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Ausgabe:

Februar/1999

Spalte:

177–181

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Tuckett, Christopher M. [Ed.]

Titel/Untertitel:

The Scriptures in the Gospels.

Verlag:

Leuven: Peeters; Leuven: University Press 1997. XI, 721 S. gr. 8 = Bibliotheca Ephemeridum Theologicarum Lovaniensium, 131. Kart. BEF 2400. ISBN 90-6831-932-9 u. 90-6186-802-5.

Rezensent:

Michael Labahn

Die Beiträge dieses Sammelbandes gehen zurück auf das 45. Colloquium Biblicum Lovaniense (31.7-2.8.1996), das unter der methodischen Zielrichtung stand: "Intertextuality: The Use of the Old Testament in the Four Gospels". Neben Beiträgen zu den Synoptikern und dem vierten Evangelium ist auch - und dies ist ausdrücklich herauszustellen - die Logienquelle berücksichtigt.

Dem Vorwort des Herausgebers folgen in dem ersten Teil des Sammelwerkes die main papers:

C. M. Tuckett, Scripture and Q (3-26). T. bewertet die Rolle, die die Rezeption atl. Texte bei der Rekonstruktion literarischer Schichten von Q spielt, kritisch, ohne das Wachstum der Traditionen selbst zu bestreiten. Als Ertrag der kritischen Septuaginta-Forschung wird auf die Uneinheitlichkeit des griechischen AT-Textes zur Zeit der Entstehung des NT gewiesen, so daß LXX-Text und MT nicht immer mit Sicherheit unterschieden werden können. Untersucht wird der Einfluß von Jes 53 auf die Menschensohn-Worte sowie auf Lk 10,14 (Q) und die Rezeption von Jes 61 (zusammen mit Ps 146 unter Hinweis auf 4Q521) in den Seligpreisungen. Zusammenfassend stellt T. fest, "that scripture is far more fundamental in Q than first impressions might imply; and such influence pervades the Q material across any alleged boundaries between different possible strata" (26).

F. Neirynck, Q 6,20b-21; 7,22 and Isaiah 61 (27-64). N. untersucht den Einfluß von Jes 61 auf die Seligpreisungen in Q (Lk 6,20.21 [Q]) und Jesu Antwort an den Täufer (Lk 7,22 [Q]). Beobachtungen zur Redaktion der Q-Seligpreisungen durch die Seitenreferenten führen N. zum Schluß, daß Jes 61 den ersten Evangelisten hinsichtlich Wortwahl und Stellung in Mt 5,4 beeinflußt hat; für Lk 6,20b (Q) wird die Annahme eines Einflusses skeptisch beurteilt. Für die Auswertung des Einflusses von Jes 61 neben anderen jes. Bezügen auf Lk 7,22 (Q) zieht N. als Parallele 4Q521 heran, die ebenfalls die Abfolge Totenerweckung - Verkündigung der guten Nachricht (Jes 61,1) enthält. Gegenüber Lk 7,22 (Q) als Indiz, daß in 4Q521 frgm 2 col. II Z.12 f. der Messias handelt, fordert N. eine differenziertere Betrachtung von Lk 7,18 ff.; Lk 7,22c-e (Q) stellt sich so als "a description of the time of salvation" dar, die ursprünglich ein eigenständiges Traditionsstück bildete (62).

J. Lust, Mic 5,1-3 in Qumran and in the New Testament, and Messianism in the Septuagint (65-88). L. behandelt anhand von Mi 5,1 ff. ein weites Problemfeld, das für die neutestamentliche Forschung wichtige Forschungsergebnisse der Qumran-Texte und der LXX aufnimmt: I. Zitationsformeln und Kanon (Qumran und NT sehen dieselben Bücher als autoritativ an), II. Beobachtungen zum Text von Mi 5,1-3 in Qumran (z. B. Beobachtungen zur Umschreibung des Gottesnamens in frühen griechischen Handschriften), III. Text- und literarkritische Bemerkungen (Abweichungen der LXX von MT lassen erkennen, daß Mt 2,6 auf den hebräischen Text von Mi 5,1 zurückgeht; zudem wird Mi 5,3 mit 2 Sam 5,2 kombiniert), IV. Messianismus von Mi 5,1-3 in MT und LXX (der Gedanke der zunehmend messianischen Interpretation durch die LXX findet in Mt 5,1-3 keine Unterstützung).

