 366 S. m. zahlr. Abb. 4° = Orbis Biblicus et Orientalis. Series Archaeologica, 10. Pp. sFr 148.­. ISBN 3-7278-1005-X.

Rezensent:

Friedhelm Hartenstein

Mit diesem Band liegt die umfangreiche Einleitung zu dem seit Anfang der achtziger Jahre durch O. Keel und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorbereiteten Katalogwerk der Stempelsiegel aus Palästinas/Israel vor. Das mit zahlreichen Illustrationen und Tabellen versehene, übersichtlich nach Paragraphen gegliederte Buch bietet sehr viel mehr als eine bloße Einführung in das Material der vier im Anschluß geplanten Katalogbände. Vielmehr bekommen Archäologen, Historiker und Theologen damit ein unentbehrliches Nachschlagewerk für die Arbeit mit ikonographischen Quellen zur Rekonstruktion der Religionsgeschichte Palästina/Israels in die Hand.

Ein erster Abschnitt (Teil I, 7-12) informiert über den dreifachen Zweck des Unternehmens: Von archäologischer Seite existierten bisher keine umfangreichen Zusammenstellungen von ägyptischen Siegelamuletten, in denen das Material aufgrund gesicherter Fundzusammenhänge geordnet und ausgewertet werden konnte. Insofern bildet die Datierung von Objekten dieser häufigsten Gattung der Miniaturkunst ein immer noch in vielem ungeklärtes und umstrittenes Gebiet. Hier bietet das Katalogprojekt eine neue breite Basis für Datierungen, da die meisten der ca. 8500 Objekte aus beschreibbaren Fundkontexten stammen. Dadurch kann ein wichtiger Beitrag zur Bereitstellung von Kriterien für die zeitliche Einordnung ägyptischer und levantinischer Stempelglyptik geleistet werden. Außerdem stellt das Katalogprojekt einen Beitrag zur Archäologie Palästinas/Israels selbst dar, insofern bisher noch niemals der Versuch unternommen wurde, die aus dem Land der Bibel stammenden Stempelsiegel-Amulette möglichst umfassend zu sichten und zu systematisieren. Das Hauptziel des Katalogwerks bildet die Erschließung einer breiten Quellengrundlage für die Arbeit des Historikers. Die Beschriftung, vor allem aber die Ikonographie der Siegelamulette ermöglichen Einblicke in die politische Geschichte, die Kulturgeschichte und die Religionsgeschichte Kanaans und Israels. Zentrale Gehalte des religiösen Symbolsystems können nicht nur durch Vergleiche ermittelt, sondern auch in ihrer Leitbildfunktion regional und zeitlich differenziert werden (§ 13; 11). Ein zweiter Teil des Bandes erläutert den chronologischen Rahmen des Katalogs und die Organisation des Materials nach Fundorten in alphabetischer Anordnung, was leicht spätere Ergänzungen erlaubt (Teil II, 13-15). Ein dritter Teil ist der Gestaltung der Bilddokumentation gewidmet. Mit Photos und Zeichnungen der drei Ansichten Basis, Seite und Rücken soll eine möglichst umfassende Information geboten werden (Teil III, 16-17). Den Hauptteil bilden die Erklärungen zu den einzelnen Rubriken des Katalogs (Teil IV, 19-256). In Form einer handbuchartigen Zusammenstellung, die stets auch Referate zur Forschungsgeschichte der behandelten Themen enthält, findet der Leser hier zuerst alle wichtigen Informationen über die Objekte selbst (Teil IV.A, 19-155). Die verschiedenen Formen der Stempelsiegel (Skarabäen, Figuren-Skaraboide, Platten, Konoide etc.) sowie die überlieferten Halterungen und Arten ihres Tragens werden ebenso ausführlich besprochen wie die Varianten von Siegelabdrücken. Religionsgeschichtlich besonders bedeutsam sind die Zusammenfassungen zur lokalen Skarabäenproduktion in der Levante und Palästina (29-39). Hierbei werden wie im ganzen weiteren Band die Beschreibungen der Bildmotive möglichst neutral gehalten. Ausführliche tabellarische Übersichten illustrieren die Typologie von Skarabäen von der Ersten Zwischenzeit bis ins 1. Jt. v. Chr. (39-60). Erläuterungen zu den Rubriken Erhaltungszustand (129) und Art der Gravur sowie ihrer technischen Ausführung schließen sich an (129-135). Ausführlich kommen die (überwiegend mineralischen) Materialien zur Sprache (136-152), auch mit Angaben zu den im Alten Ägypten damit verbundenen symbolischen Bedeutungen (§ 351; 138). Im Anschluß werden Farbe und Maße erörtert (153-154).

Für die religionsgeschichtliche Auswertung entscheidend ist schließlich die Basisdekoration der Siegelamulette (Teil IV.B; 155-246). Hierzu findet sich eine eingehende Beschreibung der Motive und Bildthemen der mittelbronzezeitlichen palästinischen Stempelglyptik, die der erste Band des Katalogwerks behandeln wird. Als Grundlage dient die von O. Tuffnell (Studies on Scarab Seals. Vol. II, Warminster 1984) aufgestellte Systematik von Motivklassen, die aber erweitert und abgewandelt wird (§ 423-424; 158-162).

Im Rahmen der Einzelerörterungen finden sich immer wieder Ausblicke auf die Motive der SB und EZ (in § 652; 246, wird für einen späteren Katalogband die Erweiterung der Motivklassen Tufnells für diese Perioden angekündigt). Elf Motivklassen kommen zur Darstellung. Die umsichtigen Erläuterungen zu ornamentalen Mustern, ägyptischen Zeichen und Symbolen (vgl. die Liste § 448-469; 169-176), Tieren, Mischwesen und anthropomorphen Figuren (Gottheiten und Menschen) sollten bei der Beschäftigung mit ikonographischen Fragen in Zukunft immer mit herangezogen werden. Ein umstrittenes Problem der Skarabäenforschung, inwieweit bei den Basisdekorationen mit kryptographischen Verschlüsselungen zu rechnen ist, wird eingehend erörtert (§ 472-481; 177-180; § 642-650; 242-246). In Teil IV.C-F (247-265) werden u.a. Grundlagen und Kriterien für die Datierungen im Katalogwerk vorgestellt, die dort verwendete archäologische Periodisierung begründet und die Beschreibung des Fundkontextes mit ihren Problemen erläutert. Ein abschließender sehr instruktiver Teil (Teil V; 266-277) ist den Funktionen der Siegelamulette gewidmet. Der Amulettcharakter steht im Verhältnis zur rechtlichen Bedeutung offenbar im Vordergrund, aber auch der Ausdruck religiöser und politischer Zugehörigkeit scheint eine Rolle gespielt zu haben. Die Siegelamulette hatten für ihre Besitzer offensichtlich mehrere Funktionen, was im einzelnen noch einmal differenziert werden kann. Ein Register zu den Formen der Siegelamulette (ohne die Skarabäenform), eine Übersicht zu ihrer Laufzeit und eine umfassende Bibliographie (291-360) sowie ein Sachregister beschließen den Band.

Abschließend soll noch die Widmung des Bandes an E. Hornung erwähnt werden. Die von diesem gemeinsam mit E. Staehelin in dem Standardwerk zu den Siegelamuletten aus Basler Sammlungen (Mainz 1976) unternommene konsequente inhaltliche Interpretation von Basisdekorationen hat das Projekt Keels in vielerlei Hinsicht angeregt.