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Ausgabe:

März/1997

Spalte:

230–232

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

[Wagner, Siegfried]

Titel/Untertitel:

Von Gott reden. Beiträge zur Theologie und Exegese des Alten Testaments. Festschrift für S. Wagner zum 65. Geburtstag. Hrsg. von D. Vieweger, u. E.-J. Waschke.

Verlag:

Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 1995. 307 S. gr.8°. Pp. DM 98,­. ISBN 3-7887-1562-6.

Rezensent:

Henning Graf Reventlow

Der Unterüberschrift entsprechend, zerfällt diese Festschrift für den bekannten Leipziger Alttestamentler in zwei Teile: Im ersten Abschnitt (A; 13-93) stehen zwei Beiträge über alttestamentliche und zwei über biblische Theologie. Der zweite (B; 95-245) enthält, wie bei Festschriften meist üblich, eine bunte Sammlung vermischter Beiträge, die kein gemeinsames Thema verbindet.

Von größerem allgemeinen Interesse ist der erste Teil. Ludwig Schmidt begründet in seinem Beitrag "Biblische Theologie und alttestamentliche Hermeneutik" (15-29) aufgrund einer Übersicht über die neueren Ansätze zu den beiden Themenkreisen seine Forderung, daß eine alttestamentliche (und neutestamentliche) Hermeneutik im Sinne einer historisch-deskriptiven Aufgabe als eigenständiges Gebiet neben einer normativen biblischen Theologie bestehenbleiben müsse. Kontinuität und Diskontinuität zwischen beiden Testamenten, zwischen dem im Alten Testament bezeugten Handeln Gottes und dem Christusgeschehen würden so gewahrt.

Werner H. Schmidt: ",Biblische Theologien’ und ’Biblische Theologie’" (31-44) nimmt die Frage nach der Einheit der Biblischen Theologie in der schon inneralttestamentlichen Verschiedenheit der Theologien erneut auf und löst sie im Sinne seiner alten These (vgl. ders., Das erste Gebot, 1969) von der übergreifenden Einheit Gottes entsprechend dem Ersten Gebot.

Hans-Christoph Schmitt, "Religionsgeschichte Israels oder Theologie des Alten Testaments" (45-64) setzt sich mit der Auffassung von R. Albertz (Religionsgeschichte Israels in alttestamentlicher Zeit, 1992, 34 f.) auseinander, daß die Theologie des Alten Testaments eine historische Aufgabe bleiben müsse und daß es keine eigentliche "Mitte" des Alten Testament gebe. Unter Anschluß an Smend sieht er in der "Bundesformel" diese Mitte, von der her auch ein Dialog mit dem Judentum möglich sei. Der Unterschied zwischen Altem und Neuem Testament bestehe nur in "einem vorlaufenden und einem endgültigen Reden Gottes" (60). Die systematisch-normative Aufgabe der alttestamentlichen Theologie bestehe darin, dies in der Vielfalt der alttestamentlichen Texte zu entfalten.

E.-J.Waschke, "Zur Frage nach einer alttestamentlichen Theologie im Vergleich zur Religionsgeschichte Israels" (65-81) nimmt ebenfalls die Diskussion mit Albertz auf. Gegen Albertz sieht er neben der Religionsgeschichte die alttestamentliche Theologie als sinnvolle Disziplin, da sie den Dialog mit Theologie und Kirche aufnimmt. Ihre Aufgabe sei es, "ihren Ausgangspunkt bei jenen religionsgeschichtlich aufgezeigten Schnittstellen zu suchen, die sich für die Redaktion, Komposition sowie Konzeption alttestamentlicher Texte und Schriften als theologisch relevant erweisen" (69). Unter Voraussetzung der "Einzigartigkeit des Gottes Israels" und der Definition der Aufgabe alttestamentlicher Theologie, "das Reden Gottes und die Rede von Gott zur Sprache zu bringen" (S. Wagner) hat sie historisch-kritisch in der zweitgenannten Richtung redaktionsgeschichtlich zu arbeiten und auch die Spannungen innerhalb des Alten Testaments aufzuzeigen, aber doch den Zusammenhalt der Überlieferungen nachzuvollziehen, während die überlieferungsgeschichtliche Perspektive der Religionsgeschichte zufällt. Hier bleiben Fragen ­ nicht nur die zweitrangige, ob die Spätdatierung des Jahwisten berechtigt ist!