D. Senior, The Lure of the Formula Quotations: Re-assessing Matthew’s Use of the Old Testament with the Passion Narrative as Test Case (89-115). Nach einer forschungsgeschichtlichen Übersicht über die Analyse der Erfüllungszitate weitet S. den Blick auf die Verwendung des AT insgesamt. Der mt. Leitgedanke, daß Jesu Person und Auftrag die im AT gegebenen Verheißungen Gottes erfüllt, ist neben den Erfüllungszitaten auch (1) an programmatischen Feststellungen (Mt 3,15; 5,17; 26,56), (2) an direkten AT-Zitaten und Anspielungen jenseits der Erfüllungszitate und (3) an Ereignissen oder Episoden in der Erzählung, die von alttestamentlichen Passagen, Ereignissen oder Personen beeinflußt sind, abzulesen. Dies belegt S. durch die Analyse der Passionsgeschichte mit Hilfe der drei vorgenannten Kategorien.

W. Weren, Jesus’ Entry into Jerusalem: Mt 21,1-17 in the Light of the Hebrew Bible and the Septuagint (117-141). Nach W. bilden Jesu Einzug in Jerusalem und die Tempelaktion eine literarische Einheit. Der Evangelist stimmt in Mt 21,1-17, wo er gegen Mk ergänzt, mit LXX überein; eine Ausnahme ist das Zitat von Sach 9,9 (Mt 21,5), das LXX und MT verbindet. Ausgehend vom Phänomen der Intertextualität untersucht W. auch den ursprünglichen Kontexts der zitierten Belege, um festzustellen "that the original context of the citations reverberates in Mt 21,1-17. In their new setting the quoted words and sentences continue to refer to contextual data with which they were originally associated" (139). Wie die Heilsfiguren der nachexilischen Texte ist Jesus das Zentrum der in Jerusalem um seine Person herum entstehenden neuen Gemeinde.

C. Focant, La recontextualisation d’Is 6,9-10 en Mc 4,10-12, ou un exemple de non-citation (143-175). Das MkEv richtet die Verstockungsaussage Jes 6,9f als "non-citation" an: ekeinois de tois exo. Mk 4,1-32 wird als Schlüsselpassage des Evangeliums verstanden, die "une réflexion sur le sort de la parole divine (mystère du Royaume de Dieu) et sur la capacité à l’entendre" (155) entfaltet. So verstanden, unterscheidet Mk 4,10-12 nicht zwischen Akteuren der Handlungsebene, sondern fragt die Leser direkt, ob sie zu denen gehören, denen ’das Reich Gottes gegeben ist’ oder zu ’jenen, die draußen sind’. Nicht Verstockung durch Gott ist das Thema, sondern die katastrophale Situation derer, die sich selbst in Blindheit verschließen.

J. Marcus, Scripture and Tradition in Mark 7 (177-195). Gegenüber den Vorwürfen des mk. Jesus in Mk 7,8.9.13 stellt M. zunächst die fundamentale Bedeutung der Einheit von schriftlichem Gotteswillen und mündlicher Tradition heraus; die gegen die Pharisäer vorgebrachten Argumente können gegen die mk. Beweisführung selbst zurückschlagen, so daß die AT-Zitate in Mk 7,6 f. (Jes 29,13) und 7,10 (Ex 20,12/Dtn 5,16 und Ex 21,17/Lev 20,9) eher die pharisäische Beweisführung unterstützen. Entsprechend rekonstruiert M. hinter Mk 7,1-15 einen theologisch herausfordernden, pharisäischen Argumentationsgang, auf den Mk 7 antwortet.

