Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

März/1997

Spalte:

229 f

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Schmidt, Werner H.

Titel/Untertitel:

Vielfalt und Einheit alttestamentlichen Glaubens. Hrsg. von A. Graupner, H. Delkurt und A. B. Ernst. Bd. 1: Studien zu Hermeneutik und Methodik, Pentateuch und Prophetie. Bd. 2: Psalmen und Weisheit, Theologische Anthropologie und Jeremia, Theologie des Alten Testaments.

Verlag:

Neukirchen-Vluyn: Neukirchener 1995. VIII, 254 S. u. VIII, 290 S. 8°. DM 68,­ u. DM 78,­. ISBN 3-7887-1546-4 u. 3-7887-1547-2.

Rezensent:

Siegfried Wagner

Aufsatzbände bieten einen instruktiven Einblick in das Schaffen eines Wissenschaftlers und in gewisser Weise auch in die Diskussion der Probleme, die in der zurückliegenden Zeit einer Lösung zugeführt zu werden verlangten. Anlaß zur Herausgabe der beiden hier anzuzeigenden Bände war der 60. Geburtstag von Werner H. Schmidt, den seine Schüler mit dieser Publikation ehren wollten. Es liegt somit die Auswahl von insgesamt dreißig Studien des Jubilars aus drei Jahrzehnten (1964-1994) wiederabgedruckt vor, die die ganze Breite der wissenschaftlichen Arbeit Werner H. Schmidts am Alten Testament eindrucksvoll dokumentiert.

Beiden Teilbänden sind neben dem Vorwort ein Verzeichnis der Erstveröffentlichungen und ein Bibelstellenregister in Auswahl beigegeben, der erste enthält zusätzlich die Bibliographie des Autors. Die Hgg. haben die Aufsätze in jedem dieser Bände drei Themenkreisen zugeordnet, wobei der erste in "Hermeneutik und Methodik", "Pentateuch" und "Prophetie" und der zweite in "Psalmen und Weisheit", "Anthropologie und Jeremia" und "Theologie des Alten Testaments" gegliedert ist.

In der jeweiligen Untersuchung beginnt W. H. Schmidt mit einer Art Vorbemerkung, in welcher er sich dem Thema annähert und mitunter auch Gründe für seine Behandlung benennt. Sodann wird der Untersuchungsgegenstand unter den verschiedensten Aspekten ausführlich betrachtet. Dabei erweist sich der Autor als hervorragender Exeget, der das wissenschaftliche Instrumentarium virtuos einsetzt und die unterschiedlichen Traditionsbereiche des Alten Testaments daraufhin untersucht, ob und wie sie zur Erhellung des Themas etwas beizutragen vermögen. Oft geht der Vf. von ein oder zwei markanten Textstellen aus und entfaltet das zu behandelnde Problem unter Heranziehung einer immensen Fülle von biblischen Belegen. Die Vergleiche überraschen in ihrer Zutrefflichkeit. Bei aller analytischen Arbeit ist das Interesse des Autors immer wieder auf den Gesamtzusammenhang des Traditionsflusses eines Textes bis zu seiner literarischen Letztgestalt gerichtet. Insofern erscheint die Wahl des Titels "Vielfalt und Einheit alttestamentlichen Glaubens", den die Hgg. als Motto über die Sammlung der Schmidtschen Arbeiten gestellt haben, als glücklich (vgl. Bd. 2, 180 ff.: "Vielfalt und Einheit alttestamentlichen Glaubens. Konstruktionsversuch an einem Pfeiler der Brücke ’Biblische Theologie’").

Bei der Lektüre der Aufsätze fällt auf, daß der Vf. sich häufig theologischen Grundsatzfragen zuwendet, die zudem noch eigens thematisiert werden. So begegnen Beiträge zu "Gott und Böses" (Bd. 2, 267 ff.), "Werk Gottes und Tun des Menschen. Ansätze zur Unterscheidung von ’Gesetz und Evangelium’ im Alten Testament" (Bd. 2, 215 ff.), ",Rechtfertigung des Gottlosen’ in der Botschaft der Propheten" (Bd. 1, 214 ff.), "Aspekte der Eschatologie im Alten Testament" (Bd. 2, 233 ff.), "Gotteserfahrung und ’Ich’bewußtsein im Alten Testament" (Bd. 2, 92ff.), "Ansätze zum Verstehen des Alten Testaments" (Bd. 1, 34 ff.), "Die Ohnmacht des Messias. Zur Überlieferungsgeschichte der messianischen Weissagungen im Alten Testament" (Bd. 1, 154 ff.) und anderes mehr. Es ist zu begrüßen, daß Schmidt darin systematisch-theologische Topoi aus der Sicht des Alten Testaments aufnimmt und seine diesbezüglichen Aussagen exegetisch exakt begründet. Das belegen u. a. intensive semasiologische Beobachtungen an einzelnen hebräischen Begriffen, die zu interessanten und überzeugenden deutschen Übersetzungen führen.

In allen Untersuchungen, die die Aufsatzsammlung umfaßt, gewinnen zwei Grundüberzeugungen des Bonner Alttestamentlers, die er in seiner Arbeit über die vielen Jahre hinweg gewonnen hat, an Bedeutung: die von der Einheit des alttestamentlichen Gottesglaubens, die sich trotz aller Differenziertheit in ihrem Ausgesagtsein durchhält, und die von der Mittelpunktstellung des ersten Dekaloggebots im Alten Testament (vgl. auch die in der Bibliographie genannten einschlägigen Publikationen: "Das erste Gebot" [TEH 165], München 1970 und "Die Frage nach der ’Mitte des Alten Testaments’ im Spannungsfeld von Religionsgeschichte und Theologie", in: Gott loben ­ das ist unser Amt. Gedenkschrift OLKR D. J. Schmidt, Kiel 1984, 55-65, die als abgeänderter und erweiterter Aufsatz in Bd. 2, 190 ff. unter dem Titel "Die Frage nach der Einheit des Alten Testaments ­ im Spannungsfeld von Religionsgeschichte und Theologie" aufgenommen ist.

Hgg. und Verlag ist dafür zu danken, daß die verstreut erschienenen wichtigen Studien Werner H. Schmidts (es handelt sich allein um zwölf Festschriftbeiträge) nun in den beiden Aufsatzbänden so gut zugänglich sind.