Im zweiten Teil finden sich folgende Beiträge:

H. Donner, "Ein Vorschlag zum Verständnis von Maleachi 2,10-16" (97-103): Konkreter Anlaß eines ursprünglich rein poetischen Spruchs ist die Aufforderung Nehemias (Esras?) auf Auflösung der Mischehen (Neh 13, 23-27; Esr 9-10), Mal wäre ein Gegner dieser Praxis;
J. Hausmann, ",Wer ist wahrhaft gottesfürchtig?’ Jona 1 und sein Beitrag zur Diskussion um das Problem Israel und die Völker." (105-116): paraphrasiert den Inhalt und nennt als zwei Grundinteressen des Jonabuchs, die Hörer aus ihrer Indifferenz zu Jahwe herauszurufen und eine Öffnung zu den Völkern zu ermöglichen;
S. Herrmann, "Jeremia vor Chananja" (117-122): in Jer 28 sind die V. 7-9 der Kern; es soll gezeigt werden, daß Jeremia von vornherein der wahre, Chananja der falsche Prophet war ("ein Symbol des ’vernünftigen’ und ehrgeizigen Menschen"[?], 121);
W. Herrmann, "Psalm 129" (123-132): ein Psalm aus hellenistischer Zeit, der die Nöte der vergangenen Geschichte reflektiert;
O. Kaiser, "Psalm 39" (133-145): ein nachkultischer [?], lehrhafter Psalm, der eine von dem Dichter übernommene ältere Vergänglichkeitsklage (5-7.12) in vierstrophigem kolometrischen Ebenmaß enthält;
M. Köckert, "Das Land in der priesterlichen Komposition des Pentateuch" (147-162): zeigt auf, daß das Ziel von P nicht beim wandernden Gottesvolk und dem Sinai, sondern im Land liegt;
R. Liwak, "Der Herrscher als Wohltäter. Soziologische Aspekte in den Königstraditionen des Alten Orients und des Alten Testaments" (163-186): behandelt das bekannte Thema an einem reichen Quellenmaterial;
R. Lux, ",Und die Erde tat ihren Mund auf...’ Zum ’aktuellen Erzählinteresse’ Israels am Konflikt zwischen Mose und Datan und Abriam in Num 16" (187-216): die aus der frühen Exilszeit stammende Erzählung ist eine nach-dtn. Stellungnahme eines Anhängers der Reform gegen die Anhänger der alten Oberschicht, die sich dem Machtverlust widersetzten;
D. Mathias, "Das Problem der Zeit in weisheitlichen Texten des Alten Testaments" (217-232): behandelt differenziert das Verhältnis von Zeitverständnissen und Weisheitsregeln;
A. Meinhold, "Zur strukturellen Eingebundenheit der JHWH-Sprüche in Prov 18" (233-245): zeigt auf, daß die direkten JHWH-Sprüche in Prov 18, 10 und 22 sowie der indirekte Gottesbezug in V. 18 einen integralen Bestandteil des Kapitels bilden;
H. Seidel, "Die Himmel erzählen die Ehre Gottes" (247-253): Zeugnisse über den Zodiakos;
W. Thiel, "Die Erkenntnisaussage in den Elia- und Elisa-Überlieferungen" (255-269): sorgfältige Untersuchung der Einzelbelege;
D. Vieweger, "Vom ’Fremdling’ zum ’Proselyt’. Zur sakralrechtlichen Definition des gr im späten 5. Jahrhundert v. Chr. (271-284): in der nachexilischen Periode besteht in der persischen Provinz Judäa die Tendenz, die nichtjüdische Bevölkerung in die Jerusalemer Kultgemeinde wirtschaftlich und religiös zu integrieren.
Eine Buchbesprechung von J. Männchen: "’Das Land, das er unseren Vätern geschworen hat’. Anmerkungen zu einer palästinensischen Befreiungstheologie" (287-295) beschäftigt sich kritisch mit N. S. Ateek, "Justice, and Only Justice ­ A Palestinian Theology of Liberation" (1989; dt. 1990) und dessen alttestamentlicher Hermeneutik (einer palästinischen Befreiungstheologie auf Grundlage von 1Kön 21 f. und Ps 42/43). Ihr Einwand: Es handelt sich nicht um zeitlose Texte; die Geschichte ist nicht auszublenden.

Der Anhang (209-307) enthält eine Bibliographie des Jubilars und Register.