C. Breytenbach, Das Markusevangelium, Psalm 110,1 und 118,22 f. Folgetext und Prätext (197-222). B. stellt Formen von Intertextualität vor, um sich der Wiederholung des Prätextes im Folgetext, angezeigt durch ausdrückliche Markierung, zu widmen: Ps 110,1 in Mk 12,35-37 und Ps 118,22 f. in Mk 12,10 f.; beachtet wird auch die Wiederholung von Ps 110,1 in Mk 14,62 und PsLXX 117,22a in Mk 8,31. Mk 12,35 entscheidet die Frage, ob der Christos ein Davidide sei, durch den vom Heiligen Geist autorisierten David von Ps 110,1 negativ. Den wahrscheinlich in althebräischen Buchstaben geschriebenen Gottesnamen in LXX gibt Mk in Mk 12,36 mit kyrios, in Mk 14,62 mit dynamis wieder, um im Verhör Jesu die militärischen Implikationen dieses Begriffs abzurufen. So ergeben sich auch aufgrund des Einflusses von Ps 8,7 auf die Rezeption von Ps 110,1 weitreichende christologische Folgerungen. Die Anspielung auf PsLXX 117,22a in Mk 8,31 greift vor auf Mk 12,1-12 (Zitat von PsLXX 117,22 f. ohne Anspielung auf Jes 28,16); 14,53-15,1 und 16,1-8, so daß sie im Licht von Jesu Tod und Auferstehung zu lesen ist. Unabhängig von der Verwertung ihrer Themen in der frühchristlichen Literatur ist die Rezeption der alttestamentlichen Psalmverse fest mit der erzählten Christologie des MkEv verbunden.

A. Y. Collins, The Appropriation of the Psalms of Individual Lament by Mark (223-241). C. stellt ihre Untersuchungen der Rezeption der Klage -psalmen des Einzelnen bei Mk (7 bzw. 8 Psalmen werden in 12 Stellen zitiert oder angespielt) in den Horizont der Frage, ob die mk. Rezeption atl. Texte und, damit die christliche überhaupt, ein illegitimer Lektüreakt ist. Die Psalmen haben im AT und in jüdischer Lektüre (Qumran) selbst verschiedene "re-readings" und ein verändertes Verständnis erfahren; das Leiden des Einzelnen kann als Teil des eschatologischen Planes Gottes verstanden werden. Die vormk. Belege hinter Mk 14 f. "aim at making sense of Jesus’ death ... as the predetermined suffering of the messiah" (231); dies ist mit dem Verständnis des Lehrers der Gerechtigkeit zu vergleichen. Messianische "re-readings" der Klagepsalmen finden sich auch in Anspielungen in Mk 9,11-13 (Ps 22,7) und Mk 3,20 f. (Ps 69,9). Können in klassisch rabbinischer Lesung der Klagepsalmen messianische Deutungen gefunden werden, so bewegt sich das Verständnis des MkEv "within the boundaries of acceptable Jewish exegesis" (240).

P.-M. Bogaert, Luc et les Écritures dans l’Évangile de I’Enfance à la lumière des "Antiquités Bibliques": Histoire sainte et livres saints (243-270). In seinem dreigeteilten Beitrag führt B. zunächst in Probleme der AntBib ein (Text, Datierungsfragen, literarische Technik), analysiert das Verhältnis der biblischen Geburtsgeschichte Samuels (1Sam 1-2) zur Rezeption in AntBib, um schließlich zu den Kindheitserzählungen des Lk zu gelangen. Sind diese ein integraler Bestandteil der lk. Heilsgeschichte, so lassen sich beim Vergleich mit AntBib (neben Samuel wird auch die Geburtsgeschichte des Samson besprochen) Parallelen und Differenzen feststellen (AntBib kann ein Modell für LkEv gewesen sein: 268); liest das LkEv die Bibel nach Art des Verfassers der AntBib, so ist doch seine Lektüre auf Jesus den Heiland konzentriert.

A. Denaux, Old Testament Models for the Lukan Travel Narrative: A Critical Survey (271-305). D. geht der Frage nach, inwiefern der ’lk. Reisebericht’ nach alttestamentlichen Vorbildern gestaltet worden ist; kritisch diskutiert werden die Modelle von C. F. Evans ("Christian Deuteronomy"), D. P. Moessner (dtr. Konzeption von Moses Sendung und Geschick als Hintergrund für die Darstellung Jesu), W. M. Swartley (formativer Einfluß der Exodus/Landnahme-Tradition), M. L. Strauss (Einfluß von Deutero-Jesaja und dem Motiv des neuen Exodus) und E. Mayer (Wüstenwanderung als hermeneutischer Hintergrund). Als Ertrag läßt sich festhalten, daß diese Modelle, auch wenn sie als ganze nicht überzeugen, doch sensibel gemacht haben für den Variantenreichtum des lk. Schriftgebrauchs, der nicht allein auf den Reisebericht zu beschränken ist.

