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Ausgabe:

April/1997

Spalte:

398 f

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

Marienlexikon. Hrsg. im Auftrag des Institutum Marianum Regensburg e. V. von Remigius Bäumer und Leo Scheffczyk. 6. Bd.

Verlag:

St. Ottilien: EOS Verlag 1994. 872 S. gr.8°. Lw. DM 168,­. ISBN 3-88096-896-9.

Rezensent:

Reinhard Frieling

Der abschließende sechste Band des bisher umfassendsten Marienlexikons reiht sich würdig in die vorigen Bände ein und schließt ein eindrucksvolles Opus ab. Nahezu Vollständigkeit dürfte das Lexikon beanspruchen, wenn es geographisch um die Beschreibung von marianischen Orten, Kirchen und Kunstdenkmälern im europäischen Raum geht. Auch die Länderberichte sind instruktiv, indem sie historisch alles wissenswert Marianische beschreiben, in Schweden und in der Schweiz beispielsweise auch die kritischen marianischen Entwicklungen seit der Reformation.

Dem evangelischen Rez. fällt freilich wiederum ein erhebliches ökumenisches Defizit auf, sowohl bezüglich der orthodoxen wie der evangelischen Traditionen. Während Theodor Nikolaou als Fachleiter für orthodoxe Theologie noch für einige orthodoxe Beiträge sorgen konnte, hat der Fachleiter für die "Nichtkatholischen Bekenntnisse", Horst Bürkle (zur römisch-katholischen Kirche konvertierter früherer evangelischer Missionswissenschaftler), kaum Gelegenheit bekommen oder ergriffen, die verschiedenen evangelischen Positionen zur Sprache zu bringen, weder durch eigene evangelische Autoren zu einzelnen Stichworten noch innerhalb einzelner Artikel, wenn katholische Autoren Gelegenheit gehabt hätten, auch evangelische Auffassungen zu erörtern.

Das fällt besonders auf, wenn ein ökumenisch so gewichtiges und umstrittenes Dogma wie das von der "Unbefleckten Empfängnis" erläutert wird. Der Autor M. Seybold hätte gerade mit seinem Ansatz, die Mariologie typologisch von der Christologie her zu entfalten, durchaus gute Gelegenheit gehabt, in einen Dialog mit den evangelischen Stellungnahmen dazu einzutreten; aber dies geschieht mit keinem Wort! Ist im ökumenischen Zeitalter die katholische Theologie und Mariologie hier nicht zu introvertiert?

Nur zwei Hinweise seien erwähnt, die insbesondere zum ökumenischen Dialog einladen: (1) Zur "Schriftgrundlage" des Dogmas von der Unbefleckten Empfängnis heißt es ziemlich lapidar, man werde die Wahrheit dieses Dogmas erkennen, "wenn sie in typologischer Verhüllung mit anderem Alphabet auftritt" (520). Das hier anklingende Verhältnis von Schrift und Tradition müßte hier doch wohl im ökumenischen Kontext mitreflektiert werden. (2) Neben der alten Privilegien-Mariologie ordnet Seybold heute (was für die Ökumene beachtenswert ist) das Dogma lieber typologisch in die Christologie und Ekklesiologie ein. Unter der Voraussetzung des Erbsündendogmas wird die Unbefleckte Empfängnis verstanden als "Aussage objektiver Heilsgewißheit in personaler Konkretion und deshalb verläßlicher Orientierungspunkt menschlicher Heilshoffnung" (523).

Die Aussagen betreffen den Kern des evangelisch-katholischen Dialogs, aber das Lexikon entzieht sich hier den ökumenischen Rückfragen. Maria gehört ­ weil sie von Christus schon "vorhererlöst" wurde ­ in diesem Sinne nicht zur erlösungsbedürftigen Menschheit. Zugleich werde bei ihr typologisch deutlich, was die Gnaden- und Rechtfertigungslehre im Erlösungshandeln des Sohnes zum Ausdruck bringt. Gerade weil solche Interpretationen gewisse ökumenische Offenheit bekunden, wäre ein ökumenischer Dialog im Marienlexikon angebracht gewesen.

Ebenso vermißt der Ökumeniker kritische Gegenstimmen beim Artikel "Unsündlichkeit Mariens". Ohne jede Selbstkritik werden lediglich Stimmen der römisch-katholischen Tradition aufgeführt, und es wird resümiert, Mariens Unsündlichkeit sei "Säule der Heiligkeit der Kirche und Unterpfand der Unfehlbarkeit der Kirche als Säule der Wahrheit" (546). Über solche Verknüpfung von theologischer Anthropologie, Ekklesiologie und Christologie müßte ja wohl ökumenisch disputiert werden!

Bei den "Nachträgen" in diesem Band (819 ff.) fällt der instruktive Beitrag "Deutschsprachige marianische Literatur des Ostens" auf (828-832).Das Gesamtwerk ist eine unerschöpfliche Fundgrube für römisch-katholische Marianik und Mariologie. Es dürfte in dieser Hinsicht kaum zu überbieten sein.