M. Morgen, Lc 17,20-37 et Lc 21,8-11.20-24: Arrière-fond scripturaire (307-326). M. untersucht die alttestamentlichen Bezüge in Abschnitten der beiden eschatologischen Reden Lk 17 und 21. Im Zentrum von Lk 17,20-37 stehen die Vergleiche des Tages des Menschensohns mit dem Blitz (V. 24), den Tagen Noahs (V. 26 f.) und denen Lots (V. 28). Die lk. Komposition wird auf das umfassende und totale Gericht hin orientiert. Zugleich weisen Lk 17,25.37 auf die Passion und damit auf den Ort der Offenbarung und des Heils. In 21,8 ff. nimmt der Evangelist die Schriftzitate von Mk auf, orientiert sie jedoch so, daß der Leser zur korrekten Interpretation des kairos als Erfüllung des Planes Gottes gelangt. Auch Lk 21,20 ff. zielt im Rückgriff auf vergleichbare Ereignisse im AT auf das rechte Verständnis des Geschehenen: Mit Hilfe der alttestamentlichen Bezüge wird der Leser aufgefordert, die Zerstörung Jerusalems in Übereinstimmung mit Gottes Plan zu verstehen, bei dem die Heiden als Instrumente des göttlichen Gerichtes wirken.

M. Theobald, Schriftzitate im "Lebensbrot"-Dialog Jesu (Joh 6). Ein Paradigma für den Schriftgebrauch des vierten Evangelisten (327-366). Nach T. zitiert Joh 6,31 PsLXX 77,24 (kein Mischzitat) und 6,45 Jes 54,13, beide nach der LXX (6,31a ist "eine Art haggadischen Summariums von Ex 16" [330], Joh 6,41 spielt auf Ex 16,2 u. ö. und Joh 6,50 wohl auf Ex 16,15 an). Die Veränderungen der Zitate gehen auf den Evangelisten zurück. Kernstück dieser in Widerspruch gegen P. Borgen formal als Dialog bestimmten Lebensbrot-Passage 6,22-59 ist das Ego-Eimi-Wort 6,35; nicht Schriftauslegung, sondern "eine szenisch dramatisierte Auslegung von Jesus-Worten" liegt vor (340). Gegenüber dieser Auslegung besitzen die Zitate einen "minderen Status" (345), die im Licht des Jesus-Wortes ihren Sinn erhalten. Schriftworte werden zu einem Rätsel, das nur der/die versteht, der/die die Referenz auf Christus kennt. Zugleich wird die soteriologische Bedeutung der Tora und die in den zitierten Schriften bezeugte Heilsgeschichte Israels entleert.

M. J. J. Menken, The Use of the Septuagint in Three Quotations in John: Jn 10,34; 12,38; 19,24 (367-393). Die von M. analysierten Schriftzitate übernimmt der Evangelist unverändert aus der LXX, soweit sie seiner theologischen Intention entsprechen, wie er z. B. für Joh 10,34 aufgrund des traditionsgeschichtlichen Hintergrunds herausstellt: Wenn einzelne menschliche Empfänger von übernatürlichen Offenbarungen vermittels einer Vision von Gott ’Götter’ genannt werden können, so spricht dies nicht gegen die Verwendung des Gottessohn-Titels für den präexistenten Gesandten Gottes (entsprechend auch zu Joh 12,38 und 19,24). Solche Exegese entspricht der Auslegungsmethodik des 1. Jh.s n. Chr.

U. Busse, Die Tempelmetaphorik als ein Beispiel von implizitem Rekurs auf die biblische Tradition im Johannesevangelium (395-428). Ausgehend von der Betonung der Rolle, die indirekte Schriftzitate für das JohEv spielen und der Bedeutung der Tempelmetaphorik, untersucht B. anhand zentraler Aspekte dieses Motivs (Wohnstatt Gottes, Kultort, Lernort, Offenbarungsort, Treffpunkt zwischen Himmel und Erde; 401) vierzehn Textkomplexe. Ein Beispiel: In der "Symbolhandlung" der Tempelreinigung 2,13-22 verweist der "Sohn des Hausherrn" auf das noch ausstehende Zeichen von Tod und Auferstehung vor; dadurch wird "der Auferstandene als erneuerter Tempel, d. h. Ort der gnädigen Gegenwart Gottes, für die Jünger offenbar" (409). Zugleich wird die Zeit, die die Jünger mit Jesus vor sich haben (PsLXX 68,10: Wechsel in das Futur), als Zeit des Eifers für dieses Haus interpretiert. Als Ergebnis dieser Untersuchung hält B. fest, daß der Verfasser biblische Motive souverän verarbeitet, um die soteriologische Bedeutung des Jesusgeschehens zu unterstreichen.

Von den 27 gehaltenen short papers sind 21 in diesem Sammelband abgedruckt, die im folgenden nicht im einzelnen vorgestellt werden können:

M. Rese, Intertextualität - Ein Beispiel für Sinn und Unsinn ’neuer’ Methoden; J. Schröter, Erwägungen zum Gesetzesverständnis in Q anhand von Q 16,16-18; N. H. Taylor, Interpretation of Scripture as an Indicator of Socio-historical Context: The Case of the Eschatological Discourses of Mark and Q; T. L. Brodie, Intertextuality and Its Use in Tracing Q and Proto-Luke; G. Geiger, Falsche Zitate bei Matthäus und Lukas; M. Hasitschka, Die Verwendung der Schrift in Mt 4,1-11, L. Lybæk, Matthew’s Use of Hosea 6,6 in the Context of the Sabbath Controversies; S. L. Graham, A Strange Salvation: Intertextual Allusion in Mt 27,39-44; B. J. Koet, Mk 12,28-34: Übereinstimmung im Kern der Sache; J. Verheyden, Describing the Parousia: The Cosmic Phenomena in Mk 13,24-25; G. J. Steyn, Luke’s Use of MIMESIS? Re-opening the Debate; F. Noël, The Double Commandment of Love in Lk 10,27. A Deuteronomistic Pillar or Lukan Redaction of Mk 12,29-33?; E. Verhoef, (Eternal) Life and Following the Commandments: Lev 18,5 and Lk 10,28; S. von Stemm, Der betende Sünder vor Gott: Lk 18,9-14 zur Rezeption von Psalm 51(50),19; R. L. Brawley, Scripture Resisting the Carnivalesque in the Lucan Passion; H. A. J. Kruger, A Sword over His Head or in His Hand? Luke 22,35-38; G. P. Carras, A Pentateuchal Echo in Jesus’ Prayer on the Cross: Intertextuality between Numbers 15,22-31 and Luke 23,34a; G. van Belle, L’accomplissement de la parole de Jésus: La parenthèse de Jn 18,9; W. Kraus, Die Vollendung der Schrift nach Joh 19,28. Überlegungen zum Umgang mit der Schrift im Johannesevangelium; K.-W. Niebuhr, Die Werke des eschatologischen Freudenboten (4Q521 und die Jesusüberlieferung); P. J. Tomson, The Core of Jesus’ Evangel: ÂéÁÁÂÏÛÛÈ ÙÔÖ (Isa 61).

Diese Beiträge vertiefen das in den main papers entfaltete methodische und materiale Bild. So findet bei Rese eine explizite Diskussion der Methode der Intertextualität statt, vor allem mit dem niederländischen Programm "Intertextualität und Bibel" (vgl. z. B. auch die methodologischen Reflexionen bei Tuckett, Weren, Breytenbach, Brodie, Carras). R.s kritische Überlegungen wie seine Hinweise auf die Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen Zitat und Anspielung und zur Beachtung der diachronen Fragen sind eine notwendige Bereicherung der Sammlung, obgleich, wie die Einzelbeiträge zeigen, kaum zutrifft, daß frühchristliche AT-Rezeption "atomistisch" vollzogen werde (438; s. a. Tuckett 13 ff.; anders z. B. Weren; Hasitschka, Lybæk). Eine wichtige Ergänzung stellt der Beitrag von Niebuhr dar. Er analysiert den auch von Tuckett, Neirynck und Tomson zur Interpretation neutestamentlichen AT-Rezeption fruchtbar gemachten, 1992 publizierten Qumran-Text 4Q521 und stellt seine Relevanz für Mt 11,5par Lk 7,22; Lk 4,18 f. und Apg 10,43 heraus. N. spricht sich gegen eine messianische Interpretation des Textes aus, der formal und inhaltlich im Rahmen der frühjüdischen Psalmendichtungen zu verstehen ist; der Text blickt "auf die bevorstehende, durch Gott heraufgeführte und durch sein Wirken bestimmte Heilszeit" (639).

Die Analyse der Rezeption und Anknüpfung der neutestamentlichen Evangelien und ihrer unmittelbaren schriftlichen Quellen an das AT bedarf neben der materialen Untersuchung, an welche Texte ein (bewußtes oder unbewußtes) ’echo’ vorliegt, an welche angespielt wird bzw. welche zitiert sind (vgl. Denaux 272 ff.), einer weitergehenden methodischen Diskussion. Die Reflexion auf das Paradigma der Intertextualität stellt hierbei einen wichtigen Fortschritt dar, wenngleich damit nicht alle Probleme gelöst sind. Im Blick auf die unterschiedlichen Beiträge läßt sich erkennen, daß die wichtige Frage, wie der alttestamentliche Text rezipiert wird - atomistisch oder kontextorientiert - noch immer umstritten ist; allerdings läßt sich mit weitreichenden Folgen für die Interpretation eine Bereitschaft erkennen, den alttestamentlichen Kontext bei der Interpretation mit zu bedenken; damit erhält die Erforschung der Frage, welche Bedeutung der alttestamentliche Text im Folgetext erhält, neue Impulse. Aufgrund differenzierter Betrachtung der Textgeschichte der Septuaginta und vor allem der Neufunde hebraisierender LXX-Rezensionen zur Zeitenwende erhält die Frage, welche Schriftform (LXX, LXX-Rezensionen oder hebräische Texte) die neutestamentlichen Verfasser benutzt haben, neue Antworten. Weiterhin kann begrüßt werden, daß die historischen und soziologischen Bedingungen ebenso Beachtung finden wie antike Rezeptions- und Auslegungstraditionen. Neben den direkten Zitaten wird auch den weniger deutlich zu verifizierenden Anspielungen Interesse geschenkt.

Die verschiedenen Aufsätze mit ihren unterschiedlichen Fragestellungen tragen mehrheitlich zur Erweiterung des Horizonts in Bezug auf die Frage nach der frühchristlichen Schrift-Rezeption bei und bieten interessante Diskussionsbeiträge, die auch für die Frage nach der Entstehung der Evangelien und ihres literarischen Verhältnisses von Bedeutung sind. So befruchtet der Sammelband die Forschung, auch wenn der Leser keine einmütige Tendenz entnehmen kann; es sei denn, daß die Beiträge einmal mehr die wichtige Bedeutung der alttestamentlichen Schriften für die Evangelienschreibung und für Traditionen und Quellen unterstreichen. Letzteres ist in besonderem Maße beachtenswert, da hier neben Jesus und den Evangelien auch die Logienquelle als Rezipientin alttestamentlicher Schrift in den Blick gerät - und zwar in bezug auf ihre gesamte Entstehungsgeschichte. Neben Darstellung und materieller Erarbeitung von neutestamentlichen Rückbezügen, Aspekten ihrer Deutung und Bedeutung (historisch, soziologisch, leserorientiert) ist der Band auch eine Art Kompendium, das die gegenwärtigen Methoden zur Erhellung des Problemhorizonts The Scriptures in the Gospels vorstellt, diskutiert und anwendet.

Neben einem Abkürzungsverzeichnis erleichtern zwei ausführliche Register, wie von dieser Reihe gewohnt, die Arbeit des Lesers und empfehlen den Band für die Benutzung. Dem Herausgeber dieses Bandes ist für die sorgfältig redigierte Edition dieses Bandes zu danken, der eine gute Orientierung über den gegenwärtigen Stand der Rezeption atl. Texte im NT gibt.